der Freund seiner Freundin zu werden und jetzt, weil er sterbe und weil sie nicht mehr komme -- sie war bloß das letzteremal da gewesen, um zu Pfing¬ sten, unpersiflirt von ihren Eltern, öffentlich mit den Stiftfräulein das Abendmahl zu empfangen -- jetzt seine Stelle zu besetzen bei diesem gegen die Sterne gehobnen Auge, bei diesem für die Ewigkeit beweg¬ ten Herzen: so hätt' er vor Rührung und vor Liebe dem Freund und der Freundin zu Füßen sinken mö¬ gen: -- -- In einem solchen Munde giebt das Lob des Gegenstandes allzeit der Liebe einen ausserordent¬ lichen Wachsthum, weil diese immer Vorwand sucht und dann auf einmal zeitigt, wenn sie ihn gefunden.
Wenn dir, mein Freund, das Herz für ein frem¬ des nicht schnell und heftig genug schlägt -- ob es gleich meines Erachtens schon fieberhaft pulsirt, näm¬ lich 111 mal in einer Minute -- so gehe, um dein kaltes Fieber in ein warmes umzusetzen, dein viertä¬ giges in ein tägliches, nur zu andern besonders ge¬ achteten Leuten hin und lasse die sie vorloben, die Gute, oder nur oft vornennen: todtkrank und mit deinen 140 Pulsschlägen versehen gehst du weg und hast das verlangte Fieber am Hals.
Der unschuldige Emanuel, der Viktors Wärme nicht errieth, glaubte, er müsse noch mehr thun, um ihm die siebenfache Weihe zum Priester der Freund¬ schaft für Klotilden zu geben und gab ihm einen --
Brief
der Freund ſeiner Freundin zu werden und jetzt, weil er ſterbe und weil ſie nicht mehr komme — ſie war bloß das letzteremal da geweſen, um zu Pfing¬ ſten, unperſiflirt von ihren Eltern, oͤffentlich mit den Stiftfraͤulein das Abendmahl zu empfangen — jetzt ſeine Stelle zu beſetzen bei dieſem gegen die Sterne gehobnen Auge, bei dieſem fuͤr die Ewigkeit beweg¬ ten Herzen: ſo haͤtt' er vor Ruͤhrung und vor Liebe dem Freund und der Freundin zu Fuͤßen ſinken moͤ¬ gen: — — In einem ſolchen Munde giebt das Lob des Gegenſtandes allzeit der Liebe einen auſſerordent¬ lichen Wachsthum, weil dieſe immer Vorwand ſucht und dann auf einmal zeitigt, wenn ſie ihn gefunden.
Wenn dir, mein Freund, das Herz fuͤr ein frem¬ des nicht ſchnell und heftig genug ſchlaͤgt — ob es gleich meines Erachtens ſchon fieberhaft pulſirt, naͤm¬ lich 111 mal in einer Minute — ſo gehe, um dein kaltes Fieber in ein warmes umzuſetzen, dein viertaͤ¬ giges in ein taͤgliches, nur zu andern beſonders ge¬ achteten Leuten hin und laſſe die ſie vorloben, die Gute, oder nur oft vornennen: todtkrank und mit deinen 140 Pulsſchlaͤgen verſehen gehſt du weg und haſt das verlangte Fieber am Hals.
