selber Erfüllungen und Freuden, und geben Trost, und brauchen keinen, so wie die Sonnenwolken eben das Leuchten der Sonne erzeugen, und die Erdenwolken vertreiben.
Nur auf Walt, dessen dichterische Nachtigallen in seinem warmen Duft-Eden betäubend schlugen, machten die göttlichen Sterne, und ein glücklicher Bruder zu starken Eindruck; er dürfe, schwur er vor sich, dem aufgeschloßnen Freunde gerade die heiligste Herzens-Stätte, wo Wina's Denkmahl in Gestalt einer einzigen Himmelsblume stand, nicht länger verdecken und umlauben. Daher schickte er ohne weiteres Hand-Drucke und Au¬ gen-Blicke als Vorspiele der schamhaften Beichte seiner kühnsten Sehnsucht voraus, um ihn zu fra¬ gen und vorzubereiten; dann fing er an: "sollte der Mensch nicht so offen seyn als der Himmel über ihm, wenn dieser gerade alles Kleinliche ver¬ kleinert, und alles Große vergrößert?" -- "Mich vergrößert er wenig, versetzte Vult. Laß' uns aber im Schatten gehen; sonst muß ich alles vorbeigehend lesen, was da von Empfindungen an die Bäume genagelt ist. Denn so sehr mir
ſelber Erfuͤllungen und Freuden, und geben Troſt, und brauchen keinen, ſo wie die Sonnenwolken eben das Leuchten der Sonne erzeugen, und die Erdenwolken vertreiben.
Nur auf Walt, deſſen dichteriſche Nachtigallen in ſeinem warmen Duft-Eden betaͤubend ſchlugen, machten die goͤttlichen Sterne, und ein gluͤcklicher Bruder zu ſtarken Eindruck; er duͤrfe, ſchwur er vor ſich, dem aufgeſchloßnen Freunde gerade die heiligſte Herzens-Staͤtte, wo Wina's Denkmahl in Geſtalt einer einzigen Himmelsblume ſtand, nicht laͤnger verdecken und umlauben. Daher ſchickte er ohne weiteres Hand-Drucke und Au¬ gen-Blicke als Vorſpiele der ſchamhaften Beichte ſeiner kuͤhnſten Sehnſucht voraus, um ihn zu fra¬ gen und vorzubereiten; dann fing er an: „ſollte der Menſch nicht ſo offen ſeyn als der Himmel uͤber ihm, wenn dieſer gerade alles Kleinliche ver¬ kleinert, und alles Große vergroͤßert?” — „Mich vergroͤßert er wenig, verſetzte Vult. Laß' uns aber im Schatten gehen; ſonſt muß ich alles vorbeigehend leſen, was da von Empfindungen an die Baͤume genagelt iſt. Denn ſo ſehr mir
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ſelber Erfuͤllungen und Freuden, und geben Troſt,
und brauchen keinen, ſo wie die Sonnenwolken
eben das Leuchten der Sonne erzeugen, und die
Erdenwolken vertreiben.
Nur auf Walt, deſſen dichteriſche Nachtigallen
in ſeinem warmen Duft-Eden betaͤubend ſchlugen,
machten die goͤttlichen Sterne, und ein gluͤcklicher
Bruder zu ſtarken Eindruck; er duͤrfe, ſchwur er
vor ſich, dem aufgeſchloßnen Freunde gerade die
heiligſte Herzens-Staͤtte, wo Wina's Denkmahl
in Geſtalt einer einzigen Himmelsblume ſtand,
nicht laͤnger verdecken und umlauben. Daher
ſchickte er ohne weiteres Hand-Drucke und Au¬
gen-Blicke als Vorſpiele der ſchamhaften Beichte
ſeiner kuͤhnſten Sehnſucht voraus, um ihn zu fra¬
gen und vorzubereiten; dann fing er an: „ſollte
der Menſch nicht ſo offen ſeyn als der Himmel
uͤber ihm, wenn dieſer gerade alles Kleinliche ver¬
kleinert, und alles Große vergroͤßert?” — „Mich
vergroͤßert er wenig, verſetzte Vult. Laß' uns
aber im Schatten gehen; ſonſt muß ich alles
vorbeigehend leſen, was da von Empfindungen
an die Baͤume genagelt iſt. Denn ſo ſehr mir
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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/243>, abgerufen am 23.11.2024.
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