Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

blök zu einem einzigen betäubenden Brausen zusam¬
menfliessen -- und mit den Buden-Ammeublements,
die ein musivisches Bild des kleinen aus Bedürfnis¬
sen zusammengeflickten Lebens reichen -- -- ein
Jahrmarkt machte durch alle diese Erinnerungen an
die große frostige Neujahrsmesse des Lebens
Viktors edeln Busen schwer und voll; er versank
süß-betäubt in das Getöse, und die Menschen-Rei¬
hen um ihn schlossen mit einem Dockengeländer von
Leibern seine Seele in ihre stilleren Phantasien ein.
Das war die Ursache, warum ihn Göthe's hogar¬
thisches Schwanzstück eines Jahrmarkts (so wie
Shakespear) immer melancholisch zurückließ; so wie
er überhaupt gerade im Niedrigkomischen das hohe
Ernsthafte am liebsten fand -- Weiber sind nur zum
umgekehrten Funde fähig -- und ein komisches Buch
ohne jeden edlern Zug und Wink (z. B. Blumauers
Aeneis) konnt' er so wenig wie La Mettrie's eckel¬
haft-lachendes Gesicht ertragen oder die Gesichter
auf den Titelkupfern des Vademekums. -- --

Er vergaß sich und die Nachbarschaft wie ein
wahrer Jüngling, breitete die Arme halb aus und
sagte mit einem Auge, in dem man die sehnend an
einem Bilde Emanuels arbeitende Seele sah: "nun
kenn' ich Dich, Du Namenloser, Du bist "der
hohe Mensch der so selten ist. -- -- -- Ich
"versichere Sie, Hr. v. Schleunes, an Hrn. Ema¬

bloͤk zu einem einzigen betaͤubenden Brauſen zuſam¬
menflieſſen — und mit den Buden-Ammeublements,
die ein muſiviſches Bild des kleinen aus Beduͤrfniſ¬
ſen zuſammengeflickten Lebens reichen — — ein
Jahrmarkt machte durch alle dieſe Erinnerungen an
die große froſtige Neujahrsmeſſe des Lebens
Viktors edeln Buſen ſchwer und voll; er verſank
ſuͤß-betaͤubt in das Getoͤſe, und die Menſchen-Rei¬
hen um ihn ſchloſſen mit einem Dockengelaͤnder von
Leibern ſeine Seele in ihre ſtilleren Phantaſien ein.
Das war die Urſache, warum ihn Goͤthe's hogar¬
thiſches Schwanzſtuͤck eines Jahrmarkts (ſo wie
Shakeſpear) immer melancholiſch zuruͤckließ; ſo wie
er uͤberhaupt gerade im Niedrigkomiſchen das hohe
Ernſthafte am liebſten fand — Weiber ſind nur zum
umgekehrten Funde faͤhig — und ein komiſches Buch
ohne jeden edlern Zug und Wink (z. B. Blumauers
Aeneis) konnt' er ſo wenig wie La Mettrie's eckel¬
haft-lachendes Geſicht ertragen oder die Geſichter
auf den Titelkupfern des Vademekums. — —

