schlecht wie der Mond zurückzuwandeln scheint, weil er den Zug der Wolke, die darunter hin¬ fliegt, für den Gang des himmlischen Körpers selber ansieht und der voll erhabner Seufzer, voll erhabner Wünsche und mit schweigendem Er¬ geben zwar neben sich eine würgende Hand und das Fallen seiner Brüder hört, aber doch das aufgerichtete auf dem ewig heitern Sonnenange¬ sicht der Vorsehung ruhende Auge nicht nieder¬ schlägt, und den das Unglük wie der Blitz den Menschen, zwar entseelt aber nicht entstellt; edler Geist, ich habe freilich nicht den Muth, zu dir zu sagen: "würdige mich, auf mein "Schattenspiel zu schauen, damit du über dem "idealischen Abendstern, den ich vor dir vorüber "führe, die Erde vergissest, auf der du stehest "und die sich jetzt mit tausend Gräbern wie ein "Vampyr an das Menschengeschlecht anlegt und "Opferblut saugt" -- -- Und doch hab' ich an dich unter dem ganzen Buche gedacht und die Hofnung, mein kleines biographisches Nacht- und Abendstück vor nasse, aufgerichtete und feste Augen zu bringen, war der tragende Malerstok der müden Hand gewesen.
ſchlecht wie der Mond zuruͤckzuwandeln ſcheint, weil er den Zug der Wolke, die darunter hin¬ fliegt, fuͤr den Gang des himmliſchen Koͤrpers ſelber anſieht und der voll erhabner Seufzer, voll erhabner Wuͤnſche und mit ſchweigendem Er¬ geben zwar neben ſich eine wuͤrgende Hand und das Fallen ſeiner Bruͤder hoͤrt, aber doch das aufgerichtete auf dem ewig heitern Sonnenange¬ ſicht der Vorſehung ruhende Auge nicht nieder¬ ſchlaͤgt, und den das Ungluͤk wie der Blitz den Menſchen, zwar entſeelt aber nicht entſtellt; edler Geiſt, ich habe freilich nicht den Muth, zu dir zu ſagen: »wuͤrdige mich, auf mein »Schattenſpiel zu ſchauen, damit du uͤber dem »idealiſchen Abendſtern, den ich vor dir voruͤber »fuͤhre, die Erde vergiſſeſt, auf der du ſteheſt »und die ſich jetzt mit tauſend Graͤbern wie ein »Vampyr an das Menſchengeſchlecht anlegt und »Opferblut ſaugt« — — Und doch hab' ich an dich unter dem ganzen Buche gedacht und die Hofnung, mein kleines biographiſches Nacht- und Abendſtuͤck vor naſſe, aufgerichtete und feſte Augen zu bringen, war der tragende Malerſtok der muͤden Hand geweſen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0017"n="6"/>ſchlecht wie der Mond zuruͤckzuwandeln ſcheint,<lb/>
weil er den Zug der Wolke, die darunter hin¬<lb/>
fliegt, fuͤr den Gang des himmliſchen Koͤrpers<lb/>ſelber anſieht und der voll erhabner Seufzer,<lb/>
voll erhabner Wuͤnſche und mit ſchweigendem Er¬<lb/>
geben zwar neben ſich eine wuͤrgende Hand und<lb/>
das Fallen ſeiner Bruͤder hoͤrt, aber doch das<lb/>
aufgerichtete auf dem ewig heitern Sonnenange¬<lb/>ſicht der Vorſehung ruhende Auge nicht nieder¬<lb/>ſchlaͤgt, und den das Ungluͤk wie der Blitz den<lb/>
Menſchen, zwar <hirendition="#g">entſeelt</hi> aber nicht <hirendition="#g">entſtellt</hi>;<lb/>
edler Geiſt, ich habe freilich nicht den Muth,<lb/>
zu dir zu ſagen: »wuͤrdige mich, auf mein<lb/>
»Schattenſpiel zu ſchauen, damit du uͤber dem<lb/>
»idealiſchen Abendſtern, den ich vor dir voruͤber<lb/>
»fuͤhre, die Erde vergiſſeſt, auf der du ſteheſt<lb/>
»und die ſich jetzt mit tauſend Graͤbern wie ein<lb/>
»Vampyr an das Menſchengeſchlecht anlegt und<lb/>
»Opferblut ſaugt« —— Und doch hab' ich an<lb/>
dich unter dem ganzen Buche gedacht und die<lb/>
Hofnung, mein kleines biographiſches Nacht-<lb/>
und Abendſtuͤck vor naſſe, aufgerichtete und feſte<lb/>
Augen zu bringen, war der tragende Malerſtok<lb/>
der muͤden Hand geweſen.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[6/0017]
ſchlecht wie der Mond zuruͤckzuwandeln ſcheint,
weil er den Zug der Wolke, die darunter hin¬
fliegt, fuͤr den Gang des himmliſchen Koͤrpers
ſelber anſieht und der voll erhabner Seufzer,
voll erhabner Wuͤnſche und mit ſchweigendem Er¬
geben zwar neben ſich eine wuͤrgende Hand und
das Fallen ſeiner Bruͤder hoͤrt, aber doch das
aufgerichtete auf dem ewig heitern Sonnenange¬
ſicht der Vorſehung ruhende Auge nicht nieder¬
ſchlaͤgt, und den das Ungluͤk wie der Blitz den
Menſchen, zwar entſeelt aber nicht entſtellt;
edler Geiſt, ich habe freilich nicht den Muth,
zu dir zu ſagen: »wuͤrdige mich, auf mein
»Schattenſpiel zu ſchauen, damit du uͤber dem
»idealiſchen Abendſtern, den ich vor dir voruͤber
»fuͤhre, die Erde vergiſſeſt, auf der du ſteheſt
»und die ſich jetzt mit tauſend Graͤbern wie ein
»Vampyr an das Menſchengeſchlecht anlegt und
»Opferblut ſaugt« — — Und doch hab' ich an
dich unter dem ganzen Buche gedacht und die
Hofnung, mein kleines biographiſches Nacht-
und Abendſtuͤck vor naſſe, aufgerichtete und feſte
Augen zu bringen, war der tragende Malerſtok
der muͤden Hand geweſen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/17>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.