Leben und Liebe Schönes zu reichen haben, unter dem grösten Bedauern, daß ihr Flitte gerade verreiset seyn muste. "Möchtest du dich doch, gutes Mädchen, dacht' er, täglich für immer schöner halten, wär' es auch nicht ganz wahr! Und deine Mutter, deine Wina müsse auch so denken, um sich sehr an dir zu freuen!"
Auf einmal hört' er Engelberta, die ihm rieth, er möge, wenn er sich warm laufen wolle, lieber ins Haus hinauf. Da ihn nun diese Auf¬ merksamkeit eines Zeugen störte: so ging er ins nahe Rindenhaus, wo er nichts sah, als über sich das nächtliche Himmelsblau, mit dem her¬ einstralenden Monde, und nichts hörte und in sich hatte, als die süßen Worte der fernen zarten Lippen. Er sah hinter der Rinde die schimmern¬ de Wildniß des Himmels aufgethan und er jauch¬ zete, daß das neue Jahr in seiner mit Sternen besetzten Morgenkleidung so groß und voll Gabe vor ihn trat.
Nun kam Wina, die melodische Wekerin zum Wiegenfesttage, immer näher mit stärkeren Tö¬ nen, Vult hinter ihr, um die heißen Thränen
des
Leben und Liebe Schoͤnes zu reichen haben, unter dem groͤſten Bedauern, daß ihr Flitte gerade verreiſet ſeyn muſte. „Moͤchteſt du dich doch, gutes Maͤdchen, dacht' er, taͤglich fuͤr immer ſchoͤner halten, waͤr' es auch nicht ganz wahr! Und deine Mutter, deine Wina muͤſſe auch ſo denken, um ſich ſehr an dir zu freuen!“
Auf einmal hoͤrt' er Engelberta, die ihm rieth, er moͤge, wenn er ſich warm laufen wolle, lieber ins Haus hinauf. Da ihn nun dieſe Auf¬ merkſamkeit eines Zeugen ſtoͤrte: ſo ging er ins nahe Rindenhaus, wo er nichts ſah, als uͤber ſich das naͤchtliche Himmelsblau, mit dem her¬ einſtralenden Monde, und nichts hoͤrte und in ſich hatte, als die ſuͤßen Worte der fernen zarten Lippen. Er ſah hinter der Rinde die ſchimmern¬ de Wildniß des Himmels aufgethan und er jauch¬ zete, daß das neue Jahr in ſeiner mit Sternen beſetzten Morgenkleidung ſo groß und voll Gabe vor ihn trat.
Nun kam Wina, die melodiſche Wekerin zum Wiegenfeſttage, immer naͤher mit ſtaͤrkeren Toͤ¬ nen, Vult hinter ihr, um die heißen Thraͤnen
des
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0262"n="256"/>
Leben und Liebe Schoͤnes zu reichen haben, unter<lb/>
dem groͤſten Bedauern, daß ihr Flitte gerade<lb/>
verreiſet ſeyn muſte. „Moͤchteſt du dich doch,<lb/>
gutes Maͤdchen, dacht' er, taͤglich fuͤr immer<lb/>ſchoͤner halten, waͤr' es auch nicht ganz wahr!<lb/>
Und deine Mutter, deine Wina muͤſſe auch ſo<lb/>
denken, um ſich ſehr an dir zu freuen!“</p><lb/><p>Auf einmal hoͤrt' er Engelberta, die ihm<lb/>
rieth, er moͤge, wenn er ſich warm laufen wolle,<lb/>
lieber ins Haus hinauf. Da ihn nun dieſe Auf¬<lb/>
merkſamkeit eines Zeugen ſtoͤrte: ſo ging er ins<lb/>
nahe Rindenhaus, wo er nichts ſah, als uͤber<lb/>ſich das naͤchtliche Himmelsblau, mit dem her¬<lb/>
einſtralenden Monde, und nichts hoͤrte und in<lb/>ſich hatte, als die ſuͤßen Worte der fernen zarten<lb/>
Lippen. Er ſah hinter der Rinde die ſchimmern¬<lb/>
de Wildniß des Himmels aufgethan und er jauch¬<lb/>
zete, daß das neue Jahr in ſeiner mit Sternen<lb/>
beſetzten Morgenkleidung ſo groß und voll Gabe<lb/>
vor ihn trat.</p><lb/><p>Nun kam Wina, die melodiſche Wekerin zum<lb/>
Wiegenfeſttage, immer naͤher mit ſtaͤrkeren Toͤ¬<lb/>
nen, Vult hinter ihr, um die heißen Thraͤnen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">des<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[256/0262]
Leben und Liebe Schoͤnes zu reichen haben, unter
dem groͤſten Bedauern, daß ihr Flitte gerade
verreiſet ſeyn muſte. „Moͤchteſt du dich doch,
gutes Maͤdchen, dacht' er, taͤglich fuͤr immer
ſchoͤner halten, waͤr' es auch nicht ganz wahr!
Und deine Mutter, deine Wina muͤſſe auch ſo
denken, um ſich ſehr an dir zu freuen!“
Auf einmal hoͤrt' er Engelberta, die ihm
rieth, er moͤge, wenn er ſich warm laufen wolle,
lieber ins Haus hinauf. Da ihn nun dieſe Auf¬
merkſamkeit eines Zeugen ſtoͤrte: ſo ging er ins
nahe Rindenhaus, wo er nichts ſah, als uͤber
ſich das naͤchtliche Himmelsblau, mit dem her¬
einſtralenden Monde, und nichts hoͤrte und in
ſich hatte, als die ſuͤßen Worte der fernen zarten
Lippen. Er ſah hinter der Rinde die ſchimmern¬
de Wildniß des Himmels aufgethan und er jauch¬
zete, daß das neue Jahr in ſeiner mit Sternen
beſetzten Morgenkleidung ſo groß und voll Gabe
vor ihn trat.
Nun kam Wina, die melodiſche Wekerin zum
Wiegenfeſttage, immer naͤher mit ſtaͤrkeren Toͤ¬
nen, Vult hinter ihr, um die heißen Thraͤnen
des
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/262>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.