Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite

Dem letzten Geliebten entsunken schwankte Viktor
im gemischten Zwielicht der wehmüthigen Begeiste¬
rung zurück durch die vom Mondlicht durchbrochne
gleichsam von Stralen tropfende Allee, um in der
Blütenhöle, wo er zuerst Klotilde hier gefunden, das
träumende Haupt an ein Kopfkissen von Blütenkel¬
chen anzulehnen. . . . Und als er langsam und allein
und mit elysischen Erinnerungen und Hofnungen
durch den in die Allee gewachsenen Laubengang zwi¬
schen den einwiegenden Bächen hinwankte: so schwam¬
men noch niedrige Wogen des weggetragnen Getönes
in die Phantasie mehr als in die Ohren und nur die
Nachtigal regierte laut über die beseelte Nacht. O!
da sank unnenbar beglückt und wonneschwer der letzte
Mensch dieser Nacht von den fünf Stufen seines
himmlischen Bettes durch die Zweig-Vergitterung
in das dunkle Blüten-Souterrain hinein -- -- Be¬
thauete Sprossen fielen kühlend an seine entzündete
Stirne, er legte die zwei Arme ausgestreckt auf zwei
Armlehnen von Zwergbäumen und schloß entzückt die
heissen Augenlieder zu und das Forttönen der Nach¬
tigal und der fünf Quellen um ihn wehten ihn ei¬
nige Strecken weit in den dämmernden Wahnsinn
des Traumes hinüber -- -- aber die in Freuden Jubel
hinausschreiende Nachtigal schlug durch seinen Traum
und als er die Augen, in halbe Träume verschlagen,
aufthat, schoß der Blitz des Mondes durch das weisse

Hesperus. III. Th. N

Dem letzten Geliebten entſunken ſchwankte Viktor
im gemiſchten Zwielicht der wehmuͤthigen Begeiſte¬
rung zuruͤck durch die vom Mondlicht durchbrochne
gleichſam von Stralen tropfende Allee, um in der
Bluͤtenhoͤle, wo er zuerſt Klotilde hier gefunden, das
traͤumende Haupt an ein Kopfkiſſen von Bluͤtenkel¬
chen anzulehnen. . . . Und als er langſam und allein
und mit elyſiſchen Erinnerungen und Hofnungen
durch den in die Allee gewachſenen Laubengang zwi¬
ſchen den einwiegenden Baͤchen hinwankte: ſo ſchwam¬
men noch niedrige Wogen des weggetragnen Getoͤnes
in die Phantaſie mehr als in die Ohren und nur die
Nachtigal regierte laut uͤber die beſeelte Nacht. O!
da ſank unnenbar begluͤckt und wonneſchwer der letzte
Menſch dieſer Nacht von den fuͤnf Stufen ſeines
himmliſchen Bettes durch die Zweig–Vergitterung
in das dunkle Bluͤten–Souterrain hinein — — Be¬
thauete Sproſſen fielen kuͤhlend an ſeine entzuͤndete
Stirne, er legte die zwei Arme ausgeſtreckt auf zwei
Armlehnen von Zwergbaͤumen und ſchloß entzuͤckt die
heiſſen Augenlieder zu und das Forttoͤnen der Nach¬
tigal und der fuͤnf Quellen um ihn wehten ihn ei¬
nige Strecken weit in den daͤmmernden Wahnſinn
des Traumes hinuͤber — — aber die in Freuden Jubel
hinausſchreiende Nachtigal ſchlug durch ſeinen Traum
und als er die Augen, in halbe Traͤume verſchlagen,
aufthat, ſchoß der Blitz des Mondes durch das weiſſe

