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Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805.

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"Brautherz der Sitzerin, Fuchs, und brauchst
"den Pinsel-Bräutigam nur zum Lockvogel, du
"Raub- und Spaßvogel! doch du wirst roth.
"Was Raphaelens Thränen anlangt -- glaube
"mir, die Weiber haben größere
"Schmerzen als die, worüber sie wei¬
"nen!"

"Gott, wie desto trauriger!" rief Walt.
"Weiber und Müller, sagte Vult, halten ver¬
"steckte Windlöcher, damit Mehl für sie verstäu¬
"be, wenn der andere mahlt." --

"Meinetwegen! sagte Walt. Ich gab einem
"Frauenzimmer mein Wort. Ich bürge. Gott
"dank' ich nur, daß er mir eine Gelegenheit be¬
"scherte, das Vertrauen zu zeigen, das man zu
"den Menschen haben soll, will man nicht das
"eigne verlieren. Soll es aber seyn -- lass' mich
"reden in dieser Stunde -- daß kein Gefühl mehr
"wahrsagt, soll der Glaube und die Liebe bluten
"und verbluten: o so freu ich mich, daß ich die
"Wunde nur empfange, aber nicht schlage. Ich
"bürge entschieden. Vater-Zorn -- aber kennt
"er in seiner Dorf-Welt meine höhern Verhält¬

„Brautherz der Sitzerin, Fuchs, und brauchſt
„den Pinſel-Braͤutigam nur zum Lockvogel, du
„Raub- und Spaßvogel! doch du wirſt roth.
„Was Raphaelens Thraͤnen anlangt — glaube
„mir, die Weiber haben groͤßere
Schmerzen als die, woruͤber ſie wei¬
nen!”

„Gott, wie deſto trauriger!” rief Walt.
„Weiber und Muͤller, ſagte Vult, halten ver¬
„ſteckte Windloͤcher, damit Mehl fuͤr ſie verſtaͤu¬
„be, wenn der andere mahlt.” —

„Meinetwegen! ſagte Walt. Ich gab einem
„Frauenzimmer mein Wort. Ich buͤrge. Gott
„dank' ich nur, daß er mir eine Gelegenheit be¬
„ſcherte, das Vertrauen zu zeigen, das man zu
„den Menſchen haben ſoll, will man nicht das
„eigne verlieren. Soll es aber ſeyn — laſſ' mich
„reden in dieſer Stunde — daß kein Gefuͤhl mehr
„wahrſagt, ſoll der Glaube und die Liebe bluten
„und verbluten: o ſo freu ich mich, daß ich die
„Wunde nur empfange, aber nicht ſchlage. Ich
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[88/0094] „Brautherz der Sitzerin, Fuchs, und brauchſt „den Pinſel-Braͤutigam nur zum Lockvogel, du „Raub- und Spaßvogel! doch du wirſt roth. „Was Raphaelens Thraͤnen anlangt — glaube „mir, die Weiber haben groͤßere „Schmerzen als die, woruͤber ſie wei¬ „nen!” „Gott, wie deſto trauriger!” rief Walt. „Weiber und Muͤller, ſagte Vult, halten ver¬ „ſteckte Windloͤcher, damit Mehl fuͤr ſie verſtaͤu¬ „be, wenn der andere mahlt.” — „Meinetwegen! ſagte Walt. Ich gab einem „Frauenzimmer mein Wort. Ich buͤrge. Gott „dank' ich nur, daß er mir eine Gelegenheit be¬ „ſcherte, das Vertrauen zu zeigen, das man zu „den Menſchen haben ſoll, will man nicht das „eigne verlieren. Soll es aber ſeyn — laſſ' mich „reden in dieſer Stunde — daß kein Gefuͤhl mehr „wahrſagt, ſoll der Glaube und die Liebe bluten „und verbluten: o ſo freu ich mich, daß ich die „Wunde nur empfange, aber nicht ſchlage. Ich „buͤrge entſchieden. Vater-Zorn — aber kennt „er in ſeiner Dorf-Welt meine hoͤhern Verhaͤlt¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Flegeljahre. Bd. 4. Tübingen, 1805, S. 88. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_flegeljahre04_1805/94>, abgerufen am 24.11.2024.