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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795.

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die von einem Hügel zum andern fliehen, und über
die Berge, die sich wie Ufer und Mauern um un¬
sern Blumenzirkel ziehen, warum ruft es da denn
unaufhörlich in dir: "ach hinter den rauchenden
"Bergen, hinter den aufliegenden Wolken da wohnt
"ein schöneres Land, da wohnt die Seele, die du
"suchst, da liegt der Himmel näher an der Erde?"
-- Aber ach hinter dem Gebirge und hinter dem
Gewölke stöhnt auch ein verkanntes Herz und schauet
an deinen Horizont herüber und denkt: "ach in je¬
"ner Ferne wär' ich wohl glücklicher!"

Sind wir denn alle nicht glücklich? -- -- Be¬
jah' es nicht und sage nicht zu mir, Emanuel,
daß im Winter dieses Lebens gerade die wenigen
warmen Sonnenblicke, die ihn unterbrechen, den bes¬
sern Menschen wie Gewächse zersprengen und zu
Grunde richten -- sage nicht; daß jedes Jahr etwas
von unserm Herzen wegstoße und daß es wie das
Eis immer kleiner werde, je weiter es schwimme im
Strome der Zeit -- sage nur nicht, daß die irrende
Psyche, wenn sie auch ihr zweites Selbst in ihrem
Gefängniß höre, doch nie in seine Arme kommen
könne -- -- Aber du hasts schon einmal gesagt:

"In zwei Körpern stehen wie auf zwei Hügeln
getrennt alle liebende Seelen der Erde, eine
Wüste liegt zwischen ihnen wie zwischen Sonnensy¬
stemen, sie sehen einander herübersprechen durch Ste¬

die von einem Huͤgel zum andern fliehen, und uͤber
die Berge, die ſich wie Ufer und Mauern um un¬
ſern Blumenzirkel ziehen, warum ruft es da denn
unaufhoͤrlich in dir: »ach hinter den rauchenden
»Bergen, hinter den aufliegenden Wolken da wohnt
»ein ſchoͤneres Land, da wohnt die Seele, die du
»ſuchſt, da liegt der Himmel naͤher an der Erde?«
— Aber ach hinter dem Gebirge und hinter dem
Gewoͤlke ſtoͤhnt auch ein verkanntes Herz und ſchauet
an deinen Horizont heruͤber und denkt: »ach in je¬
»ner Ferne waͤr' ich wohl gluͤcklicher!«

Sind wir denn alle nicht gluͤcklich? — — Be¬
jah' es nicht und ſage nicht zu mir, Emanuel,
daß im Winter dieſes Lebens gerade die wenigen
warmen Sonnenblicke, die ihn unterbrechen, den beſ¬
ſern Menſchen wie Gewaͤchſe zerſprengen und zu
Grunde richten — ſage nicht; daß jedes Jahr etwas
von unſerm Herzen wegſtoße und daß es wie das
Eis immer kleiner werde, je weiter es ſchwimme im
Strome der Zeit — ſage nur nicht, daß die irrende
Pſyche, wenn ſie auch ihr zweites Selbſt in ihrem
Gefaͤngniß hoͤre, doch nie in ſeine Arme kommen
koͤnne — — Aber du haſts ſchon einmal geſagt:

»In zwei Koͤrpern ſtehen wie auf zwei Huͤgeln
getrennt alle liebende Seelen der Erde, eine
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ſtemen, ſie ſehen einander heruͤberſprechen durch Ste¬

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[101/0111] die von einem Huͤgel zum andern fliehen, und uͤber die Berge, die ſich wie Ufer und Mauern um un¬ ſern Blumenzirkel ziehen, warum ruft es da denn unaufhoͤrlich in dir: »ach hinter den rauchenden »Bergen, hinter den aufliegenden Wolken da wohnt »ein ſchoͤneres Land, da wohnt die Seele, die du »ſuchſt, da liegt der Himmel naͤher an der Erde?« — Aber ach hinter dem Gebirge und hinter dem Gewoͤlke ſtoͤhnt auch ein verkanntes Herz und ſchauet an deinen Horizont heruͤber und denkt: »ach in je¬ »ner Ferne waͤr' ich wohl gluͤcklicher!« Sind wir denn alle nicht gluͤcklich? — — Be¬ jah' es nicht und ſage nicht zu mir, Emanuel, daß im Winter dieſes Lebens gerade die wenigen warmen Sonnenblicke, die ihn unterbrechen, den beſ¬ ſern Menſchen wie Gewaͤchſe zerſprengen und zu Grunde richten — ſage nicht; daß jedes Jahr etwas von unſerm Herzen wegſtoße und daß es wie das Eis immer kleiner werde, je weiter es ſchwimme im Strome der Zeit — ſage nur nicht, daß die irrende Pſyche, wenn ſie auch ihr zweites Selbſt in ihrem Gefaͤngniß hoͤre, doch nie in ſeine Arme kommen koͤnne — — Aber du haſts ſchon einmal geſagt: »In zwei Koͤrpern ſtehen wie auf zwei Huͤgeln getrennt alle liebende Seelen der Erde, eine Wuͤſte liegt zwiſchen ihnen wie zwiſchen Sonnenſy¬ ſtemen, ſie ſehen einander heruͤberſprechen durch Ste¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/111>, abgerufen am 27.11.2024.