Heſperus. III. Th. N
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0203" n="193"/>
          <p>Dem letzten Geliebten ent&#x017F;unken &#x017F;chwankte Viktor<lb/>
im gemi&#x017F;chten Zwielicht der wehmu&#x0364;thigen Begei&#x017F;te¬<lb/>
rung zuru&#x0364;ck durch die vom Mondlicht durchbrochne<lb/>
gleich&#x017F;am von Stralen tropfende Allee, um in der<lb/>
Blu&#x0364;tenho&#x0364;le, wo er zuer&#x017F;t Klotilde hier gefunden, das<lb/>
tra&#x0364;umende Haupt an ein Kopfki&#x017F;&#x017F;en von Blu&#x0364;tenkel¬<lb/>
chen anzulehnen. . . . Und als er lang&#x017F;am und allein<lb/>
und mit ely&#x017F;i&#x017F;chen Erinnerungen und Hofnungen<lb/>
durch den in die Allee gewach&#x017F;enen Laubengang zwi¬<lb/>
&#x017F;chen den einwiegenden Ba&#x0364;chen hinwankte: &#x017F;o &#x017F;chwam¬<lb/>
men noch niedrige Wogen des weggetragnen Geto&#x0364;nes<lb/>
in die Phanta&#x017F;ie mehr als in die Ohren und nur die<lb/>
Nachtigal regierte laut u&#x0364;ber die be&#x017F;eelte Nacht. O!<lb/>
da &#x017F;ank unnenbar beglu&#x0364;ckt und wonne&#x017F;chwer der letzte<lb/>
Men&#x017F;ch die&#x017F;er Nacht von den fu&#x0364;nf Stufen &#x017F;eines<lb/>
himmli&#x017F;chen Bettes durch die Zweig&#x2013;Vergitterung<lb/>
in das dunkle Blu&#x0364;ten&#x2013;Souterrain hinein &#x2014; &#x2014; Be¬<lb/>
thauete Spro&#x017F;&#x017F;en fielen ku&#x0364;hlend an &#x017F;eine entzu&#x0364;ndete<lb/>
Stirne, er legte die zwei Arme ausge&#x017F;treckt auf zwei<lb/>
Armlehnen von Zwergba&#x0364;umen und &#x017F;chloß entzu&#x0364;ckt die<lb/>
hei&#x017F;&#x017F;en Augenlieder zu und das Fortto&#x0364;nen der Nach¬<lb/>
tigal und der fu&#x0364;nf Quellen um ihn wehten ihn ei¬<lb/>
nige Strecken weit in den da&#x0364;mmernden Wahn&#x017F;inn<lb/>
des Traumes hinu&#x0364;ber &#x2014; &#x2014; aber die in Freuden Jubel<lb/>
hinaus&#x017F;chreiende Nachtigal &#x017F;chlug durch &#x017F;einen Traum<lb/>
und als er die Augen, in halbe Tra&#x0364;ume ver&#x017F;chlagen,<lb/>
aufthat, &#x017F;choß der Blitz des Mondes durch das wei&#x017F;&#x017F;e<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">He&#x017F;perus. <hi rendition="#aq">III</hi>. Th. N<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[193/0203] Dem letzten Geliebten entſunken ſchwankte Viktor im gemiſchten Zwielicht der wehmuͤthigen Begeiſte¬ rung zuruͤck durch die vom Mondlicht durchbrochne gleichſam von Stralen tropfende Allee, um in der Bluͤtenhoͤle, wo er zuerſt Klotilde hier gefunden, das traͤumende Haupt an ein Kopfkiſſen von Bluͤtenkel¬ chen anzulehnen. . . . Und als er langſam und allein und mit elyſiſchen Erinnerungen und Hofnungen durch den in die Allee gewachſenen Laubengang zwi¬ ſchen den einwiegenden Baͤchen hinwankte: ſo ſchwam¬ men noch niedrige Wogen des weggetragnen Getoͤnes in die Phantaſie mehr als in die Ohren und nur die Nachtigal regierte laut uͤber die beſeelte Nacht. O! da ſank unnenbar begluͤckt und wonneſchwer der letzte Menſch dieſer Nacht von den fuͤnf Stufen ſeines himmliſchen Bettes durch die Zweig–Vergitterung in das dunkle Bluͤten–Souterrain hinein — — Be¬ thauete Sproſſen fielen kuͤhlend an ſeine entzuͤndete Stirne, er legte die zwei Arme ausgeſtreckt auf zwei Armlehnen von Zwergbaͤumen und ſchloß entzuͤckt die heiſſen Augenlieder zu und das Forttoͤnen der Nach¬ tigal und der fuͤnf Quellen um ihn wehten ihn ei¬ nige Strecken weit in den daͤmmernden Wahnſinn des Traumes hinuͤber — — aber die in Freuden Jubel hinausſchreiende Nachtigal ſchlug durch ſeinen Traum und als er die Augen, in halbe Traͤume verſchlagen, aufthat, ſchoß der Blitz des Mondes durch das weiſſe Heſperus. III. Th. N

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/203
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/203>, abgerufen am 27.11.2024.