men; und ihr Stolz vertrat zugleich seiner Empfin¬ dung und Laune den Zugang. Ob er es wohl hun¬ dertmal zu ihr in seinem Innern sagte: "quäle dich "nicht, stolze Seele, ich bin kein Günstling, ich will "dir nichts nehmen, am wenigsten deinen Stolz oder "fremde Liebe -- o ich weis was es ist, keine zu er¬ "langen:" so blieb er doch (nach seiner Meinung) kalt vor ihr und zog mit der ärgerlichen Aussicht ab, daß ihm seine gute Kur die Wiederkehr abschnei¬ de; denn die andern Kour-Visiten waren doch keine freimüthigen Krankenvisiten. Vor der fata¬ len Kompas-Uhr erschrak er täglich weniger, außer wenn er eben froher war.
-- Manche Leute würden eher ohne Häuser als ohne Bauen leben; Viktor lieber ohne dephlogistisirte Luft als ohne Luftschlösser: er mußte immer das Lotterieloos und die Aktie irgend eines Plans, in der Zukunft stehen haben und eine Frau war mei¬ stens die Maskopeischwester in diesem Großavantur¬ handel. Dasmal war er auf die Versöhnung Jen¬ ners und Agnola's erpicht. Er schloß so: sie ist auf beiden Seiten leicht -- Jenner wird jetzt immer Agnolas Gesellschaft suchen, obwohl bloß aus List, um in die künftige ihrer Hofdame Klotilde mit mehr Anstand zu kommen, die er jetzt im Stande der Ehe¬ losigkeit noch ohne Schaden nach seinem Gelübde lieben kann -- das wird ihn, da er weder einem
men; und ihr Stolz vertrat zugleich ſeiner Empfin¬ dung und Laune den Zugang. Ob er es wohl hun¬ dertmal zu ihr in ſeinem Innern ſagte: »quaͤle dich »nicht, ſtolze Seele, ich bin kein Guͤnſtling, ich will »dir nichts nehmen, am wenigſten deinen Stolz oder »fremde Liebe — o ich weis was es iſt, keine zu er¬ »langen:« ſo blieb er doch (nach ſeiner Meinung) kalt vor ihr und zog mit der aͤrgerlichen Ausſicht ab, daß ihm ſeine gute Kur die Wiederkehr abſchnei¬ de; denn die andern Kour-Viſiten waren doch keine freimuͤthigen Krankenviſiten. Vor der fata¬ len Kompas-Uhr erſchrak er taͤglich weniger, außer wenn er eben froher war.
— Manche Leute wuͤrden eher ohne Haͤuſer als ohne Bauen leben; Viktor lieber ohne dephlogiſtiſirte Luft als ohne Luftſchloͤſſer: er mußte immer das Lotterieloos und die Aktie irgend eines Plans, in der Zukunft ſtehen haben und eine Frau war mei¬ ſtens die Maskopeiſchweſter in dieſem Großavantur¬ handel. Dasmal war er auf die Verſoͤhnung Jen¬ ners und Agnola's erpicht. Er ſchloß ſo: ſie iſt auf beiden Seiten leicht — Jenner wird jetzt immer Agnolas Geſellſchaft ſuchen, obwohl bloß aus Liſt, um in die kuͤnftige ihrer Hofdame Klotilde mit mehr Anſtand zu kommen, die er jetzt im Stande der Ehe¬ loſigkeit noch ohne Schaden nach ſeinem Geluͤbde lieben kann — das wird ihn, da er weder einem
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men; und ihr Stolz vertrat zugleich ſeiner Empfin¬
dung und Laune den Zugang. Ob er es wohl hun¬
dertmal zu ihr in ſeinem Innern ſagte: »quaͤle dich
»nicht, ſtolze Seele, ich bin kein Guͤnſtling, ich will
»dir nichts nehmen, am wenigſten deinen Stolz oder
»fremde Liebe — o ich weis was es iſt, keine zu er¬
»langen:« ſo blieb er doch (nach ſeiner Meinung)
kalt vor ihr und zog mit der aͤrgerlichen Ausſicht
ab, daß ihm ſeine gute Kur die Wiederkehr abſchnei¬
de; denn die andern Kour-Viſiten waren doch
keine freimuͤthigen Krankenviſiten. Vor der fata¬
len Kompas-Uhr erſchrak er taͤglich weniger, außer
wenn er eben froher war.
— Manche Leute wuͤrden eher ohne Haͤuſer als
ohne Bauen leben; Viktor lieber ohne dephlogiſtiſirte
Luft als ohne Luftſchloͤſſer: er mußte immer das
Lotterieloos und die Aktie irgend eines Plans, in
der Zukunft ſtehen haben und eine Frau war mei¬
ſtens die Maskopeiſchweſter in dieſem Großavantur¬
handel. Dasmal war er auf die Verſoͤhnung Jen¬
ners und Agnola's erpicht. Er ſchloß ſo: ſie iſt
auf beiden Seiten leicht — Jenner wird jetzt immer
Agnolas Geſellſchaft ſuchen, obwohl bloß aus Liſt,
um in die kuͤnftige ihrer Hofdame Klotilde mit mehr
Anſtand zu kommen, die er jetzt im Stande der Ehe¬
loſigkeit noch ohne Schaden nach ſeinem Geluͤbde
lieben kann — das wird ihn, da er weder einem
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/146>, abgerufen am 23.11.2024.
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