bloße gescheute Männer (wie Solon, Lykurg) hatten die gesetzgebende Gewalt allein und waren die Ma¬ gnetnadel, die das Staatsschiff führte; ein De¬ spot besteht als Thronfolger von jenen, fast aus lau¬ ter Gesetzen aus fremden und eignen zugleich und ist der Magnetberg, der das Staatsschiff zu sich be¬ wegt. -- "Sein eigner Sklave seyn ist die härteste "Sklaverei" sagt ein Alter, wenigstens ein Lateiner; der Despot fodert aber von andern nur die leichtere und nimmt auf sich die schwerere. -- Ein anderer sagt: parere scire par imperio gloria est; Ruhm und Ehre erbeutet also ein Negersklave so viel wie ein Negerkönig. -- Servi pro nullis habentur; da¬ her fühlen auch politische Nullitäten den Druck der Hofluft so wenig wie wir den der andern Luft; de¬ spotische Realitäten aber verdienen schon darum ihre Freiheit, weil sie den Werth derselben so sehr zu fühlen und zu schätzen wissen. Ich habe von jeher geglaubt, daß in Republiken weit weniger Freiheit sey als in einem despotischen Staat, angesehen jene weit weniger andern Völkern die ihrige zu nehmen und überhaupt Eroberungskriege zu führen suchen als dieser: die Begierde aber, Sklaven zu machen, hing eben nach allen Autoren gerade freien Staaten am meisten an, z. B. Spartern, Römern, Britten. -- Ein Republikaner im edlern Sinn, z. B. der Kaiser in Persien, dessen Freiheitsmütze ein Turban
und
bloße geſcheute Maͤnner (wie Solon, Lykurg) hatten die geſetzgebende Gewalt allein und waren die Ma¬ gnetnadel, die das Staatsſchiff fuͤhrte; ein De¬ ſpot beſteht als Thronfolger von jenen, faſt aus lau¬ ter Geſetzen aus fremden und eignen zugleich und iſt der Magnetberg, der das Staatsſchiff zu ſich be¬ wegt. — »Sein eigner Sklave ſeyn iſt die haͤrteſte »Sklaverei« ſagt ein Alter, wenigſtens ein Lateiner; der Deſpot fodert aber von andern nur die leichtere und nimmt auf ſich die ſchwerere. — Ein anderer ſagt: parere ſcire par imperio gloria est; Ruhm und Ehre erbeutet alſo ein Negerſklave ſo viel wie ein Negerkoͤnig. — Servi pro nullis habentur; da¬ her fuͤhlen auch politiſche Nullitaͤten den Druck der Hofluft ſo wenig wie wir den der andern Luft; de¬ ſpotiſche Realitaͤten aber verdienen ſchon darum ihre Freiheit, weil ſie den Werth derſelben ſo ſehr zu fuͤhlen und zu ſchaͤtzen wiſſen. Ich habe von jeher geglaubt, daß in Republiken weit weniger Freiheit ſey als in einem deſpotiſchen Staat, angeſehen jene weit weniger andern Voͤlkern die ihrige zu nehmen und uͤberhaupt Eroberungskriege zu fuͤhren ſuchen als dieſer: die Begierde aber, Sklaven zu machen, hing eben nach allen Autoren gerade freien Staaten am meiſten an, z. B. Spartern, Roͤmern, Britten. — Ein Republikaner im edlern Sinn, z. B. der Kaiſer in Perſien, deſſen Freiheitsmuͤtze ein Turban
und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0267"n="256"/>
bloße geſcheute Maͤnner (wie Solon, Lykurg) hatten<lb/>
die geſetzgebende Gewalt allein und waren die <hirendition="#g">Ma¬<lb/>
gnetnadel</hi>, die das Staatsſchiff <hirendition="#g">fuͤhrte</hi>; ein De¬<lb/>ſpot beſteht als Thronfolger von jenen, faſt aus lau¬<lb/>
