Kern der Entzückung ist, gleich dem Reichsapfel des deutschen Kaisers, der zwar 3 Mark und 3 Loth schwer aber innen mit Erde ausgefüllet ist. . . .
Beim Himmel! wir versalzen uns da alle mit Nachtgedanken den h. Abend ohne Noth und es weiß keiner von uns warum er so seufzet. -- Ich habe ja das ganze Pfingfest schon kopeilich vor mir und es steht kein einziges Unglück darin, es müßte denn Viktor noch einen vierten Pfingsttag als Nach¬ sommer anstoßen und in diesem müßte es etwas ab¬ setzen. -- Ich gesteh' es, ich bin gern ästhetischer frere terrible und setze der Welt, die in meine un¬ sichtbare Mutter-Loge sich hineinlieset, gern den Degen auf die Brust und dergleichen Streiche mehr -- das kömmt aber davon, weil man in der Jugend Werthers Leiden lieset und besitzt, von dem man wie ein Meßpriester, ein unblutiges Opfer veranstal¬ tet eh' man die Akademie bezieht. Ja wenn ich noch heute einen Romen verfaßte: so würd' ich -- da der blauröckige Werther an jedem jungen Amoroso und Autor einen Quasichristus hat, der am Karfrei¬ tage eine ähnliche Dornenkrone aufsetzt und an ein Kreutz steigt -- es auch wieder so machen. . . .
-- Aber es ist Zeit, daß ich mein Maienthal öfne und jeden einlasse. Ich will nur nicht länger verheimlichen, daß ich gesonnen bin, dieses ganze Paphos und Rittergut an den Lesern gar zu ver¬
schenken,
Kern der Entzuͤckung iſt, gleich dem Reichsapfel des deutſchen Kaiſers, der zwar 3 Mark und 3 Loth ſchwer aber innen mit Erde ausgefuͤllet iſt. . . .
Beim Himmel! wir verſalzen uns da alle mit Nachtgedanken den h. Abend ohne Noth und es weiß keiner von uns warum er ſo ſeufzet. — Ich habe ja das ganze Pfingfeſt ſchon kopeilich vor mir und es ſteht kein einziges Ungluͤck darin, es muͤßte denn Viktor noch einen vierten Pfingſttag als Nach¬ ſommer anſtoßen und in dieſem muͤßte es etwas ab¬ ſetzen. — Ich geſteh' es, ich bin gern aͤſthetiſcher frère terrible und ſetze der Welt, die in meine un¬ ſichtbare Mutter-Loge ſich hineinlieſet, gern den Degen auf die Bruſt und dergleichen Streiche mehr — das koͤmmt aber davon, weil man in der Jugend Werthers Leiden lieſet und beſitzt, von dem man wie ein Meßprieſter, ein unblutiges Opfer veranſtal¬ tet eh' man die Akademie bezieht. Ja wenn ich noch heute einen Romen verfaßte: ſo wuͤrd' ich — da der blauroͤckige Werther an jedem jungen Amoroſo und Autor einen Quaſichriſtus hat, der am Karfrei¬ tage eine aͤhnliche Dornenkrone aufſetzt und an ein Kreutz ſteigt — es auch wieder ſo machen. . . .
— Aber es iſt Zeit, daß ich mein Maienthal oͤfne und jeden einlaſſe. Ich will nur nicht laͤnger verheimlichen, daß ich geſonnen bin, dieſes ganze Paphos und Rittergut an den Leſern gar zu ver¬
ſchenken,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0122"n="112"/>
Kern der Entzuͤckung iſt, gleich dem Reichsapfel des<lb/>
deutſchen Kaiſers, der zwar 3 Mark und 3 Loth<lb/>ſchwer aber innen mit Erde ausgefuͤllet iſt. . . .</p><lb/><p>Beim Himmel! wir verſalzen uns da alle mit<lb/>
Nachtgedanken den h. Abend ohne Noth und es<lb/>
weiß keiner von uns warum er ſo ſeufzet. — Ich<lb/>
habe ja das ganze Pfingfeſt ſchon kopeilich vor mir<lb/>
und es ſteht kein einziges Ungluͤck darin, es muͤßte<lb/>
denn Viktor noch einen vierten Pfingſttag als Nach¬<lb/>ſommer anſtoßen und in dieſem muͤßte es etwas ab¬<lb/>ſetzen. — Ich geſteh' es, ich bin gern aͤſthetiſcher<lb/><hirendition="#aq">frère terrible</hi> und ſetze der Welt, die in meine un¬<lb/>ſichtbare Mutter-Loge ſich hineinlieſet, gern den<lb/>
Degen auf die Bruſt und dergleichen Streiche mehr<lb/>— das koͤmmt aber davon, weil man in der Jugend<lb/>
Werthers Leiden lieſet und beſitzt, von dem man<lb/>
wie ein Meßprieſter, ein unblutiges Opfer veranſtal¬<lb/>
tet eh' man die Akademie bezieht. Ja wenn ich noch<lb/>
heute einen Romen verfaßte: ſo wuͤrd' ich — da<lb/>
der blauroͤckige Werther an jedem jungen Amoroſo<lb/>
und Autor einen Quaſichriſtus hat, der am Karfrei¬<lb/>
tage eine aͤhnliche Dornenkrone aufſetzt und an ein<lb/>
Kreutz ſteigt — es auch wieder ſo machen. . . .</p><lb/><p>— Aber es iſt Zeit, daß ich mein Maienthal<lb/>
oͤfne und jeden einlaſſe. Ich will nur nicht laͤnger<lb/>
verheimlichen, daß ich geſonnen bin, dieſes ganze<lb/>
Paphos und Rittergut an den Leſern gar zu ver¬<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſchenken,<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[112/0122]
Kern der Entzuͤckung iſt, gleich dem Reichsapfel des
deutſchen Kaiſers, der zwar 3 Mark und 3 Loth
ſchwer aber innen mit Erde ausgefuͤllet iſt. . . .
Beim Himmel! wir verſalzen uns da alle mit
Nachtgedanken den h. Abend ohne Noth und es
weiß keiner von uns warum er ſo ſeufzet. — Ich
habe ja das ganze Pfingfeſt ſchon kopeilich vor mir
und es ſteht kein einziges Ungluͤck darin, es muͤßte
denn Viktor noch einen vierten Pfingſttag als Nach¬
ſommer anſtoßen und in dieſem muͤßte es etwas ab¬
ſetzen. — Ich geſteh' es, ich bin gern aͤſthetiſcher
frère terrible und ſetze der Welt, die in meine un¬
ſichtbare Mutter-Loge ſich hineinlieſet, gern den
Degen auf die Bruſt und dergleichen Streiche mehr
— das koͤmmt aber davon, weil man in der Jugend
Werthers Leiden lieſet und beſitzt, von dem man
wie ein Meßprieſter, ein unblutiges Opfer veranſtal¬
tet eh' man die Akademie bezieht. Ja wenn ich noch
heute einen Romen verfaßte: ſo wuͤrd' ich — da
der blauroͤckige Werther an jedem jungen Amoroſo
und Autor einen Quaſichriſtus hat, der am Karfrei¬
tage eine aͤhnliche Dornenkrone aufſetzt und an ein
Kreutz ſteigt — es auch wieder ſo machen. . . .
— Aber es iſt Zeit, daß ich mein Maienthal
oͤfne und jeden einlaſſe. Ich will nur nicht laͤnger
verheimlichen, daß ich geſonnen bin, dieſes ganze
Paphos und Rittergut an den Leſern gar zu ver¬
ſchenken,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/122>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.