Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

Bild:
<< vorherige Seite

zioren besonders -- denn von Schäfer-, d. h.
Bauerhütten, haben sie im französisch eingebun¬
denen Geßner eine gute Modell-Kammer -- als
sich die tiefern hinauf. "Göttlich ist da der Früh¬
ling, antwortete er, und der Herbst. Jener voll
Nachtigallen, dieser voll weichen Duft; nur ge¬
hen der Gegend Berge ab, welche nach meinem
Gefühl durchaus eine Landschaft beschließen müs¬
sen, doch nicht unterbrechen; denn auf einem
Berge selber ist nicht die Landschaft, sondern wie¬
der ein fernster Berg schön und groß. -- Die
Leipziger Gegend enget also ein, weil die Gränze,
oder vielmehr die Gränzlosigkeit, nichts der Phan¬
tasie übrig lässet, was, so viel ich gehört, nicht
einmal das Meer thut, das sich am Horizont in
den Aether-Himmel auflöset." -- "Sonderbar,
versetzte Wina, bestimmt hier die Gewohnheit des
äußern Auges die Kraft des innern. Ich hatte
eine niedersächsische Freundin, welche zum ersten¬
male von unsern Bergen eben so beschränkt wur¬
de, als wir von ihren Ebenen." Der Notarius
war über ihre philosophische Sprachkürze -- da
überhaupt der Mann an der Frau gerade so sehr

zioren beſonders — denn von Schaͤfer-, d. h.
Bauerhuͤtten, haben ſie im franzoͤſiſch eingebun¬
denen Geßner eine gute Modell-Kammer — als
ſich die tiefern hinauf. „Goͤttlich iſt da der Fruͤh¬
ling, antwortete er, und der Herbſt. Jener voll
Nachtigallen, dieſer voll weichen Duft; nur ge¬
hen der Gegend Berge ab, welche nach meinem
Gefuͤhl durchaus eine Landſchaft beſchließen muͤſ¬
ſen, doch nicht unterbrechen; denn auf einem
Berge ſelber iſt nicht die Landſchaft, ſondern wie¬
der ein fernſter Berg ſchoͤn und groß. — Die
Leipziger Gegend enget alſo ein, weil die Graͤnze,
oder vielmehr die Graͤnzloſigkeit, nichts der Phan¬
taſie uͤbrig laͤſſet, was, ſo viel ich gehoͤrt, nicht
einmal das Meer thut, das ſich am Horizont in
den Aether-Himmel aufloͤſet.” — „Sonderbar,
verſetzte Wina, beſtimmt hier die Gewohnheit des
aͤußern Auges die Kraft des innern. Ich hatte
eine niederſaͤchſiſche Freundin, welche zum erſten¬
male von unſern Bergen eben ſo beſchraͤnkt wur¬
de, als wir von ihren Ebenen.” Der Notarius
war uͤber ihre philoſophiſche Sprachkuͤrze — da
uͤberhaupt der Mann an der Frau gerade ſo ſehr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0213" n="207"/>
zioren be&#x017F;onders &#x2014; denn von Scha&#x0364;fer-, d. h.<lb/>
Bauerhu&#x0364;tten, haben &#x017F;ie im franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;ch eingebun¬<lb/>
denen Geßner eine gute Modell-Kammer &#x2014; als<lb/>
&#x017F;ich die tiefern hinauf. &#x201E;Go&#x0364;ttlich i&#x017F;t da der Fru&#x0364;<lb/>
ling, antwortete er, und der Herb&#x017F;t. Jener voll<lb/>
Nachtigallen, die&#x017F;er voll weichen Duft; nur ge¬<lb/>
hen der Gegend Berge ab, welche nach meinem<lb/>
Gefu&#x0364;hl durchaus eine Land&#x017F;chaft be&#x017F;chließen mu&#x0364;&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en, doch nicht unterbrechen; denn auf einem<lb/>
Berge &#x017F;elber i&#x017F;t nicht die Land&#x017F;chaft, &#x017F;ondern wie¬<lb/>
der ein fern&#x017F;ter Berg &#x017F;cho&#x0364;n und groß. &#x2014; Die<lb/>
Leipziger Gegend enget al&#x017F;o ein, weil die Gra&#x0364;nze,<lb/>
oder vielmehr die Gra&#x0364;nzlo&#x017F;igkeit, nichts der Phan¬<lb/>
ta&#x017F;ie u&#x0364;brig la&#x0364;&#x017F;&#x017F;et, was, &#x017F;o viel ich geho&#x0364;rt, nicht<lb/>
einmal das Meer thut, das &#x017F;ich am Horizont in<lb/>
den Aether-Himmel auflo&#x0364;&#x017F;et.&#x201D; &#x2014; &#x201E;Sonderbar,<lb/>
ver&#x017F;etzte Wina, be&#x017F;timmt hier die Gewohnheit des<lb/>
a&#x0364;ußern Auges die Kraft des innern. Ich hatte<lb/>
eine nieder&#x017F;a&#x0364;ch&#x017F;i&#x017F;che Freundin, welche zum er&#x017F;ten¬<lb/>
male von un&#x017F;ern Bergen eben &#x017F;o be&#x017F;chra&#x0364;nkt wur¬<lb/>
de, als wir von ihren Ebenen.&#x201D; Der Notarius<lb/>
war u&#x0364;ber ihre philo&#x017F;ophi&#x017F;che Sprachku&#x0364;rze &#x2014; da<lb/>
u&#x0364;berhaupt der Mann an der Frau gerade &#x017F;o &#x017F;ehr<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[207/0213] zioren beſonders — denn von Schaͤfer-, d. h. Bauerhuͤtten, haben ſie im franzoͤſiſch eingebun¬ denen Geßner eine gute Modell-Kammer — als ſich die tiefern hinauf. „Goͤttlich iſt da der Fruͤh¬ ling, antwortete er, und der Herbſt. Jener voll Nachtigallen, dieſer voll weichen Duft; nur ge¬ hen der Gegend Berge ab, welche nach meinem Gefuͤhl durchaus eine Landſchaft beſchließen muͤſ¬ ſen, doch nicht unterbrechen; denn auf einem Berge ſelber iſt nicht die Landſchaft, ſondern wie¬ der ein fernſter Berg ſchoͤn und groß. — Die Leipziger Gegend enget alſo ein, weil die Graͤnze, oder vielmehr die Graͤnzloſigkeit, nichts der Phan¬ taſie uͤbrig laͤſſet, was, ſo viel ich gehoͤrt, nicht einmal das Meer thut, das ſich am Horizont in den Aether-Himmel aufloͤſet.” — „Sonderbar, verſetzte Wina, beſtimmt hier die Gewohnheit des aͤußern Auges die Kraft des innern. Ich hatte eine niederſaͤchſiſche Freundin, welche zum erſten¬ male von unſern Bergen eben ſo beſchraͤnkt wur¬ de, als wir von ihren Ebenen.” Der Notarius war uͤber ihre philoſophiſche Sprachkuͤrze — da uͤberhaupt der Mann an der Frau gerade ſo ſehr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/213
Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/213>, abgerufen am 23.11.2024.