Er vergaß ſich und die Nachbarſchaft wie ein
wahrer Juͤngling, breitete die Arme halb aus und
ſagte mit einem Auge, in dem man die ſehnend an
einem Bilde Emanuels arbeitende Seele ſah: »nun
kenn' ich Dich, Du Namenloſer, Du biſt »der
hohe Menſch der ſo ſelten iſt. — — — Ich
»verſichere Sie, Hr. v. Schleunes, an Hrn. Ema¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0109" n="98"/>
blo&#x0364;k zu einem einzigen beta&#x0364;ubenden Brau&#x017F;en zu&#x017F;am¬<lb/>
menflie&#x017F;&#x017F;en &#x2014; und mit den Buden-Ammeublements,<lb/>
die ein mu&#x017F;ivi&#x017F;ches Bild des kleinen aus Bedu&#x0364;rfni&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en zu&#x017F;ammengeflickten Lebens reichen &#x2014; &#x2014; ein<lb/>
Jahrmarkt machte durch alle die&#x017F;e Erinnerungen an<lb/>
die große fro&#x017F;tige <hi rendition="#g">Neujahrsme&#x017F;&#x017F;e</hi> des Lebens<lb/>
Viktors edeln Bu&#x017F;en &#x017F;chwer und voll; er ver&#x017F;ank<lb/>
&#x017F;u&#x0364;ß-beta&#x0364;ubt in das Geto&#x0364;&#x017F;e, und die Men&#x017F;chen-Rei¬<lb/>
hen um ihn &#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en mit einem Dockengela&#x0364;nder von<lb/>
Leibern &#x017F;eine Seele in ihre &#x017F;tilleren Phanta&#x017F;ien ein.<lb/>
Das war die Ur&#x017F;ache, warum ihn Go&#x0364;the's hogar¬<lb/>
thi&#x017F;ches <hi rendition="#g">Schwanz&#x017F;tu&#x0364;ck</hi> eines Jahrmarkts (&#x017F;o wie<lb/>
Shake&#x017F;pear) immer melancholi&#x017F;ch zuru&#x0364;ckließ; &#x017F;o wie<lb/>
er u&#x0364;berhaupt gerade im Niedrigkomi&#x017F;chen das hohe<lb/>
Ern&#x017F;thafte am lieb&#x017F;ten fand &#x2014; Weiber &#x017F;ind nur zum<lb/>
umgekehrten Funde fa&#x0364;hig &#x2014; und ein komi&#x017F;ches Buch<lb/>
ohne jeden edlern Zug und Wink (z. B. Blumauers<lb/>
Aeneis) konnt' er &#x017F;o wenig wie La Mettrie's eckel¬<lb/>
haft-lachendes Ge&#x017F;icht ertragen oder die Ge&#x017F;ichter<lb/>
auf den Titelkupfern des Vademekums. &#x2014; &#x2014;</p><lb/>
        <p>Er vergaß &#x017F;ich und die Nachbar&#x017F;chaft wie ein<lb/>
wahrer Ju&#x0364;ngling, breitete die Arme halb aus und<lb/>
&#x017F;agte mit einem Auge, in dem man die &#x017F;ehnend an<lb/>
einem Bilde Emanuels arbeitende Seele &#x017F;ah: »nun<lb/>
kenn' ich Dich, Du Namenlo&#x017F;er, Du bi&#x017F;t »der<lb/>
hohe Men&#x017F;ch der &#x017F;o &#x017F;elten i&#x017F;t. &#x2014; &#x2014; &#x2014; Ich<lb/>
»ver&#x017F;ichere Sie, Hr. v. Schleunes, an Hrn. Ema¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[98/0109] bloͤk zu einem einzigen betaͤubenden Brauſen zuſam¬ menflieſſen — und mit den Buden-Ammeublements, die ein muſiviſches Bild des kleinen aus Beduͤrfniſ¬ ſen zuſammengeflickten Lebens reichen — — ein Jahrmarkt machte durch alle dieſe Erinnerungen an die große froſtige Neujahrsmeſſe des Lebens Viktors edeln Buſen ſchwer und voll; er verſank ſuͤß-betaͤubt in das Getoͤſe, und die Menſchen-Rei¬ hen um ihn ſchloſſen mit einem Dockengelaͤnder von Leibern ſeine Seele in ihre ſtilleren Phantaſien ein. Das war die Urſache, warum ihn Goͤthe's hogar¬ thiſches Schwanzſtuͤck eines Jahrmarkts (ſo wie Shakeſpear) immer melancholiſch zuruͤckließ; ſo wie er uͤberhaupt gerade im Niedrigkomiſchen das hohe Ernſthafte am liebſten fand — Weiber ſind nur zum umgekehrten Funde faͤhig — und ein komiſches Buch ohne jeden edlern Zug und Wink (z. B. Blumauers Aeneis) konnt' er ſo wenig wie La Mettrie's eckel¬ haft-lachendes Geſicht ertragen oder die Geſichter auf den Titelkupfern des Vademekums. — — Er vergaß ſich und die Nachbarſchaft wie ein wahrer Juͤngling, breitete die Arme halb aus und ſagte mit einem Auge, in dem man die ſehnend an einem Bilde Emanuels arbeitende Seele ſah: »nun kenn' ich Dich, Du Namenloſer, Du biſt »der hohe Menſch der ſo ſelten iſt. — — — Ich »verſichere Sie, Hr. v. Schleunes, an Hrn. Ema¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/109
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/109>, abgerufen am 20.05.2024.