Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

Vult der erste ist -- in welchem Falle du aber ein
ausgemachter ausgebälgter Spitzbube wärest, der
sein gestriges Wort bräche, nie in meine Papiere
zu blicken -- ja ich setz' es absichtlich zur Strafe
der Lesung für dich her, was ich jetzt behaupten
werde, daß ich nämlich dich ächter zu lieben
fürchte als du mich liebst. Wäre dieß gewiß: so
ging' es schlimm. Sehr zu besorgen ist, mein'
ich, daß du -- ob du gleich sonst wahrlich so
unschuldig bist wie ein Vieh -- nur poetisch lie¬
ben kannst, und nicht irgend einen Hans oder
Kunz, sondern bei der größten Kälte gegen die
besten Hänse und Künze, z. B. gegen Klothar,
in ihnen nur schlecht abgeschmierte Heiligenbilder
deiner innern Lebens- und Seelenbilder knieend
verehrst. Ich will aber erst sehen.

Du wirst dich nicht erinnern, Wältchen,
daß ich dir gestern oder heute oder morgen wei߬
gemacht, daß ich nicht aus andern Gründen,
sondern deinetwegen allein in deine Schweiß-,
Dachs- und Windhunds-Hütte eingezogen bin.
Folglich log ich nichts vor. Nur keine Lüge sage
der Mensch, dieser Spitzbube von Haus aus!

Vult der erſte iſt — in welchem Falle du aber ein
ausgemachter ausgebaͤlgter Spitzbube waͤreſt, der
ſein geſtriges Wort braͤche, nie in meine Papiere
zu blicken — ja ich ſetz' es abſichtlich zur Strafe
der Leſung fuͤr dich her, was ich jetzt behaupten
werde, daß ich naͤmlich dich aͤchter zu lieben
fuͤrchte als du mich liebſt. Waͤre dieß gewiß: ſo
ging' es ſchlimm. Sehr zu beſorgen iſt, mein'
ich, daß du — ob du gleich ſonſt wahrlich ſo
unſchuldig biſt wie ein Vieh — nur poetiſch lie¬
ben kannſt, und nicht irgend einen Hans oder
Kunz, ſondern bei der groͤßten Kaͤlte gegen die
beſten Haͤnſe und Kuͤnze, z. B. gegen Klothar,
in ihnen nur ſchlecht abgeſchmierte Heiligenbilder
deiner innern Lebens- und Seelenbilder knieend
verehrſt. Ich will aber erſt ſehen.

Du wirſt dich nicht erinnern, Waͤltchen,
daß ich dir geſtern oder heute oder morgen wei߬
gemacht, daß ich nicht aus andern Gruͤnden,
ſondern deinetwegen allein in deine Schweiß-,
Dachs- und Windhunds-Huͤtte eingezogen bin.
Folglich log ich nichts vor. Nur keine Luͤge ſage
der Menſch, dieſer Spitzbube von Haus aus!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0137" n="131"/>
Vult der er&#x017F;te i&#x017F;t &#x2014; in welchem Falle du aber ein<lb/>
ausgemachter ausgeba&#x0364;lgter Spitzbube wa&#x0364;re&#x017F;t, der<lb/>
&#x017F;ein ge&#x017F;triges Wort bra&#x0364;che, nie in meine Papiere<lb/>
zu blicken &#x2014; ja ich &#x017F;etz' es ab&#x017F;ichtlich zur Strafe<lb/>
der Le&#x017F;ung fu&#x0364;r dich her, was ich jetzt behaupten<lb/>
werde, daß ich na&#x0364;mlich dich a&#x0364;chter zu lieben<lb/>
fu&#x0364;rchte als du mich lieb&#x017F;t. Wa&#x0364;re dieß gewiß: &#x017F;o<lb/>
ging' es &#x017F;chlimm. Sehr zu be&#x017F;orgen i&#x017F;t, mein'<lb/>
ich, daß du &#x2014; ob du gleich &#x017F;on&#x017F;t wahrlich &#x017F;o<lb/>
un&#x017F;chuldig bi&#x017F;t wie ein Vieh &#x2014; nur poeti&#x017F;ch lie¬<lb/>
ben kann&#x017F;t, und nicht irgend einen Hans oder<lb/>
Kunz, &#x017F;ondern bei der gro&#x0364;ßten Ka&#x0364;lte gegen die<lb/>
be&#x017F;ten Ha&#x0364;n&#x017F;e und Ku&#x0364;nze, z. B. gegen Klothar,<lb/>
in ihnen nur &#x017F;chlecht abge&#x017F;chmierte Heiligenbilder<lb/>
deiner innern Lebens- und Seelenbilder knieend<lb/>
verehr&#x017F;t. Ich will aber er&#x017F;t &#x017F;ehen.</p><lb/>
        <p>Du wir&#x017F;t dich nicht erinnern, Wa&#x0364;ltchen,<lb/>
daß ich dir ge&#x017F;tern oder heute oder morgen wei߬<lb/>
gemacht, daß ich nicht aus andern Gru&#x0364;nden,<lb/>
&#x017F;ondern deinetwegen allein in deine Schweiß-,<lb/>
Dachs- und Windhunds-Hu&#x0364;tte eingezogen bin.<lb/>
Folglich log ich nichts vor. Nur keine Lu&#x0364;ge &#x017F;age<lb/>
der Men&#x017F;ch, die&#x017F;er Spitzbube von Haus aus!<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[131/0137] Vult der erſte iſt — in welchem Falle du aber ein ausgemachter ausgebaͤlgter Spitzbube waͤreſt, der ſein geſtriges Wort braͤche, nie in meine Papiere zu blicken — ja ich ſetz' es abſichtlich zur Strafe der Leſung fuͤr dich her, was ich jetzt behaupten werde, daß ich naͤmlich dich aͤchter zu lieben fuͤrchte als du mich liebſt. Waͤre dieß gewiß: ſo ging' es ſchlimm. Sehr zu beſorgen iſt, mein' ich, daß du — ob du gleich ſonſt wahrlich ſo unſchuldig biſt wie ein Vieh — nur poetiſch lie¬ ben kannſt, und nicht irgend einen Hans oder Kunz, ſondern bei der groͤßten Kaͤlte gegen die beſten Haͤnſe und Kuͤnze, z. B. gegen Klothar, in ihnen nur ſchlecht abgeſchmierte Heiligenbilder deiner innern Lebens- und Seelenbilder knieend verehrſt. Ich will aber erſt ſehen. Du wirſt dich nicht erinnern, Waͤltchen, daß ich dir geſtern oder heute oder morgen wei߬ gemacht, daß ich nicht aus andern Gruͤnden, ſondern deinetwegen allein in deine Schweiß-, Dachs- und Windhunds-Huͤtte eingezogen bin. Folglich log ich nichts vor. Nur keine Luͤge ſage der Menſch, dieſer Spitzbube von Haus aus!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/137
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/137>, abgerufen am 23.11.2024.