Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.Dahore in England, ach den er schon lange aus Aus Klotildens Angesicht brach eine große Verklä¬ Dahore in England, ach den er ſchon lange aus Aus Klotildens Angeſicht brach eine große Verklaͤ¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0106" n="95"/><hi rendition="#g">Dahore</hi> in England, ach den er ſchon lange aus<lb/> ſeinen Augen, aber nie aus ſeinen Traͤumen verloh¬<lb/> ren. Der Schatte dieſes groſſen Menſchen ſtand<lb/> gleichſam an die Nacht geworfen, flatternd und auf¬<lb/> gerichtet vor ihm und ſagte: »Ach Lieber, ich ſehe<lb/> »Dein inneres Weinen, Dein frommes Sehnen,<lb/> »Dein oͤdes Herz und Deine ausgebreiteten beben¬<lb/> »den Arme; aber alles iſt umſonſt: Du findeſt mich<lb/> »nicht und ich Dich nicht.» Er ſchauete an die<lb/> Sterne, deren erhebende Kenntniß ſein Lehrer ſchon<lb/> damals in ſeine junge Seele angeleget hatte: er ſag¬<lb/> te zu Klotilden: die Topographie des Himmels ſoll¬<lb/> te ein Stuͤck unſerer Religion ſeyn; eine Frau ſollte<lb/> den Katechismus und den Fontenelle auswendig ler¬<lb/> nen.» Er beſchrieb hier die aſtronomiſchen Stunden<lb/> ſeines Dahore und dieſen ſelber. —</p><lb/> <p>Aus Klotildens Angeſicht brach eine große Verklaͤ¬<lb/> rung, und ſie zeichnete mit Worten und Mienen ih¬<lb/> ren eignen aſtronomiſchen Lehrer im Stifte ab —<lb/> daß er eben ſo edel ſey und eben ſo ſtill — daß ſei¬<lb/> ne Geſtalt ſo gut beſſer mache wie ſeine Lehre —<lb/> daß er ſich <hi rendition="#g">Emanuel</hi> nenne und keinen Geſchlechts¬<lb/> namen fuͤhre, weil er ſage: »am verfliegenden Men¬<lb/> »ſchen an ſeinem ſo eilig verſinkenden Stammbaum<lb/> »ſey zwiſchen dem Geſchlechtsnamen und Taufnamen<lb/> »der Unterſchied ſo klein.» — Daß leider ſeine ver¬<lb/> edelte Seele in einem zerknickten Koͤrper lebe, der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [95/0106]
Dahore in England, ach den er ſchon lange aus
ſeinen Augen, aber nie aus ſeinen Traͤumen verloh¬
ren. Der Schatte dieſes groſſen Menſchen ſtand
gleichſam an die Nacht geworfen, flatternd und auf¬
gerichtet vor ihm und ſagte: »Ach Lieber, ich ſehe
»Dein inneres Weinen, Dein frommes Sehnen,
»Dein oͤdes Herz und Deine ausgebreiteten beben¬
»den Arme; aber alles iſt umſonſt: Du findeſt mich
»nicht und ich Dich nicht.» Er ſchauete an die
Sterne, deren erhebende Kenntniß ſein Lehrer ſchon
damals in ſeine junge Seele angeleget hatte: er ſag¬
te zu Klotilden: die Topographie des Himmels ſoll¬
te ein Stuͤck unſerer Religion ſeyn; eine Frau ſollte
den Katechismus und den Fontenelle auswendig ler¬
nen.» Er beſchrieb hier die aſtronomiſchen Stunden
ſeines Dahore und dieſen ſelber. —
Aus Klotildens Angeſicht brach eine große Verklaͤ¬
rung, und ſie zeichnete mit Worten und Mienen ih¬
ren eignen aſtronomiſchen Lehrer im Stifte ab —
daß er eben ſo edel ſey und eben ſo ſtill — daß ſei¬
ne Geſtalt ſo gut beſſer mache wie ſeine Lehre —
daß er ſich Emanuel nenne und keinen Geſchlechts¬
namen fuͤhre, weil er ſage: »am verfliegenden Men¬
»ſchen an ſeinem ſo eilig verſinkenden Stammbaum
»ſey zwiſchen dem Geſchlechtsnamen und Taufnamen
»der Unterſchied ſo klein.» — Daß leider ſeine ver¬
edelte Seele in einem zerknickten Koͤrper lebe, der
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Zitationshilfe: | Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/106>, abgerufen am 28.07.2024. |