boshafte Konduitenliste der Höfe in die Hände und daraus Widerwillen gegen die neue Charge bekommen könnte -- schleuderte er wie Paulus die Schlange sogleich -- aus seiner Seele hinaus: wehe dem Her¬ zen, das nicht aufrichtig ist gegen ein aufrichtiges, nicht groß gegen ein großes, und warm gegen ein warmes, da es schon alles dieses seyn müßte gegen eines, das es nicht wäre!
Uebrigens bedurft' er eines solchen Besuchs und eines solchen Gegenbesuchs täglich stärker; denn er war nicht glücklich: daran war ausser ihm schuld 1) der Fürst, 2) Flamin 3) neun tausend und sieben und dreyßig Personen. Der Fürst konnte nicht viel dafür; er goß das ganze Füllhorn seiner Liebe über den Medikus aus und nahm diesem alle Freiheit weg, die er anfangs so heilig zu bewahren willens gewesen. Viktor schüttelte den Kopf, so oft er sein Tagebuch oder Schiffsjournal der Lebensfarth (auf Geheiß seines Vaters) weiter schrieb und aus seiner Seekarte ersah, daß er ganz andere Meere und Gra¬ de der Länge und Breite passirt war als er oder sein Vater haben wollte: "inzwischen land' ich doch "richtig" sagt' er. --
Aber sein Flamin that seiner Seele weher, die überall zuviel Liebe suchte und gab. Er wollte dem Rathe mit der Nachricht des Avancements Klotil¬ dens eine Freude machen, die seiner eignen glich;
boshafte Konduitenliſte der Hoͤfe in die Haͤnde und daraus Widerwillen gegen die neue Charge bekommen koͤnnte — ſchleuderte er wie Paulus die Schlange ſogleich — aus ſeiner Seele hinaus: wehe dem Her¬ zen, das nicht aufrichtig iſt gegen ein aufrichtiges, nicht groß gegen ein großes, und warm gegen ein warmes, da es ſchon alles dieſes ſeyn muͤßte gegen eines, das es nicht waͤre!
Uebrigens bedurft' er eines ſolchen Beſuchs und eines ſolchen Gegenbeſuchs taͤglich ſtaͤrker; denn er war nicht gluͤcklich: daran war auſſer ihm ſchuld 1) der Fuͤrſt, 2) Flamin 3) neun tauſend und ſieben und dreyßig Perſonen. Der Fuͤrſt konnte nicht viel dafuͤr; er goß das ganze Fuͤllhorn ſeiner Liebe uͤber den Medikus aus und nahm dieſem alle Freiheit weg, die er anfangs ſo heilig zu bewahren willens geweſen. Viktor ſchuͤttelte den Kopf, ſo oft er ſein Tagebuch oder Schiffsjournal der Lebensfarth (auf Geheiß ſeines Vaters) weiter ſchrieb und aus ſeiner Seekarte erſah, daß er ganz andere Meere und Gra¬ de der Laͤnge und Breite paſſirt war als er oder ſein Vater haben wollte: »inzwiſchen land' ich doch »richtig» ſagt' er. —
Aber ſein Flamin that ſeiner Seele weher, die uͤberall zuviel Liebe ſuchte und gab. Er wollte dem Rathe mit der Nachricht des Avancements Klotil¬ dens eine Freude machen, die ſeiner eignen glich;
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boshafte Konduitenliſte der Hoͤfe in die Haͤnde und
daraus Widerwillen gegen die neue Charge bekommen
koͤnnte — ſchleuderte er wie Paulus die Schlange
ſogleich — aus ſeiner Seele hinaus: wehe dem Her¬
zen, das nicht aufrichtig iſt gegen ein aufrichtiges,
nicht groß gegen ein großes, und warm gegen ein
warmes, da es ſchon alles dieſes ſeyn muͤßte gegen
eines, das es nicht waͤre!
Uebrigens bedurft' er eines ſolchen Beſuchs und
eines ſolchen Gegenbeſuchs taͤglich ſtaͤrker; denn er
war nicht gluͤcklich: daran war auſſer ihm ſchuld 1)
der Fuͤrſt, 2) Flamin 3) neun tauſend und ſieben
und dreyßig Perſonen. Der Fuͤrſt konnte nicht viel
dafuͤr; er goß das ganze Fuͤllhorn ſeiner Liebe uͤber
den Medikus aus und nahm dieſem alle Freiheit
weg, die er anfangs ſo heilig zu bewahren willens
geweſen. Viktor ſchuͤttelte den Kopf, ſo oft er ſein
Tagebuch oder Schiffsjournal der Lebensfarth (auf
Geheiß ſeines Vaters) weiter ſchrieb und aus ſeiner
Seekarte erſah, daß er ganz andere Meere und Gra¬
de der Laͤnge und Breite paſſirt war als er oder
ſein Vater haben wollte: »inzwiſchen land' ich doch
»richtig» ſagt' er. —
Aber ſein Flamin that ſeiner Seele weher, die
uͤberall zuviel Liebe ſuchte und gab. Er wollte dem
Rathe mit der Nachricht des Avancements Klotil¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Zweites Heftlein. Berlin, 1795, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus02_1795/67>, abgerufen am 21.11.2024.
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