ter Geſetzen aus fremden und eignen zugleich und iſt<lb/>
der <hirendition="#g">Magnetberg</hi>, der das Staatsſchiff zu ſich be¬<lb/>
wegt. — »Sein eigner Sklave ſeyn iſt die haͤrteſte<lb/>
»Sklaverei« ſagt ein Alter, wenigſtens ein Lateiner;<lb/>
der Deſpot fodert aber von andern nur die leichtere<lb/>
und nimmt auf ſich die ſchwerere. — Ein anderer<lb/>ſagt: <hirendition="#aq">parere ſcire par imperio gloria est</hi>; Ruhm<lb/>
und Ehre erbeutet alſo ein Negerſklave ſo viel wie<lb/>
ein Negerkoͤnig. —<hirendition="#aq">Servi pro nullis habentur</hi>; da¬<lb/>
her fuͤhlen auch politiſche Nullitaͤten den Druck der<lb/>
Hofluft ſo wenig wie wir den der andern Luft; de¬<lb/>ſpotiſche Realitaͤten aber verdienen ſchon darum ihre<lb/>
Freiheit, weil ſie den Werth derſelben ſo ſehr zu<lb/>
fuͤhlen und zu ſchaͤtzen wiſſen. Ich habe von jeher<lb/>
geglaubt, daß in Republiken weit weniger Freiheit<lb/>ſey als in einem deſpotiſchen Staat, angeſehen <hirendition="#g">jene</hi><lb/>
weit weniger andern Voͤlkern die ihrige zu nehmen<lb/>
und uͤberhaupt Eroberungskriege zu fuͤhren ſuchen<lb/>
als <hirendition="#g">dieſer</hi>: die Begierde aber, Sklaven zu machen,<lb/>
hing eben nach allen Autoren gerade freien Staaten<lb/>
am meiſten an, z. B. Spartern, Roͤmern, Britten.<lb/>— Ein Republikaner im edlern Sinn, z. B. der<lb/>
Kaiſer in Perſien, deſſen Freiheitsmuͤtze ein Turban<lb/><fwplace="bottom"type="catch">und<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[256/0267]
bloße geſcheute Maͤnner (wie Solon, Lykurg) hatten
die geſetzgebende Gewalt allein und waren die Ma¬
gnetnadel, die das Staatsſchiff fuͤhrte; ein De¬
ſpot beſteht als Thronfolger von jenen, faſt aus lau¬
ter Geſetzen aus fremden und eignen zugleich und iſt
der Magnetberg, der das Staatsſchiff zu ſich be¬
wegt. — »Sein eigner Sklave ſeyn iſt die haͤrteſte
»Sklaverei« ſagt ein Alter, wenigſtens ein Lateiner;
der Deſpot fodert aber von andern nur die leichtere
und nimmt auf ſich die ſchwerere. — Ein anderer
ſagt: parere ſcire par imperio gloria est; Ruhm
und Ehre erbeutet alſo ein Negerſklave ſo viel wie
ein Negerkoͤnig. — Servi pro nullis habentur; da¬
her fuͤhlen auch politiſche Nullitaͤten den Druck der
Hofluft ſo wenig wie wir den der andern Luft; de¬
ſpotiſche Realitaͤten aber verdienen ſchon darum ihre
Freiheit, weil ſie den Werth derſelben ſo ſehr zu
fuͤhlen und zu ſchaͤtzen wiſſen. Ich habe von jeher
geglaubt, daß in Republiken weit weniger Freiheit
ſey als in einem deſpotiſchen Staat, angeſehen jene
weit weniger andern Voͤlkern die ihrige zu nehmen
und uͤberhaupt Eroberungskriege zu fuͤhren ſuchen
als dieſer: die Begierde aber, Sklaven zu machen,
hing eben nach allen Autoren gerade freien Staaten
am meiſten an, z. B. Spartern, Roͤmern, Britten.
— Ein Republikaner im edlern Sinn, z. B. der
Kaiſer in Perſien, deſſen Freiheitsmuͤtze ein Turban
und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/267>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.