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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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"möchte es wohl ausschütten vor dir." -- Und als
der ganze Park der Abtei sich stolz neben den Abend¬
himmel stellte und in ihre Herzen trat: sagte auf
einmal Emanuel -- der sich immer gleich blieb, so¬
gar in seinen Entzückungen: -- "ich will es der
Aebtissin schon heute sagen, damit unsere Klotilde
sich auf morgen freut" und er trennte sich. . . . .
Schöner Mensch! der du in vier Wochen aus diesem
Blumenfrühling zu gehen hofft in die Sterne über
dir -- du denkst mehr die Unsterblichkeit als den
Tod, dich hat keine drohende Rechtgläubigkeit son¬
dern die indische Blumen-Lehre erzogen, darum bist
du so seelig -- du bist ohne Zorn wie jeder Ster¬
bende und ohne Gier und ohne Angst -- in deiner
Seele, wie am Pole wenn jeden Morgen die schwüle
Sonne ausbleibt, geht der Mond der zweiten
Welt, den ganzen Tag, die ganze Nacht nicht
unter! --

Viktor führte jetzt allein den Blinden nach Haus
und beide schwiegen und umarmten sich mit Bruder-
Thränen hinter jeder Verhüllung und fragten einan¬
der weder um die Ursachen der Umarmung noch der
Thränen. -- Da sie durchs stille Dorf waren und
dem Park der Abtei vorbei kamen: sah Viktor seinen
Geliebten aus der letzten Laube in das blendende
Kloster treten. Es war ihm als kennte ihn schon
jede darin, als müßt' er sich verstecken. Der Gar¬

»moͤchte es wohl ausſchuͤtten vor dir.« — Und als
der ganze Park der Abtei ſich ſtolz neben den Abend¬
himmel ſtellte und in ihre Herzen trat: ſagte auf
einmal Emanuel — der ſich immer gleich blieb, ſo¬
gar in ſeinen Entzuͤckungen: — »ich will es der
Aebtiſſin ſchon heute ſagen, damit unſere Klotilde
ſich auf morgen freut« und er trennte ſich. . . . .
Schoͤner Menſch! der du in vier Wochen aus dieſem
Blumenfruͤhling zu gehen hofft in die Sterne uͤber
dir — du denkſt mehr die Unſterblichkeit als den
Tod, dich hat keine drohende Rechtglaͤubigkeit ſon¬
dern die indiſche Blumen-Lehre erzogen, darum biſt
du ſo ſeelig — du biſt ohne Zorn wie jeder Ster¬
bende und ohne Gier und ohne Angſt — in deiner
Seele, wie am Pole wenn jeden Morgen die ſchwuͤle
Sonne ausbleibt, geht der Mond der zweiten
Welt, den ganzen Tag, die ganze Nacht nicht
unter! —

Viktor fuͤhrte jetzt allein den Blinden nach Haus
und beide ſchwiegen und umarmten ſich mit Bruder-
Thraͤnen hinter jeder Verhuͤllung und fragten einan¬
der weder um die Urſachen der Umarmung noch der
Thraͤnen. — Da ſie durchs ſtille Dorf waren und
dem Park der Abtei vorbei kamen: ſah Viktor ſeinen
Geliebten aus der letzten Laube in das blendende
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[136/0146] »moͤchte es wohl ausſchuͤtten vor dir.« — Und als der ganze Park der Abtei ſich ſtolz neben den Abend¬ himmel ſtellte und in ihre Herzen trat: ſagte auf einmal Emanuel — der ſich immer gleich blieb, ſo¬ gar in ſeinen Entzuͤckungen: — »ich will es der Aebtiſſin ſchon heute ſagen, damit unſere Klotilde ſich auf morgen freut« und er trennte ſich. . . . . Schoͤner Menſch! der du in vier Wochen aus dieſem Blumenfruͤhling zu gehen hofft in die Sterne uͤber dir — du denkſt mehr die Unſterblichkeit als den Tod, dich hat keine drohende Rechtglaͤubigkeit ſon¬ dern die indiſche Blumen-Lehre erzogen, darum biſt du ſo ſeelig — du biſt ohne Zorn wie jeder Ster¬ bende und ohne Gier und ohne Angſt — in deiner Seele, wie am Pole wenn jeden Morgen die ſchwuͤle Sonne ausbleibt, geht der Mond der zweiten Welt, den ganzen Tag, die ganze Nacht nicht unter! — Viktor fuͤhrte jetzt allein den Blinden nach Haus und beide ſchwiegen und umarmten ſich mit Bruder- Thraͤnen hinter jeder Verhuͤllung und fragten einan¬ der weder um die Urſachen der Umarmung noch der Thraͤnen. — Da ſie durchs ſtille Dorf waren und dem Park der Abtei vorbei kamen: ſah Viktor ſeinen Geliebten aus der letzten Laube in das blendende Kloſter treten. Es war ihm als kennte ihn ſchon jede darin, als muͤßt' er ſich verſtecken. Der Gar¬

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/146>, abgerufen am 23.11.2024.