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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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"Ein wahrer Schelm ist doch mein Walt
-- dacht' er im Bette -- würde ihn ein anderer
wohl im Hauptpunkte so durchschauen wie ich?
-- Kaum!"


Nro. 60. Scheerschwänzel.

Schlittschuh-Fahrt.

Der nächste Tag des Notars war aus 24
Morgenstunden gemacht; weil er über das Ge¬
burtstags-Lied für Wina nachsann. Der zweite
bestand aus eben so vielen Mittagsstunden, weil
er es ausführte. Es war, als müßt' er sich selber
verklären, um Wina's heiliges Herz auf seine
Zunge zu nehmen; als müßt' er in Liebe zerrin¬
nen, um ihre Liebe gegen die Freundin in seiner
Seele wie ein zweiter Regenbogen neben dem er¬
sten nachzuglänzen. Da die Liebe so gern im
fremden Herzen lebt: so wird sie noch zärter,
wenn sie in diesem wieder für ein drittes zu leben
hat, wie das zweite Echo leise über die Milde des
ersten siegt. -- Dieß alles aber war nur leichtes
Säen im Frühling, wo lauter neue Sänger am
Himmel flogen; aber am zweiten Tage fiel die

heiße

„Ein wahrer Schelm iſt doch mein Walt
— dacht' er im Bette — wuͤrde ihn ein anderer
wohl im Hauptpunkte ſo durchſchauen wie ich?
— Kaum!“


Nro. 60. Scheerſchwaͤnzel.

Schlittſchuh-Fahrt.

Der naͤchſte Tag des Notars war aus 24
Morgenſtunden gemacht; weil er uͤber das Ge¬
burtstags-Lied fuͤr Wina nachſann. Der zweite
beſtand aus eben ſo vielen Mittagsſtunden, weil
er es ausfuͤhrte. Es war, als muͤßt' er ſich ſelber
verklaͤren, um Wina's heiliges Herz auf ſeine
Zunge zu nehmen; als muͤßt' er in Liebe zerrin¬
nen, um ihre Liebe gegen die Freundin in ſeiner
Seele wie ein zweiter Regenbogen neben dem er¬
ſten nachzuglaͤnzen. Da die Liebe ſo gern im
fremden Herzen lebt: ſo wird ſie noch zaͤrter,
wenn ſie in dieſem wieder fuͤr ein drittes zu leben
hat, wie das zweite Echo leiſe uͤber die Milde des
erſten ſiegt. — Dieß alles aber war nur leichtes
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Himmel flogen; aber am zweiten Tage fiel die

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[224/0230] „Ein wahrer Schelm iſt doch mein Walt — dacht' er im Bette — wuͤrde ihn ein anderer wohl im Hauptpunkte ſo durchſchauen wie ich? — Kaum!“ Nro. 60. Scheerſchwaͤnzel. Schlittſchuh-Fahrt. Der naͤchſte Tag des Notars war aus 24 Morgenſtunden gemacht; weil er uͤber das Ge¬ burtstags-Lied fuͤr Wina nachſann. Der zweite beſtand aus eben ſo vielen Mittagsſtunden, weil er es ausfuͤhrte. Es war, als muͤßt' er ſich ſelber verklaͤren, um Wina's heiliges Herz auf ſeine Zunge zu nehmen; als muͤßt' er in Liebe zerrin¬ nen, um ihre Liebe gegen die Freundin in ſeiner Seele wie ein zweiter Regenbogen neben dem er¬ ſten nachzuglaͤnzen. Da die Liebe ſo gern im fremden Herzen lebt: ſo wird ſie noch zaͤrter, wenn ſie in dieſem wieder fuͤr ein drittes zu leben hat, wie das zweite Echo leiſe uͤber die Milde des erſten ſiegt. — Dieß alles aber war nur leichtes Saͤen im Fruͤhling, wo lauter neue Saͤnger am Himmel flogen; aber am zweiten Tage fiel die heiße

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/230>, abgerufen am 23.11.2024.