Der unſchuldige Emanuel, der Viktors Waͤrme nicht errieth, glaubte, er muͤſſe noch mehr thun, um ihm die ſiebenfache Weihe zum Prieſter der Freund¬ ſchaft fuͤr Klotilden zu geben und gab ihm einen —
Brief
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0347"n="336"/>
der Freund ſeiner Freundin zu werden und jetzt,<lb/>
weil er ſterbe und weil ſie nicht mehr komme —ſie<lb/>
war bloß das letzteremal da geweſen, um zu Pfing¬<lb/>ſten, unperſiflirt von ihren Eltern, oͤffentlich mit den<lb/>
Stiftfraͤulein das Abendmahl zu empfangen — jetzt<lb/>ſeine Stelle zu beſetzen bei dieſem gegen die Sterne<lb/>
gehobnen Auge, bei dieſem fuͤr die Ewigkeit beweg¬<lb/>
ten Herzen: ſo haͤtt' er vor Ruͤhrung und vor Liebe<lb/>
dem Freund und der Freundin zu Fuͤßen ſinken moͤ¬<lb/>
gen: —— In einem ſolchen Munde giebt das Lob<lb/>
des Gegenſtandes allzeit der Liebe einen auſſerordent¬<lb/>
lichen Wachsthum, weil dieſe immer Vorwand ſucht<lb/>
und dann auf einmal zeitigt, wenn ſie ihn gefunden.</p><lb/><p>Wenn dir, mein Freund, das Herz fuͤr ein frem¬<lb/>
des nicht ſchnell und heftig genug ſchlaͤgt — ob es<lb/>
gleich meines Erachtens ſchon fieberhaft pulſirt, naͤm¬<lb/>
lich 111 mal in einer Minute —ſo gehe, um dein<lb/>
kaltes Fieber in ein warmes umzuſetzen, dein viertaͤ¬<lb/>
giges in ein taͤgliches, nur zu andern beſonders ge¬<lb/>
achteten Leuten hin und laſſe die ſie vorloben, die<lb/>
Gute, oder nur oft vornennen: todtkrank und mit<lb/>
deinen 140 Pulsſchlaͤgen verſehen gehſt du weg und<lb/>
haſt das verlangte Fieber am Hals.</p><lb/><p>Der unſchuldige Emanuel, der Viktors Waͤrme<lb/>
nicht errieth, glaubte, er muͤſſe noch mehr thun, um<lb/>
ihm die ſiebenfache Weihe zum Prieſter der Freund¬<lb/>ſchaft fuͤr Klotilden zu geben und gab ihm einen —<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Brief<lb/></fw></p></div></body></text></TEI>
[336/0347]
der Freund ſeiner Freundin zu werden und jetzt,
weil er ſterbe und weil ſie nicht mehr komme — ſie
war bloß das letzteremal da geweſen, um zu Pfing¬
ſten, unperſiflirt von ihren Eltern, oͤffentlich mit den
Stiftfraͤulein das Abendmahl zu empfangen — jetzt
ſeine Stelle zu beſetzen bei dieſem gegen die Sterne
gehobnen Auge, bei dieſem fuͤr die Ewigkeit beweg¬
ten Herzen: ſo haͤtt' er vor Ruͤhrung und vor Liebe
dem Freund und der Freundin zu Fuͤßen ſinken moͤ¬
gen: — — In einem ſolchen Munde giebt das Lob
des Gegenſtandes allzeit der Liebe einen auſſerordent¬
lichen Wachsthum, weil dieſe immer Vorwand ſucht
und dann auf einmal zeitigt, wenn ſie ihn gefunden.
Wenn dir, mein Freund, das Herz fuͤr ein frem¬
des nicht ſchnell und heftig genug ſchlaͤgt — ob es
gleich meines Erachtens ſchon fieberhaft pulſirt, naͤm¬
lich 111 mal in einer Minute — ſo gehe, um dein
kaltes Fieber in ein warmes umzuſetzen, dein viertaͤ¬
giges in ein taͤgliches, nur zu andern beſonders ge¬
achteten Leuten hin und laſſe die ſie vorloben, die
Gute, oder nur oft vornennen: todtkrank und mit
deinen 140 Pulsſchlaͤgen verſehen gehſt du weg und
haſt das verlangte Fieber am Hals.
Der unſchuldige Emanuel, der Viktors Waͤrme
nicht errieth, glaubte, er muͤſſe noch mehr thun, um
ihm die ſiebenfache Weihe zum Prieſter der Freund¬
ſchaft fuͤr Klotilden zu geben und gab ihm einen —
Brief
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 336. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/347>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.