Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

Bild:
<< vorherige Seite
4. und letzter Pfingsttag. 36. Hundsposttag.

Hyazinthe -- Die Stimme vom Vater Emanuels -- Brief vom
Engel -- Flöte auf dem Grab -- Zweite Nachtigal -- Ab¬
schied -- Pistolen -- Geistererscheinung.


Eben ist der Anhang zum vierten Freudentage einge¬
laufen. -- Ich komme nach dem Seufzer, womit
man gewöhnlich am Tage nach den Festtagen sagt,
daß man sie begrabe, wieder vor das blühende Bette
meines Freundes und öfne den grünenden Vorhang;
gegen neun Uhr erst zog ihn eine nah' an seinen
Händen schlagende Grasmücke mühsam aus einem
tiefen Traummeer. Aber die Schattenfiguren, die
der Hohlspiegel des Traums in der Luft aufgerichtet
hatte, waren alle vergessen; nur die Thränen, die
sie ihm ausgepresset, standen noch in seinen Augen
und er entsann sich nicht mehr, warum er sie vergos¬
sen hatte. Es war hente Quatember, der wie an¬
dere Wetter- und Mondsveränderungen unser Traum-
Echo lauter und vielsylbiger macht. -- In einer son¬
derbaren Erweichung schlug er die Augen auf vor
der weissen Dämmerung des Apfelblüten Ueberhangs,
vor dem Wirwar des grünen Gespinstes -- seine
Hand jagte die Grasmücke durch das Gebüsch --

N2
4. und letzter Pfingſttag. 36. Hundspoſttag.

Hyazinthe — Die Stimme vom Vater Emanuels — Brief vom
Engel — Flöte auf dem Grab — Zweite Nachtigal — Ab¬
ſchied — Piſtolen — Geiſtererſcheinung.


Eben iſt der Anhang zum vierten Freudentage einge¬
laufen. — Ich komme nach dem Seufzer, womit
man gewoͤhnlich am Tage nach den Feſttagen ſagt,
daß man ſie begrabe, wieder vor das bluͤhende Bette
meines Freundes und oͤfne den gruͤnenden Vorhang;
gegen neun Uhr erſt zog ihn eine nah' an ſeinen
Haͤnden ſchlagende Grasmuͤcke muͤhſam aus einem
tiefen Traummeer. Aber die Schattenfiguren, die
der Hohlſpiegel des Traums in der Luft aufgerichtet
hatte, waren alle vergeſſen; nur die Thraͤnen, die
ſie ihm ausgepreſſet, ſtanden noch in ſeinen Augen
und er entſann ſich nicht mehr, warum er ſie vergoſ¬
ſen hatte. Es war hente Quatember, der wie an¬
dere Wetter- und Mondsveraͤnderungen unſer Traum-
Echo lauter und vielſylbiger macht. — In einer ſon¬
derbaren Erweichung ſchlug er die Augen auf vor
der weiſſen Daͤmmerung des Apfelbluͤten Ueberhangs,
vor dem Wirwar des gruͤnen Geſpinſtes — ſeine
Hand jagte die Grasmuͤcke durch das Gebuͤſch —

N2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0205" n="195"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">4. und letzter Pfing&#x017F;ttag. 36. Hundspo&#x017F;ttag.</hi><lb/>
          </head>
          <argument>
            <p rendition="#c">Hyazinthe &#x2014; Die Stimme vom Vater Emanuels &#x2014; Brief vom<lb/>
Engel &#x2014; Flöte auf dem Grab &#x2014; Zweite Nachtigal &#x2014; Ab¬<lb/>
&#x017F;chied &#x2014; Pi&#x017F;tolen &#x2014; Gei&#x017F;terer&#x017F;cheinung.</p>
          </argument><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <p><hi rendition="#in">E</hi>ben i&#x017F;t der Anhang zum vierten Freudentage einge¬<lb/>
laufen. &#x2014; Ich komme nach dem Seufzer, womit<lb/>
man gewo&#x0364;hnlich am Tage nach den Fe&#x017F;ttagen &#x017F;agt,<lb/>
daß man &#x017F;ie begrabe, wieder vor das blu&#x0364;hende Bette<lb/>
meines Freundes und o&#x0364;fne den gru&#x0364;nenden Vorhang;<lb/>
gegen neun Uhr er&#x017F;t zog ihn eine nah' an &#x017F;einen<lb/>
Ha&#x0364;nden &#x017F;chlagende Grasmu&#x0364;cke mu&#x0364;h&#x017F;am aus einem<lb/>
tiefen Traummeer. Aber die Schattenfiguren, die<lb/>
der Hohl&#x017F;piegel des Traums in der Luft aufgerichtet<lb/>
hatte, waren alle verge&#x017F;&#x017F;en; nur die Thra&#x0364;nen, die<lb/>
&#x017F;ie ihm ausgepre&#x017F;&#x017F;et, &#x017F;tanden noch in &#x017F;einen Augen<lb/>
und er ent&#x017F;ann &#x017F;ich nicht mehr, warum er &#x017F;ie vergo&#x017F;¬<lb/>
&#x017F;en hatte. Es war hente Quatember, der wie an¬<lb/>
dere Wetter- und Mondsvera&#x0364;nderungen un&#x017F;er Traum-<lb/>
Echo lauter und viel&#x017F;ylbiger macht. &#x2014; In einer &#x017F;on¬<lb/>
derbaren Erweichung &#x017F;chlug er die Augen auf vor<lb/>
der wei&#x017F;&#x017F;en Da&#x0364;mmerung des Apfelblu&#x0364;ten Ueberhangs,<lb/>
vor dem Wirwar des gru&#x0364;nen Ge&#x017F;pin&#x017F;tes &#x2014; &#x017F;eine<lb/>
Hand jagte die Grasmu&#x0364;cke durch das Gebu&#x0364;&#x017F;ch &#x2014;<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">N2<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[195/0205] 4. und letzter Pfingſttag. 36. Hundspoſttag. Hyazinthe — Die Stimme vom Vater Emanuels — Brief vom Engel — Flöte auf dem Grab — Zweite Nachtigal — Ab¬ ſchied — Piſtolen — Geiſtererſcheinung. Eben iſt der Anhang zum vierten Freudentage einge¬ laufen. — Ich komme nach dem Seufzer, womit man gewoͤhnlich am Tage nach den Feſttagen ſagt, daß man ſie begrabe, wieder vor das bluͤhende Bette meines Freundes und oͤfne den gruͤnenden Vorhang; gegen neun Uhr erſt zog ihn eine nah' an ſeinen Haͤnden ſchlagende Grasmuͤcke muͤhſam aus einem tiefen Traummeer. Aber die Schattenfiguren, die der Hohlſpiegel des Traums in der Luft aufgerichtet hatte, waren alle vergeſſen; nur die Thraͤnen, die ſie ihm ausgepreſſet, ſtanden noch in ſeinen Augen und er entſann ſich nicht mehr, warum er ſie vergoſ¬ ſen hatte. Es war hente Quatember, der wie an¬ dere Wetter- und Mondsveraͤnderungen unſer Traum- Echo lauter und vielſylbiger macht. — In einer ſon¬ derbaren Erweichung ſchlug er die Augen auf vor der weiſſen Daͤmmerung des Apfelbluͤten Ueberhangs, vor dem Wirwar des gruͤnen Geſpinſtes — ſeine Hand jagte die Grasmuͤcke durch das Gebuͤſch — N2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/205
Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/205>, abgerufen am 27.11.2024.