tragischen Dichter; sie sollten sich unter dem Lesen eines großen Jammers trösten und sagen: "wie lange "dauert ein solches gedrucktes Unglück? -- Wie bald "ist ein Buch und Leben hinaus -- Morgen denkst "du doch anders -- Der unglückliche Zustand, in "den ich durch Shakespear hier gebracht werde, "existirt ja nur in meiner Vorstellung und der "Schmerz darüber ist ja, nach den Stoikern, nur "Illusion -- Man muß, sagt Epiktet im Handbuch, "das nicht bejammern, was nicht in unserem Willen "liegt und hier die traurige Szene von Klopstock ist "ja ein äusseres Ding, das du nicht ändern kannst "-- Willst du dich von einem Nordamerikaner, "vom Halloren, vom Pöbel, vom Cretin aus Gex "beschämen lassen, der diese ganze Szene aus Göthe's "Tasso still und gelassen aushielte, ohne ein Auge "naß zu machen?" --
Ich betheur' es den Lesern, daß ich hier nur ge¬ gen ihre Weiber und Schwestern zu Felde liege: denn unter den Lesern fehlten standhafte Zuschauer ästhetischer Leiden niemals ganz und noch weniger als selber unter dem Pöbel und ich möchte am we¬ nigsten den Schein haben als stritt' ich dem größern Theile der Geschäftsleute, der Rezensenten, Krimina¬ listen, und Holländer große Gelassenheit unter dem Lesen überflorter trüber Szenen ab, die ich und an¬ dere in die Presse geben. Ich berede mich vielmehr
tragiſchen Dichter; ſie ſollten ſich unter dem Leſen eines großen Jammers troͤſten und ſagen: »wie lange »dauert ein ſolches gedrucktes Ungluͤck? — Wie bald »iſt ein Buch und Leben hinaus — Morgen denkſt »du doch anders — Der ungluͤckliche Zuſtand, in »den ich durch Shakeſpear hier gebracht werde, »exiſtirt ja nur in meiner Vorſtellung und der »Schmerz daruͤber iſt ja, nach den Stoikern, nur »Illuſion — Man muß, ſagt Epiktet im Handbuch, »das nicht bejammern, was nicht in unſerem Willen »liegt und hier die traurige Szene von Klopſtock iſt »ja ein aͤuſſeres Ding, das du nicht aͤndern kannſt »— Willſt du dich von einem Nordamerikaner, »vom Halloren, vom Poͤbel, vom Cretin aus Gex »beſchaͤmen laſſen, der dieſe ganze Szene aus Goͤthe's »Taſſo ſtill und gelaſſen aushielte, ohne ein Auge »naß zu machen?« —
Ich betheur' es den Leſern, daß ich hier nur ge¬ gen ihre Weiber und Schweſtern zu Felde liege: denn unter den Leſern fehlten ſtandhafte Zuſchauer aͤſthetiſcher Leiden niemals ganz und noch weniger als ſelber unter dem Poͤbel und ich moͤchte am we¬ nigſten den Schein haben als ſtritt' ich dem groͤßern Theile der Geſchaͤftsleute, der Rezenſenten, Krimina¬ liſten, und Hollaͤnder große Gelaſſenheit unter dem Leſen uͤberflorter truͤber Szenen ab, die ich und an¬ dere in die Preſſe geben. Ich berede mich vielmehr
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0018"n="8"/>
tragiſchen Dichter; ſie ſollten ſich unter dem Leſen<lb/>
eines großen Jammers troͤſten und ſagen: »wie lange<lb/>
»dauert ein ſolches gedrucktes Ungluͤck? — Wie bald<lb/>
»iſt ein Buch und Leben hinaus — Morgen denkſt<lb/>
»du doch anders — Der ungluͤckliche Zuſtand, in<lb/>
»den ich durch Shakeſpear hier gebracht werde,<lb/>
»exiſtirt ja nur in meiner Vorſtellung und der<lb/>
»Schmerz daruͤber iſt ja, nach den Stoikern, nur<lb/>
»Illuſion — Man muß, ſagt Epiktet im Handbuch,<lb/>
»das nicht bejammern, was nicht in unſerem Willen<lb/>
»liegt und hier die traurige Szene von Klopſtock iſt<lb/>
»ja ein aͤuſſeres Ding, das du nicht aͤndern kannſt<lb/>
»— Willſt du dich von einem Nordamerikaner,<lb/>
»vom Halloren, vom Poͤbel, vom Cretin aus Gex<lb/>
»beſchaͤmen laſſen, der dieſe ganze Szene aus Goͤthe's<lb/>
»Taſſo ſtill und gelaſſen aushielte, ohne ein Auge<lb/>
»naß zu machen?« —</p><lb/><p>Ich betheur' es den Leſern, daß ich hier nur ge¬<lb/>
gen ihre Weiber und Schweſtern zu Felde liege:<lb/>
denn unter den Leſern fehlten ſtandhafte Zuſchauer<lb/>
aͤſthetiſcher Leiden niemals ganz und noch weniger<lb/>
als ſelber unter dem Poͤbel und ich moͤchte am we¬<lb/>
nigſten den Schein haben als ſtritt' ich dem groͤßern<lb/>
Theile der Geſchaͤftsleute, der Rezenſenten, Krimina¬<lb/>
liſten, und Hollaͤnder große Gelaſſenheit unter dem<lb/>
Leſen uͤberflorter truͤber Szenen ab, die ich und an¬<lb/>
dere in die Preſſe geben. Ich berede mich vielmehr<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[8/0018]
tragiſchen Dichter; ſie ſollten ſich unter dem Leſen
eines großen Jammers troͤſten und ſagen: »wie lange
»dauert ein ſolches gedrucktes Ungluͤck? — Wie bald
»iſt ein Buch und Leben hinaus — Morgen denkſt
»du doch anders — Der ungluͤckliche Zuſtand, in
»den ich durch Shakeſpear hier gebracht werde,
»exiſtirt ja nur in meiner Vorſtellung und der
»Schmerz daruͤber iſt ja, nach den Stoikern, nur
»Illuſion — Man muß, ſagt Epiktet im Handbuch,
»das nicht bejammern, was nicht in unſerem Willen
»liegt und hier die traurige Szene von Klopſtock iſt
»ja ein aͤuſſeres Ding, das du nicht aͤndern kannſt
»— Willſt du dich von einem Nordamerikaner,
»vom Halloren, vom Poͤbel, vom Cretin aus Gex
»beſchaͤmen laſſen, der dieſe ganze Szene aus Goͤthe's
»Taſſo ſtill und gelaſſen aushielte, ohne ein Auge
»naß zu machen?« —
Ich betheur' es den Leſern, daß ich hier nur ge¬
gen ihre Weiber und Schweſtern zu Felde liege:
denn unter den Leſern fehlten ſtandhafte Zuſchauer
aͤſthetiſcher Leiden niemals ganz und noch weniger
als ſelber unter dem Poͤbel und ich moͤchte am we¬
nigſten den Schein haben als ſtritt' ich dem groͤßern
Theile der Geſchaͤftsleute, der Rezenſenten, Krimina¬
liſten, und Hollaͤnder große Gelaſſenheit unter dem
Leſen uͤberflorter truͤber Szenen ab, die ich und an¬
dere in die Preſſe geben. Ich berede mich vielmehr
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/18>, abgerufen am 03.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.