ging hinaus; Spes ins fünfte Kabinet; draußen winkte sie ihm aus einer Thüre hinein. Walt wollte den Bruder umarmen, aber dieser fuhr nach beiden Thürschlößern: "bedenke das Ge¬ schlecht unserer Masken," und schloß zu. Er warf seine Larve weg, und eine seltsame heiße Wüsten-Dürre oder trockne Fieberhitze brach durch seine Mienen und Worte. "Wenn du je Liebe für deinen Bruder getragen -- begann er mit trock¬ ner Stimme, und nahm den Kranz ab, und lö¬ sete das Weiberkleid auf -- wenn dir die Erfül¬ lung eines innigsten Wunsches desselben etwas gilt, dessen Wichtigkeit du 24 Stunden später er¬ fährst; -- und ist es dir unter deinen Freuden nicht gleichgültig, ob er die kleinsten oder größten haben soll, kurz wenn du eine seiner flehentlichsten Bitten erhören willst: so ziehe dich aus; dies ist die halbe; ziehe dich an, und sei die Hoffnung, ich der Fuhrmann; dies die ganze."
"Lieber Bruder, -- antwortete Walt erschrocken und ließ den im langen Erwarten geschöpften Athem los -- darauf kann ich dir, wie sich von selbst versteht, nur zur Antwort geben: mit Freuden."
ging hinaus; Spes ins fuͤnfte Kabinet; draußen winkte ſie ihm aus einer Thuͤre hinein. Walt wollte den Bruder umarmen, aber dieſer fuhr nach beiden Thuͤrſchloͤßern: „bedenke das Ge¬ ſchlecht unſerer Masken,“ und ſchloß zu. Er warf ſeine Larve weg, und eine ſeltſame heiße Wuͤſten-Duͤrre oder trockne Fieberhitze brach durch ſeine Mienen und Worte. „Wenn du je Liebe fuͤr deinen Bruder getragen — begann er mit trock¬ ner Stimme, und nahm den Kranz ab, und loͤ¬ ſete das Weiberkleid auf — wenn dir die Erfuͤl¬ lung eines innigſten Wunſches deſſelben etwas gilt, deſſen Wichtigkeit du 24 Stunden ſpaͤter er¬ faͤhrſt; — und iſt es dir unter deinen Freuden nicht gleichguͤltig, ob er die kleinſten oder groͤßten haben ſoll, kurz wenn du eine ſeiner flehentlichſten Bitten erhoͤren willſt: ſo ziehe dich aus; dies iſt die halbe; ziehe dich an, und ſei die Hoffnung, ich der Fuhrmann; dies die ganze.“
„Lieber Bruder, — antwortete Walt erſchrocken und ließ den im langen Erwarten geſchoͤpften Athem los — darauf kann ich dir, wie ſich von ſelbſt verſteht, nur zur Antwort geben: mit Freuden.“
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0290"n="284"/>
ging hinaus; <hirendition="#aq">Spes</hi> ins fuͤnfte Kabinet; draußen<lb/>
winkte ſie ihm aus einer Thuͤre hinein. Walt<lb/>
wollte den Bruder umarmen, aber dieſer fuhr<lb/>
nach beiden Thuͤrſchloͤßern: „bedenke das Ge¬<lb/>ſchlecht unſerer Masken,“ und ſchloß zu. Er<lb/>
warf ſeine Larve weg, und eine ſeltſame heiße<lb/>
Wuͤſten-Duͤrre oder trockne Fieberhitze brach durch<lb/>ſeine Mienen und Worte. „Wenn du je Liebe<lb/>
fuͤr deinen Bruder getragen — begann er mit trock¬<lb/>
ner Stimme, und nahm den Kranz ab, und loͤ¬<lb/>ſete das Weiberkleid auf — wenn dir die Erfuͤl¬<lb/>
lung eines innigſten Wunſches deſſelben etwas<lb/>
gilt, deſſen Wichtigkeit du 24 Stunden ſpaͤter er¬<lb/>
faͤhrſt; — und iſt es dir unter deinen Freuden<lb/>
nicht gleichguͤltig, ob er die kleinſten oder groͤßten<lb/>
haben ſoll, kurz wenn du eine ſeiner flehentlichſten<lb/>
Bitten erhoͤren willſt: ſo ziehe dich aus; dies iſt<lb/>
die halbe; ziehe dich an, und ſei die Hoffnung,<lb/>
ich der Fuhrmann; dies die ganze.“</p><lb/><p>„Lieber Bruder, — antwortete Walt erſchrocken<lb/>
und ließ den im langen Erwarten geſchoͤpften<lb/>
Athem los — darauf kann ich dir, wie ſich von<lb/>ſelbſt verſteht, nur zur Antwort geben: mit Freuden.“</p><lb/></div></body></text></TEI>
[284/0290]
ging hinaus; Spes ins fuͤnfte Kabinet; draußen
winkte ſie ihm aus einer Thuͤre hinein. Walt
wollte den Bruder umarmen, aber dieſer fuhr
nach beiden Thuͤrſchloͤßern: „bedenke das Ge¬
ſchlecht unſerer Masken,“ und ſchloß zu. Er
warf ſeine Larve weg, und eine ſeltſame heiße
Wuͤſten-Duͤrre oder trockne Fieberhitze brach durch
ſeine Mienen und Worte. „Wenn du je Liebe
fuͤr deinen Bruder getragen — begann er mit trock¬
ner Stimme, und nahm den Kranz ab, und loͤ¬
ſete das Weiberkleid auf — wenn dir die Erfuͤl¬
lung eines innigſten Wunſches deſſelben etwas
gilt, deſſen Wichtigkeit du 24 Stunden ſpaͤter er¬
faͤhrſt; — und iſt es dir unter deinen Freuden
nicht gleichguͤltig, ob er die kleinſten oder groͤßten
haben ſoll, kurz wenn du eine ſeiner flehentlichſten
Bitten erhoͤren willſt: ſo ziehe dich aus; dies iſt
die halbe; ziehe dich an, und ſei die Hoffnung,
ich der Fuhrmann; dies die ganze.“
„Lieber Bruder, — antwortete Walt erſchrocken
und ließ den im langen Erwarten geſchoͤpften
Athem los — darauf kann ich dir, wie ſich von
ſelbſt verſteht, nur zur Antwort geben: mit Freuden.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/290>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.