physische Blumen wie poetische, und ihm war im December ein Blumenbuch eine gewiegte Blumenau und ein Nelkenblätterkatalog war für ihn die Hülse und Chrysalide des Sommers. Er führte seine Ge¬ liebten auf der blumigen Region des Berges durch die unschuldigen Blumen hindurch, die wie gute Mädgen weder Sonne noch Erdreich zum eignen Le¬ ben dem fremden nehmen -- vor der Goldquaste der Tulpe vorbei -- vor den Miniaturfarben des Ver¬ gißmeinnicht -- vor den bunten Glocken, die auch wie die lauten in den Gieslöchern der Erde gegos¬ sen werden -- vor den Ohrrosen des Augusts, näm¬ lich den Rosen -- vor dem Kato, der nicht der lu¬ stige Engländer sondern eine ungeflammte Aurikel ist, die bei H. Klefeker in Hamburg zu haben -- vor der geliebten Agathe, die an die andere in St. Lüne erinnerte und die eine schöne Schlüsselblume ist. ..
Endlich kamen sie an die Adendlaube und an Da¬ hore's Blumen, nämlich an schneeweisse Hyazinthen in deren Verschattung die durchstrahlte Abendfontai¬ ne eine bleiche Röthe tuschte. O wie schön, wie schön wehte da die Wärme der Abendsonne herüber und die Kühle des Abendwindes! -- Aber warum sinket, Klotilde, dein Auge und dein Haupt hier so traurig gegen die Blumen zu? Ist's, weil die Fon¬ taine erlischt, weil die Sonne untergeht? -- Nein, sondern weil die weissen Hyazinthen in der Blumi¬
phyſiſche Blumen wie poetiſche, und ihm war im December ein Blumenbuch eine gewiegte Blumenau und ein Nelkenblaͤtterkatalog war fuͤr ihn die Huͤlſe und Chryſalide des Sommers. Er fuͤhrte ſeine Ge¬ liebten auf der blumigen Region des Berges durch die unſchuldigen Blumen hindurch‚ die wie gute Maͤdgen weder Sonne noch Erdreich zum eignen Le¬ ben dem fremden nehmen — vor der Goldquaſte der Tulpe vorbei — vor den Miniaturfarben des Ver¬ gißmeinnicht — vor den bunten Glocken‚ die auch wie die lauten in den Giesloͤchern der Erde gegoſ¬ ſen werden — vor den Ohrroſen des Auguſts, naͤm¬ lich den Roſen — vor dem Kato, der nicht der lu¬ ſtige Englaͤnder ſondern eine ungeflammte Aurikel iſt, die bei H. Klefeker in Hamburg zu haben — vor der geliebten Agathe, die an die andere in St. Luͤne erinnerte und die eine ſchoͤne Schluͤſſelblume iſt. ..
Endlich kamen ſie an die Adendlaube und an Da¬ hore's Blumen, naͤmlich an ſchneeweiſſe Hyazinthen in deren Verſchattung die durchſtrahlte Abendfontai¬ ne eine bleiche Roͤthe tuſchte. O wie ſchoͤn, wie ſchoͤn wehte da die Waͤrme der Abendſonne heruͤber und die Kuͤhle des Abendwindes! — Aber warum ſinket, Klotilde, dein Auge und dein Haupt hier ſo traurig gegen die Blumen zu? Iſt's, weil die Fon¬ taine erliſcht, weil die Sonne untergeht? — Nein, ſondern weil die weiſſen Hyazinthen in der Blumi¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0190"n="180"/>
phyſiſche Blumen wie poetiſche, und ihm war im<lb/>
December ein Blumenbuch eine gewiegte Blumenau<lb/>
und ein Nelkenblaͤtterkatalog war fuͤr ihn die Huͤlſe<lb/>
und Chryſalide des Sommers. Er fuͤhrte ſeine Ge¬<lb/>
liebten auf der blumigen Region des Berges durch<lb/>
die unſchuldigen Blumen hindurch‚ die wie gute<lb/>
Maͤdgen weder Sonne noch Erdreich zum eignen Le¬<lb/>
ben dem fremden nehmen — vor der Goldquaſte der<lb/>
Tulpe vorbei — vor den Miniaturfarben des Ver¬<lb/>
gißmeinnicht — vor den bunten Glocken‚ die auch<lb/>
wie die <hirendition="#g">lauten</hi> in den Giesloͤchern der Erde gegoſ¬<lb/>ſen werden — vor den Ohrroſen des Auguſts, naͤm¬<lb/>
lich den Roſen — vor dem Kato, der nicht der lu¬<lb/>ſtige Englaͤnder ſondern eine ungeflammte Aurikel iſt,<lb/>
die bei H. Klefeker in Hamburg zu haben — vor<lb/>
der geliebten Agathe, die an die andere in St. Luͤne<lb/>
erinnerte und die eine ſchoͤne Schluͤſſelblume iſt. ..</p><lb/><p>Endlich kamen ſie an die Adendlaube und an Da¬<lb/>
hore's Blumen, naͤmlich an ſchneeweiſſe Hyazinthen<lb/>
in deren Verſchattung die durchſtrahlte Abendfontai¬<lb/>
ne eine bleiche Roͤthe tuſchte. O wie ſchoͤn, wie<lb/>ſchoͤn wehte da die Waͤrme der Abendſonne heruͤber<lb/>
und die Kuͤhle des Abendwindes! — Aber warum<lb/>ſinket, Klotilde, dein Auge und dein Haupt hier ſo<lb/>
traurig gegen die Blumen zu? Iſt's, weil die Fon¬<lb/>
taine erliſcht, weil die Sonne untergeht? — Nein,<lb/>ſondern weil die weiſſen Hyazinthen in der Blumi¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[180/0190]
phyſiſche Blumen wie poetiſche, und ihm war im
December ein Blumenbuch eine gewiegte Blumenau
und ein Nelkenblaͤtterkatalog war fuͤr ihn die Huͤlſe
und Chryſalide des Sommers. Er fuͤhrte ſeine Ge¬
liebten auf der blumigen Region des Berges durch
die unſchuldigen Blumen hindurch‚ die wie gute
Maͤdgen weder Sonne noch Erdreich zum eignen Le¬
ben dem fremden nehmen — vor der Goldquaſte der
Tulpe vorbei — vor den Miniaturfarben des Ver¬
gißmeinnicht — vor den bunten Glocken‚ die auch
wie die lauten in den Giesloͤchern der Erde gegoſ¬
ſen werden — vor den Ohrroſen des Auguſts, naͤm¬
lich den Roſen — vor dem Kato, der nicht der lu¬
ſtige Englaͤnder ſondern eine ungeflammte Aurikel iſt,
die bei H. Klefeker in Hamburg zu haben — vor
der geliebten Agathe, die an die andere in St. Luͤne
erinnerte und die eine ſchoͤne Schluͤſſelblume iſt. ..
Endlich kamen ſie an die Adendlaube und an Da¬
hore's Blumen, naͤmlich an ſchneeweiſſe Hyazinthen
in deren Verſchattung die durchſtrahlte Abendfontai¬
ne eine bleiche Roͤthe tuſchte. O wie ſchoͤn, wie
ſchoͤn wehte da die Waͤrme der Abendſonne heruͤber
und die Kuͤhle des Abendwindes! — Aber warum
ſinket, Klotilde, dein Auge und dein Haupt hier ſo
traurig gegen die Blumen zu? Iſt's, weil die Fon¬
taine erliſcht, weil die Sonne untergeht? — Nein,
ſondern weil die weiſſen Hyazinthen in der Blumi¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/190>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.