Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795.mit entkleideten Kindern -- Die gesenkte Sonne Dieses Vorüberfliehen der Szenen verdunkelte Endlich stieg er erschüttert den breiten Berg hin¬ mit entkleideten Kindern — Die geſenkte Sonne Dieſes Voruͤberfliehen der Szenen verdunkelte Endlich ſtieg er erſchuͤttert den breiten Berg hin¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0321" n="310"/> mit entkleideten Kindern — Die geſenkte Sonne<lb/> wurde bald erhoben bald vertieft, bald auf Gipfel<lb/> der Waͤlder, bald auf Gipfel der Berge gezogen —</p><lb/> <p>Dieſes <hi rendition="#g">Voruͤberfliehen</hi> der Szenen verdunkelte<lb/> ſein benetztes Auge und erhellte die innere Welt:<lb/> aber das Stehenbleiben eines unaufhoͤrlichen Tones,<lb/> dieſes uͤber ihm bleibende Lerchenchor, deſſen ſtrei¬<lb/> tende Rufe in ſeiner Seele zu Einem zerfloſſen, die¬<lb/> ſes entfernte Getoͤne aus Waͤldern und Buͤſchen und<lb/> Luͤften, dieſe Harmonika der Natur machte, daß er<lb/> zu ſich ſagte: »warum halt' ich in dieſer Einſam¬<lb/> keit jeden Tropfen der fallen will? Nein, ich bin<lb/> ohnehin heute zu weich, und ich will mich erſchoͤpfen<lb/> eh' ich den großen Menſchen ſehe.«</p><lb/> <p>Endlich ſtieg er erſchuͤttert den breiten Berg hin¬<lb/> auf, der ſich vor das zu deſſen Fuͤßen gruͤnende<lb/><hi rendition="#g">Maienthal</hi> mit ſeinen zerſtreueten Baumſaͤulen<lb/> und grauen Quadern ſtellt. . . . Da klang die vom<lb/> Ewigen geſtimmte Erde mit tauſend Saiten; da be¬<lb/> wegte dieſelbe Harmonie den in Gold und Nacht<lb/> zerſtuͤckten Strom und den ſumſenden Blumenkelch<lb/> und die bewohnte Luft und den durchwehten Buſch;<lb/> da ſtanden der geroͤthete Oſten und der geroͤthete<lb/> Weſten wie die zwei roſataftnen Fluͤgelthuͤren eines<lb/> Fluͤgels aufgeſpannt und ein hebendes Meer quoll<lb/> aus dem geoͤfneten Himmel und aus der geoͤfneten<lb/> Erde. . .</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [310/0321]
mit entkleideten Kindern — Die geſenkte Sonne
wurde bald erhoben bald vertieft, bald auf Gipfel
der Waͤlder, bald auf Gipfel der Berge gezogen —
Dieſes Voruͤberfliehen der Szenen verdunkelte
ſein benetztes Auge und erhellte die innere Welt:
aber das Stehenbleiben eines unaufhoͤrlichen Tones,
dieſes uͤber ihm bleibende Lerchenchor, deſſen ſtrei¬
tende Rufe in ſeiner Seele zu Einem zerfloſſen, die¬
ſes entfernte Getoͤne aus Waͤldern und Buͤſchen und
Luͤften, dieſe Harmonika der Natur machte, daß er
zu ſich ſagte: »warum halt' ich in dieſer Einſam¬
keit jeden Tropfen der fallen will? Nein, ich bin
ohnehin heute zu weich, und ich will mich erſchoͤpfen
eh' ich den großen Menſchen ſehe.«
Endlich ſtieg er erſchuͤttert den breiten Berg hin¬
auf, der ſich vor das zu deſſen Fuͤßen gruͤnende
Maienthal mit ſeinen zerſtreueten Baumſaͤulen
und grauen Quadern ſtellt. . . . Da klang die vom
Ewigen geſtimmte Erde mit tauſend Saiten; da be¬
wegte dieſelbe Harmonie den in Gold und Nacht
zerſtuͤckten Strom und den ſumſenden Blumenkelch
und die bewohnte Luft und den durchwehten Buſch;
da ſtanden der geroͤthete Oſten und der geroͤthete
Weſten wie die zwei roſataftnen Fluͤgelthuͤren eines
Fluͤgels aufgeſpannt und ein hebendes Meer quoll
aus dem geoͤfneten Himmel und aus der geoͤfneten
Erde. . .
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