Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Vormittags um 11 Uhr (wie oft draussen) der innere
Himmel aus allen Blitzen Eine Sonne, aus: al¬
len Tropfen wurde Ein Guß und der ganze Himmel
der obern Kräfte kam zur Erde der untern nieder
und . . . einige blaue Stellen der zweiten Welt wa¬
ren flüchtig offen.

-- Unsere innern Zustände können wir nicht phi¬
losophischer und klarer nachzeichnen als durch Meta¬
phern d. h. durch die Farben verwandter Zustände.
Die engen Injurianten der Metaphern, die uns statt
des Pinsels lieber die Reiskohle gäben, schreiben der
Farbengebung die Unkenntlichkeit der Zeich¬
nung zu; sie solltens aber blos ihrer Unbekanntschaft
mit dem Urbild schuld geben. Warlich der Unsinn
spielt Versteckens leichter in den geräumigen abge¬
zognen
Termin der Philosophen -- da die Worte
wie die sinesischen Schatten, mit ihrem Umfange zu¬
gleich die Unsichtbarkeit und Leerheit ihres Inhalts
vermehren -- als in den engen grünen Hülsen der
Dichter. Von der Stoa und dem Portikus des
Denkens muß man eine Aussicht haben in die epiku¬
reischen Gärten des Dichtens.

-- In drei Minuten bin ich wieder bei der Hi¬
storie. -- Er müßte, sagte Viktor, Berg-Garten-
und Sumpfwiesen haben, weil er drei verschiedne
närrische Seelen besäße, die er auf verschiedne Län¬
dereien zur Weide treiben müßte. Er meinte damit

Vormittags um 11 Uhr (wie oft drauſſen) der innere
Himmel aus allen Blitzen Eine Sonne, aus: al¬
len Tropfen wurde Ein Guß und der ganze Himmel
der obern Kraͤfte kam zur Erde der untern nieder
und . . . einige blaue Stellen der zweiten Welt wa¬
ren fluͤchtig offen.

— Unſere innern Zuſtaͤnde koͤnnen wir nicht phi¬
loſophiſcher und klarer nachzeichnen als durch Meta¬
phern d. h. durch die Farben verwandter Zuſtaͤnde.
Die engen Injurianten der Metaphern, die uns ſtatt
des Pinſels lieber die Reiskohle gaͤben, ſchreiben der
Farbengebung die Unkenntlichkeit der Zeich¬
nung zu; ſie ſolltens aber blos ihrer Unbekanntſchaft
mit dem Urbild ſchuld geben. Warlich der Unſinn
ſpielt Verſteckens leichter in den geraͤumigen abge¬
zognen
Termin der Philoſophen — da die Worte
wie die ſineſiſchen Schatten, mit ihrem Umfange zu¬
gleich die Unſichtbarkeit und Leerheit ihres Inhalts
vermehren — als in den engen gruͤnen Huͤlſen der
Dichter. Von der Stoa und dem Portikus des
Denkens muß man eine Ausſicht haben in die epiku¬
reiſchen Gaͤrten des Dichtens.

