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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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cher, die Mutter oder die Tochter? -- In der
That recht brav retouchirt!" Das Gemälde stellte
Wina vor, wie sie zu einem ihr ähnlichen Töch¬
terchen, das nach einem Schmetterling fing, ihr
Gesicht herab an die kleine Wange beugt, sehr
mütterlich-gleichgültig, ob sie vom Kinde über
dem Schmetterling übersehen werde oder nicht.
Im Kunst-Feuer fragte der General auch den
Notar: "ist denn die Mutter nicht so ausneh¬
mend getroffen, meine Wina nämlich, daß man
die Aehnlichkeit sogar im Kinde wieder findet? --
Sprechen Sie als Dritter!" -- Walt verlegen
mit seiner Erröthung über den bloßen Gedanken,
das Kind sei Wina's, versetzte: "die Aehnlichkeit
ist wohl Gleichheit?" -- "Und zwar auf beiden
Seiten?" erwiederte Zablocki, ohne sehr den No¬
tar zu fassen, der nach den gewöhnlichen Vor¬
aussetzungen des Standes schon alles voraussetzen
sollte und zwar Folgendes: der General wollte
seiner losgetrennten Gattin ein Denkmahl seiner
Zärte zuwenden, einen Spiegel, der nur sie ab¬
bildete, nämlich ein festes Bild; hatt' aber leider
aus Kälte sie sonst nie sitzen lassen, außer zu¬

Flegeljahre IV. Bd. 14

cher, die Mutter oder die Tochter? — In der
That recht brav retouchirt!” Das Gemaͤlde ſtellte
Wina vor, wie ſie zu einem ihr aͤhnlichen Toͤch¬
terchen, das nach einem Schmetterling fing, ihr
Geſicht herab an die kleine Wange beugt, ſehr
muͤtterlich-gleichguͤltig, ob ſie vom Kinde uͤber
dem Schmetterling uͤberſehen werde oder nicht.
Im Kunſt-Feuer fragte der General auch den
Notar: „iſt denn die Mutter nicht ſo ausneh¬
mend getroffen, meine Wina naͤmlich, daß man
die Aehnlichkeit ſogar im Kinde wieder findet? —
Sprechen Sie als Dritter!“ — Walt verlegen
mit ſeiner Erroͤthung uͤber den bloßen Gedanken,
das Kind ſei Wina's, verſetzte: „die Aehnlichkeit
iſt wohl Gleichheit?“ — „Und zwar auf beiden
Seiten?“ erwiederte Zablocki, ohne ſehr den No¬
tar zu faſſen, der nach den gewoͤhnlichen Vor¬
ausſetzungen des Standes ſchon alles vorausſetzen
ſollte und zwar Folgendes: der General wollte
ſeiner losgetrennten Gattin ein Denkmahl ſeiner
Zaͤrte zuwenden, einen Spiegel, der nur ſie ab¬
bildete, naͤmlich ein feſtes Bild; hatt' aber leider
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Flegeljahre IV. Bd. 14
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[209/0215] cher, die Mutter oder die Tochter? — In der That recht brav retouchirt!” Das Gemaͤlde ſtellte Wina vor, wie ſie zu einem ihr aͤhnlichen Toͤch¬ terchen, das nach einem Schmetterling fing, ihr Geſicht herab an die kleine Wange beugt, ſehr muͤtterlich-gleichguͤltig, ob ſie vom Kinde uͤber dem Schmetterling uͤberſehen werde oder nicht. Im Kunſt-Feuer fragte der General auch den Notar: „iſt denn die Mutter nicht ſo ausneh¬ mend getroffen, meine Wina naͤmlich, daß man die Aehnlichkeit ſogar im Kinde wieder findet? — Sprechen Sie als Dritter!“ — Walt verlegen mit ſeiner Erroͤthung uͤber den bloßen Gedanken, das Kind ſei Wina's, verſetzte: „die Aehnlichkeit iſt wohl Gleichheit?“ — „Und zwar auf beiden Seiten?“ erwiederte Zablocki, ohne ſehr den No¬ tar zu faſſen, der nach den gewoͤhnlichen Vor¬ ausſetzungen des Standes ſchon alles vorausſetzen ſollte und zwar Folgendes: der General wollte ſeiner losgetrennten Gattin ein Denkmahl ſeiner Zaͤrte zuwenden, einen Spiegel, der nur ſie ab¬ bildete, naͤmlich ein feſtes Bild; hatt' aber leider aus Kaͤlte ſie ſonſt nie ſitzen laſſen, außer zu¬ Flegeljahre IV. Bd. 14

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/215>, abgerufen am 23.11.2024.