sohn aber warfs auf den Gaul hinauf und in die Nacht hinaus: seine geistigen Erd-Erschütterungen legten sich nur unter einem körperlichen Galop.
Er sprengte über den Hügel, auf dem er Morgen sich mit seinem Horion wieder verknüpfen wollte, zehnmal hinauf und hinab. Er fluchte und donnerte auf alle seine Leidenschaften -- freilich mit Leidenschaft -- die bisher die Beinsäge an ihre ver¬ bundnen Freundschaftshände applicirt hatten: "o "wenn ich dich nur wieder habe, Sebastian, (sagt' "er und riß den Gaul herum,) so will ich so sanft "seyn, so sanft wie du, und dich niemals verkennen, "oder das Donnerwetter soll mich hier auf dem "Platze. . . ." Beschämt über den eiligen Wider¬ spruch, ritt er blos im Pas nach Hause.
Seine Sehnsucht nach seinem wiederkehrenden Freunde drückt' er im Stalle dadurch aus, daß er die Scheitelhaare hinaufstülpte, den Zopf wie die fünfte Violinsaite anzog und den Schlüssel des Fut¬ terkastens abdrehte. . . .
Nur ein Mensch, der nach einem Freunde ge¬ rade so wie nach einer Freundin schmachtet, ver¬ dienet beide. Aber es giebt Menschen, die aus der Erde gehen, ohne je darüber betrübt oder besorgt gewesen zu seyn, daß sie niemand darin geliebt hat¬ te. Derjenige, der nach dem Kommerzientrak¬ tat der Kaufleute, nach dem gesellschaftlichen
ſohn aber warfs auf den Gaul hinauf und in die Nacht hinaus: ſeine geiſtigen Erd-Erſchuͤtterungen legten ſich nur unter einem koͤrperlichen Galop.
Er ſprengte uͤber den Huͤgel, auf dem er Morgen ſich mit ſeinem Horion wieder verknuͤpfen wollte, zehnmal hinauf und hinab. Er fluchte und donnerte auf alle ſeine Leidenſchaften — freilich mit Leidenſchaft — die bisher die Beinſaͤge an ihre ver¬ bundnen Freundſchaftshaͤnde applicirt hatten: »o »wenn ich dich nur wieder habe, Sebaſtian, (ſagt' »er und riß den Gaul herum,) ſo will ich ſo ſanft »ſeyn, ſo ſanft wie du, und dich niemals verkennen, »oder das Donnerwetter ſoll mich hier auf dem »Platze. . . .« Beſchaͤmt uͤber den eiligen Wider¬ ſpruch, ritt er blos im Pas nach Hauſe.
Seine Sehnſucht nach ſeinem wiederkehrenden Freunde druͤckt' er im Stalle dadurch aus, daß er die Scheitelhaare hinaufſtuͤlpte, den Zopf wie die fuͤnfte Violinſaite anzog und den Schluͤſſel des Fut¬ terkaſtens abdrehte. . . .
Nur ein Menſch, der nach einem Freunde ge¬ rade ſo wie nach einer Freundin ſchmachtet, ver¬ dienet beide. Aber es giebt Menſchen, die aus der Erde gehen, ohne je daruͤber betruͤbt oder beſorgt geweſen zu ſeyn, daß ſie niemand darin geliebt hat¬ te. Derjenige, der nach dem Kommerzientrak¬ tat der Kaufleute, nach dem geſellſchaftlichen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0034"n="23"/>ſohn aber warfs auf den Gaul hinauf und in die<lb/>
Nacht hinaus: ſeine geiſtigen Erd-Erſchuͤtterungen<lb/>
legten ſich nur unter einem koͤrperlichen Galop.</p><lb/><p>Er ſprengte uͤber den Huͤgel, auf dem er<lb/>
Morgen ſich mit ſeinem Horion wieder verknuͤpfen<lb/>
wollte, zehnmal hinauf und hinab. Er fluchte und<lb/>
donnerte auf alle ſeine Leidenſchaften — freilich mit<lb/>
Leidenſchaft — die bisher die Beinſaͤge an ihre ver¬<lb/>
bundnen Freundſchaftshaͤnde applicirt hatten: »o<lb/>
»wenn ich dich nur wieder habe, Sebaſtian, (ſagt'<lb/>
»er und riß den Gaul herum,) ſo will ich ſo ſanft<lb/>
»ſeyn, ſo ſanft wie du, und dich niemals verkennen,<lb/>
»oder das Donnerwetter ſoll mich hier auf dem<lb/>
»Platze. . . .« Beſchaͤmt uͤber den eiligen Wider¬<lb/>ſpruch, ritt er blos im Pas nach Hauſe.</p><lb/><p>Seine Sehnſucht nach ſeinem wiederkehrenden<lb/>
Freunde druͤckt' er im Stalle dadurch aus, daß er<lb/>
die Scheitelhaare hinaufſtuͤlpte, den Zopf wie die<lb/>
fuͤnfte Violinſaite anzog und den Schluͤſſel des Fut¬<lb/>
terkaſtens abdrehte. . . .</p><lb/><p>Nur ein Menſch, der nach einem Freunde <hirendition="#g">ge¬<lb/>
rade ſo</hi> wie nach einer Freundin ſchmachtet, ver¬<lb/>
dienet beide. Aber es giebt Menſchen, die aus der<lb/>
Erde gehen, ohne je daruͤber betruͤbt oder beſorgt<lb/>
geweſen zu ſeyn, daß ſie niemand darin geliebt hat¬<lb/>
te. Derjenige, der nach dem <hirendition="#g">Kommerzientrak¬<lb/>
tat</hi> der Kaufleute, nach dem <hirendition="#g">geſellſchaftlichen<lb/></hi></p></div></body></text></TEI>
[23/0034]
ſohn aber warfs auf den Gaul hinauf und in die
Nacht hinaus: ſeine geiſtigen Erd-Erſchuͤtterungen
legten ſich nur unter einem koͤrperlichen Galop.
Er ſprengte uͤber den Huͤgel, auf dem er
Morgen ſich mit ſeinem Horion wieder verknuͤpfen
wollte, zehnmal hinauf und hinab. Er fluchte und
donnerte auf alle ſeine Leidenſchaften — freilich mit
Leidenſchaft — die bisher die Beinſaͤge an ihre ver¬
bundnen Freundſchaftshaͤnde applicirt hatten: »o
»wenn ich dich nur wieder habe, Sebaſtian, (ſagt'
»er und riß den Gaul herum,) ſo will ich ſo ſanft
»ſeyn, ſo ſanft wie du, und dich niemals verkennen,
»oder das Donnerwetter ſoll mich hier auf dem
»Platze. . . .« Beſchaͤmt uͤber den eiligen Wider¬
ſpruch, ritt er blos im Pas nach Hauſe.
Seine Sehnſucht nach ſeinem wiederkehrenden
Freunde druͤckt' er im Stalle dadurch aus, daß er
die Scheitelhaare hinaufſtuͤlpte, den Zopf wie die
fuͤnfte Violinſaite anzog und den Schluͤſſel des Fut¬
terkaſtens abdrehte. . . .
Nur ein Menſch, der nach einem Freunde ge¬
rade ſo wie nach einer Freundin ſchmachtet, ver¬
dienet beide. Aber es giebt Menſchen, die aus der
Erde gehen, ohne je daruͤber betruͤbt oder beſorgt
geweſen zu ſeyn, daß ſie niemand darin geliebt hat¬
te. Derjenige, der nach dem Kommerzientrak¬
tat der Kaufleute, nach dem geſellſchaftlichen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/34>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.