sten theurer sey als das Gesicht der Schönsten auf den fünf Erdgürteln und Erdscherpen. Agathe war anders: sie lief schon am Morgen ins Schloß, um die Freundin anzukleiden.
Meinen Viktor stachen zwanzig Spornräder, um ihr zu folgen -- die Kleiderordnung -- die Ver¬ wandschaft -- die Begierde, die jeder Mensch hat, die Huldin und Infantin seines Freundes zu sehen -- die Begierde, die nicht jeder hat aber er, jemand zum erstenmale (lieber als zum achtenmale) zu sprechen -- am meisten der gestrige Abend. Flamins Feuer hatte Viktors Brust gestern ganz voll Zunder ge¬ brannt, durch den lauter Funken liefen -- er hätt' ihm alles gleichgültig vorstellen sollen, weil der Kampf gegen die Liebe sich vom Kampfe für sie in nichts unterscheidet als in der Rangordnung. Aber der Leser glaube ja nicht, jetzt werde (wie in einem entmanten und entmannenden Roman) in der Biographie der Teufel losgehen und der Held ins Schloß marschiren und da vor Klotilden hinfallen und flehen: "sey die Heldin" und sich mit ihr her¬ umzanken aus Liebe und mit dem vorigen Pasto Fido aus Haß, und werde wirklich nichts anders machen als den ästhetischen egoistischen sentimentalischen -- Schuft. Wenn ich letzteres wünschte, so könnt' ich mich nur damit entschuldigen, daß ich dann etwan zu einigen biographischen Mordthaten und Duellen kä¬
ſten theurer ſey als das Geſicht der Schoͤnſten auf den fuͤnf Erdguͤrteln und Erdſcherpen. Agathe war anders: ſie lief ſchon am Morgen ins Schloß, um die Freundin anzukleiden.
Meinen Viktor ſtachen zwanzig Spornraͤder, um ihr zu folgen — die Kleiderordnung — die Ver¬ wandſchaft — die Begierde, die jeder Menſch hat, die Huldin und Infantin ſeines Freundes zu ſehen — die Begierde, die nicht jeder hat aber er, jemand zum erſtenmale (lieber als zum achtenmale) zu ſprechen — am meiſten der geſtrige Abend. Flamins Feuer hatte Viktors Bruſt geſtern ganz voll Zunder ge¬ brannt, durch den lauter Funken liefen — er haͤtt' ihm alles gleichguͤltig vorſtellen ſollen, weil der Kampf gegen die Liebe ſich vom Kampfe fuͤr ſie in nichts unterſcheidet als in der Rangordnung. Aber der Leſer glaube ja nicht, jetzt werde (wie in einem entmanten und entmannenden Roman) in der Biographie der Teufel losgehen und der Held ins Schloß marſchiren und da vor Klotilden hinfallen und flehen: »ſey die Heldin« und ſich mit ihr her¬ umzanken aus Liebe und mit dem vorigen Paſto Fido aus Haß, und werde wirklich nichts anders machen als den aͤſthetiſchen egoiſtiſchen ſentimentaliſchen — Schuft. Wenn ich letzteres wuͤnſchte, ſo koͤnnt' ich mich nur damit entſchuldigen, daß ich dann etwan zu einigen biographiſchen Mordthaten und Duellen kaͤ¬
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0090"n="79"/>ſten theurer ſey als das Geſicht der Schoͤnſten auf<lb/>
den fuͤnf Erdguͤrteln und Erdſcherpen. Agathe war<lb/>
anders: ſie lief ſchon am Morgen ins Schloß, um<lb/>
die Freundin anzukleiden.</p><lb/><p>Meinen Viktor ſtachen zwanzig Spornraͤder, um<lb/>
ihr zu folgen — die Kleiderordnung — die Ver¬<lb/>
wandſchaft — die Begierde, die jeder Menſch hat,<lb/>
die Huldin und Infantin ſeines Freundes zu ſehen<lb/>— die Begierde, die nicht jeder hat aber er, jemand<lb/>
zum erſtenmale (lieber als zum achtenmale) zu ſprechen<lb/>— am meiſten der geſtrige Abend. Flamins Feuer<lb/>
hatte Viktors Bruſt geſtern ganz voll Zunder ge¬<lb/>
brannt, durch den lauter Funken liefen — er haͤtt'<lb/>
ihm alles gleichguͤltig vorſtellen ſollen, weil der<lb/>
Kampf <hirendition="#g">gegen</hi> die Liebe ſich vom Kampfe <hirendition="#g">fuͤr</hi>ſie<lb/>
in nichts unterſcheidet als in der Rangordnung.<lb/>
Aber der Leſer glaube ja nicht, jetzt werde (wie in<lb/>
einem entmanten und entmannenden Roman) in der<lb/>
Biographie der Teufel losgehen und der Held ins<lb/>
Schloß marſchiren und da vor Klotilden hinfallen<lb/>
und flehen: »ſey die Heldin« und ſich mit ihr her¬<lb/>
umzanken aus Liebe und mit dem vorigen Paſto Fido<lb/>
aus Haß, und werde wirklich nichts anders machen<lb/>
als den aͤſthetiſchen egoiſtiſchen ſentimentaliſchen —<lb/>
Schuft. Wenn ich letzteres wuͤnſchte, ſo koͤnnt' ich<lb/>
mich nur damit entſchuldigen, daß ich dann etwan zu<lb/>
einigen biographiſchen Mordthaten und Duellen kaͤ¬<lb/></p></div></body></text></TEI>
[79/0090]
ſten theurer ſey als das Geſicht der Schoͤnſten auf
den fuͤnf Erdguͤrteln und Erdſcherpen. Agathe war
anders: ſie lief ſchon am Morgen ins Schloß, um
die Freundin anzukleiden.
Meinen Viktor ſtachen zwanzig Spornraͤder, um
ihr zu folgen — die Kleiderordnung — die Ver¬
wandſchaft — die Begierde, die jeder Menſch hat,
die Huldin und Infantin ſeines Freundes zu ſehen
— die Begierde, die nicht jeder hat aber er, jemand
zum erſtenmale (lieber als zum achtenmale) zu ſprechen
— am meiſten der geſtrige Abend. Flamins Feuer
hatte Viktors Bruſt geſtern ganz voll Zunder ge¬
brannt, durch den lauter Funken liefen — er haͤtt'
ihm alles gleichguͤltig vorſtellen ſollen, weil der
Kampf gegen die Liebe ſich vom Kampfe fuͤr ſie
in nichts unterſcheidet als in der Rangordnung.
Aber der Leſer glaube ja nicht, jetzt werde (wie in
einem entmanten und entmannenden Roman) in der
Biographie der Teufel losgehen und der Held ins
Schloß marſchiren und da vor Klotilden hinfallen
und flehen: »ſey die Heldin« und ſich mit ihr her¬
umzanken aus Liebe und mit dem vorigen Paſto Fido
aus Haß, und werde wirklich nichts anders machen
als den aͤſthetiſchen egoiſtiſchen ſentimentaliſchen —
Schuft. Wenn ich letzteres wuͤnſchte, ſo koͤnnt' ich
mich nur damit entſchuldigen, daß ich dann etwan zu
einigen biographiſchen Mordthaten und Duellen kaͤ¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Erstes Heftlein. Berlin, 1795, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus01_1795/90>, abgerufen am 19.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.