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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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halts: "ich bin die personifizirte Hofnung oder Spes,
die mit einem Blumenkranz auf dem Kopfe, und
einer Lilie in der rechten Hand abgebildet wird;
mit dem linken Arm stützt sie sich auf einen Anker
oder eine starke Säule. S. Damms Mythologie,
neue Auflage von Levezov §. 454." Walt, der
anfangs in jeder Sache mit den dümmsten Ge¬
danken geplagt war, wollte innerlich auf Wina
rathen, wäre die Gestalt nur feiner und weniger
groß gewesen. Die Hoffnung drehte sich schnell
um; eine verlarvte Schäferin kam, und eine ein¬
fache Nonne mit einer Halbmaske und einem
duftenden Aurikelstraus. Die Schäferin nahm seine
Hand, und schrieb ein h hinein; er drückte die ih¬
rige nach seiner Gewohnheit, und schüttelte den
Kopf, weil er glaubte, sie habe sich mit einem h
unterzeichnen wollen. Plötzlich sah er die Halb¬
maske, nämlich das Halbgesicht der Nonne recht
an, an der feinen aber kecken Linie der Rosenlip¬
pen, und am Kinn voll Entschiedenheit erkannte
er plötzlich Wina, welche blos aus dem Dunkel
mit sanften Augen-Sternen blickte. Er war mit
der Hand schon auf dem Wege nach der Berg¬

halts: „ich bin die perſonifizirte Hofnung oder Spes,
die mit einem Blumenkranz auf dem Kopfe, und
einer Lilie in der rechten Hand abgebildet wird;
mit dem linken Arm ſtuͤtzt ſie ſich auf einen Anker
oder eine ſtarke Saͤule. S. Damms Mythologie,
neue Auflage von Levezov §. 454.“ Walt, der
anfangs in jeder Sache mit den duͤmmſten Ge¬
danken geplagt war, wollte innerlich auf Wina
rathen, waͤre die Geſtalt nur feiner und weniger
groß geweſen. Die Hoffnung drehte ſich ſchnell
um; eine verlarvte Schaͤferin kam, und eine ein¬
fache Nonne mit einer Halbmaske und einem
duftenden Aurikelſtraus. Die Schaͤferin nahm ſeine
Hand, und ſchrieb ein h hinein; er druͤckte die ih¬
rige nach ſeiner Gewohnheit, und ſchuͤttelte den
Kopf, weil er glaubte, ſie habe ſich mit einem h
unterzeichnen wollen. Ploͤtzlich ſah er die Halb¬
maske, naͤmlich das Halbgeſicht der Nonne recht
an, an der feinen aber kecken Linie der Roſenlip¬
pen, und am Kinn voll Entſchiedenheit erkannte
er ploͤtzlich Wina, welche blos aus dem Dunkel
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[278/0284] halts: „ich bin die perſonifizirte Hofnung oder Spes, die mit einem Blumenkranz auf dem Kopfe, und einer Lilie in der rechten Hand abgebildet wird; mit dem linken Arm ſtuͤtzt ſie ſich auf einen Anker oder eine ſtarke Saͤule. S. Damms Mythologie, neue Auflage von Levezov §. 454.“ Walt, der anfangs in jeder Sache mit den duͤmmſten Ge¬ danken geplagt war, wollte innerlich auf Wina rathen, waͤre die Geſtalt nur feiner und weniger groß geweſen. Die Hoffnung drehte ſich ſchnell um; eine verlarvte Schaͤferin kam, und eine ein¬ fache Nonne mit einer Halbmaske und einem duftenden Aurikelſtraus. Die Schaͤferin nahm ſeine Hand, und ſchrieb ein h hinein; er druͤckte die ih¬ rige nach ſeiner Gewohnheit, und ſchuͤttelte den Kopf, weil er glaubte, ſie habe ſich mit einem h unterzeichnen wollen. Ploͤtzlich ſah er die Halb¬ maske, naͤmlich das Halbgeſicht der Nonne recht an, an der feinen aber kecken Linie der Roſenlip¬ pen, und am Kinn voll Entſchiedenheit erkannte er ploͤtzlich Wina, welche blos aus dem Dunkel mit ſanften Augen-Sternen blickte. Er war mit der Hand ſchon auf dem Wege nach der Berg¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/284>, abgerufen am 22.11.2024.