— In drei Minuten bin ich wieder bei der Hi¬
ſtorie. — Er muͤßte, ſagte Viktor, Berg-Garten-
und Sumpfwieſen haben, weil er drei verſchiedne
naͤrriſche Seelen beſaͤße, die er auf verſchiedne Laͤn¬
dereien zur Weide treiben muͤßte. Er meinte damit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0181" n="170"/>
Vormittags um 11 Uhr (wie oft drau&#x017F;&#x017F;en) der innere<lb/>
Himmel aus allen Blitzen Eine Sonne, aus: al¬<lb/>
len Tropfen wurde Ein Guß und der ganze Himmel<lb/>
der obern Kra&#x0364;fte kam zur Erde der untern nieder<lb/>
und . . . einige blaue Stellen der zweiten Welt wa¬<lb/>
ren flu&#x0364;chtig <hi rendition="#g">offen</hi>.</p><lb/>
        <p>&#x2014; Un&#x017F;ere innern Zu&#x017F;ta&#x0364;nde ko&#x0364;nnen wir nicht phi¬<lb/>
lo&#x017F;ophi&#x017F;cher und klarer nachzeichnen als durch Meta¬<lb/>
phern d. h. durch die Farben verwandter Zu&#x017F;ta&#x0364;nde.<lb/>
Die engen Injurianten der Metaphern, die uns &#x017F;tatt<lb/>
des Pin&#x017F;els lieber die Reiskohle ga&#x0364;ben, &#x017F;chreiben der<lb/><hi rendition="#g">Farbengebung</hi> die Unkenntlichkeit der <hi rendition="#g">Zeich</hi>¬<lb/><hi rendition="#g">nung</hi> zu; &#x017F;ie &#x017F;olltens aber blos ihrer Unbekannt&#x017F;chaft<lb/>
mit dem Urbild &#x017F;chuld geben. Warlich der Un&#x017F;inn<lb/>
&#x017F;pielt Ver&#x017F;teckens leichter in den gera&#x0364;umigen <hi rendition="#g">abge¬<lb/>
zognen</hi> Termin der Philo&#x017F;ophen &#x2014; da die Worte<lb/>
wie die &#x017F;ine&#x017F;i&#x017F;chen Schatten, mit ihrem Umfange zu¬<lb/>
gleich die Un&#x017F;ichtbarkeit und Leerheit ihres Inhalts<lb/>
vermehren &#x2014; als in den engen gru&#x0364;nen Hu&#x0364;l&#x017F;en der<lb/>
Dichter. Von der Stoa und dem Portikus des<lb/>
Denkens muß man eine Aus&#x017F;icht haben in die epiku¬<lb/>
rei&#x017F;chen Ga&#x0364;rten des Dichtens.</p><lb/>
        <p>&#x2014; In drei Minuten bin ich wieder bei der Hi¬<lb/>
&#x017F;torie. &#x2014; Er mu&#x0364;ßte, &#x017F;agte Viktor, Berg-Garten-<lb/>
und Sumpfwie&#x017F;en haben, weil er <hi rendition="#g">drei</hi> ver&#x017F;chiedne<lb/>
na&#x0364;rri&#x017F;che Seelen be&#x017F;a&#x0364;ße, die er auf ver&#x017F;chiedne La&#x0364;<lb/>
dereien zur Weide treiben mu&#x0364;ßte. Er meinte damit<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[170/0181] Vormittags um 11 Uhr (wie oft drauſſen) der innere Himmel aus allen Blitzen Eine Sonne, aus: al¬ len Tropfen wurde Ein Guß und der ganze Himmel der obern Kraͤfte kam zur Erde der untern nieder und . . . einige blaue Stellen der zweiten Welt wa¬ ren fluͤchtig offen. — Unſere innern Zuſtaͤnde koͤnnen wir nicht phi¬ loſophiſcher und klarer nachzeichnen als durch Meta¬ phern d. h. durch die Farben verwandter Zuſtaͤnde. Die engen Injurianten der Metaphern, die uns ſtatt des Pinſels lieber die Reiskohle gaͤben, ſchreiben der Farbengebung die Unkenntlichkeit der Zeich¬ nung zu; ſie ſolltens aber blos ihrer Unbekanntſchaft mit dem Urbild ſchuld geben. Warlich der Unſinn ſpielt Verſteckens leichter in den geraͤumigen abge¬ zognen Termin der Philoſophen — da die Worte wie die ſineſiſchen Schatten, mit ihrem Umfange zu¬ gleich die Unſichtbarkeit und Leerheit ihres Inhalts vermehren — als in den engen gruͤnen Huͤlſen der Dichter. Von der Stoa und dem Portikus des Denkens muß man eine Ausſicht haben in die epiku¬ reiſchen Gaͤrten des Dichtens. — In drei Minuten bin ich wieder bei der Hi¬ ſtorie. — Er muͤßte, ſagte Viktor, Berg-Garten- und Sumpfwieſen haben, weil er drei verſchiedne naͤrriſche Seelen beſaͤße, die er auf verſchiedne Laͤn¬ dereien zur Weide treiben muͤßte. Er meinte damit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/181
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/181>, abgerufen am 23.11.2024.