Freilich ist durch diese unbekannte Kraft weder die Entstehung noch die Folge der Ideen vermittelt und erklärt; aber bei der bekannten der Materie, bei der Bewegungskraft, ist's nicht bloß unbegreiflich sondern gar unmöglich; und Leibniz kann leichter die Bewegung aus fremden dunkeln Vorstellungen erklä¬ ren als der Materialist Vorstellungen aus Bewegun¬ gen. Dort ist die Bewegung nur Schein und existirt nur im zweiten betrachtenden Wesen, aber hier wäre die Vorstellung Schein und existirte im zweiten -- vorstellenden Wesen.
Ich habe oft mit Weltleuten, die gut beobachten und elend schließen, mich gezankt, weil sie bei der kleinsten Abhängigkeit der Seele vom Körper -- z. B. im Alter, Trunke etc. -- die eine zum bloßen Re¬ petirwerk des andern machten; ja ich habe sogar ge¬ sagt, kein Tanzmeister sey so dumm daß er so schlös¬ se: "weil ich in bleiernen Schuhen plump, in höl¬ "zernen flinker, und in seidnen am besten tanze: so "seh' ich wohl, daß die Schuhe mich mit besondern "Springfedern aufschnellen; und da ich kaum mit "bleiernen Schuhen aufkann, so brächt' ich's barfuß "nicht zu einem einzigen Pas." Die Seele ist der Tanzmeister, der Körper der Schuh.
Wir fassen keine Einwirkung weder von Körpern auf Körper, noch von Monaden auf Monaden; mit¬ hin eine von Organen auf das Ich noch minder.
Freilich iſt durch dieſe unbekannte Kraft weder die Entſtehung noch die Folge der Ideen vermittelt und erklaͤrt; aber bei der bekannten der Materie, bei der Bewegungskraft, iſt's nicht bloß unbegreiflich ſondern gar unmoͤglich; und Leibniz kann leichter die Bewegung aus fremden dunkeln Vorſtellungen erklaͤ¬ ren als der Materialiſt Vorſtellungen aus Bewegun¬ gen. Dort iſt die Bewegung nur Schein und exiſtirt nur im zweiten betrachtenden Weſen, aber hier waͤre die Vorſtellung Schein und exiſtirte im zweiten — vorſtellenden Weſen.
Ich habe oft mit Weltleuten, die gut beobachten und elend ſchließen, mich gezankt, weil ſie bei der kleinſten Abhaͤngigkeit der Seele vom Koͤrper — z. B. im Alter, Trunke ꝛc. — die eine zum bloßen Re¬ petirwerk des andern machten; ja ich habe ſogar ge¬ ſagt, kein Tanzmeiſter ſey ſo dumm daß er ſo ſchloͤſ¬ ſe: »weil ich in bleiernen Schuhen plump, in hoͤl¬ »zernen flinker, und in ſeidnen am beſten tanze: ſo »ſeh’ ich wohl, daß die Schuhe mich mit beſondern »Springfedern aufſchnellen; und da ich kaum mit »bleiernen Schuhen aufkann, ſo braͤcht' ich's barfuß »nicht zu einem einzigen Pas.« Die Seele iſt der Tanzmeiſter, der Koͤrper der Schuh.
Wir faſſen keine Einwirkung weder von Koͤrpern auf Koͤrper, noch von Monaden auf Monaden; mit¬ hin eine von Organen auf das Ich noch minder.
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Freilich iſt durch dieſe unbekannte Kraft weder die
Entſtehung noch die Folge der Ideen vermittelt
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ſondern gar unmoͤglich; und Leibniz kann leichter die
Bewegung aus fremden dunkeln Vorſtellungen erklaͤ¬
ren als der Materialiſt Vorſtellungen aus Bewegun¬
gen. Dort iſt die Bewegung nur Schein und
exiſtirt nur im zweiten betrachtenden Weſen, aber
hier waͤre die Vorſtellung Schein und exiſtirte im
zweiten — vorſtellenden Weſen.
Ich habe oft mit Weltleuten, die gut beobachten
und elend ſchließen, mich gezankt, weil ſie bei der
kleinſten Abhaͤngigkeit der Seele vom Koͤrper — z.
B. im Alter, Trunke ꝛc. — die eine zum bloßen Re¬
petirwerk des andern machten; ja ich habe ſogar ge¬
ſagt, kein Tanzmeiſter ſey ſo dumm daß er ſo ſchloͤſ¬
ſe: »weil ich in bleiernen Schuhen plump, in hoͤl¬
»zernen flinker, und in ſeidnen am beſten tanze: ſo
»ſeh’ ich wohl, daß die Schuhe mich mit beſondern
»Springfedern aufſchnellen; und da ich kaum mit
»bleiernen Schuhen aufkann, ſo braͤcht' ich's barfuß
»nicht zu einem einzigen Pas.« Die Seele iſt der
Tanzmeiſter, der Koͤrper der Schuh.
Wir faſſen keine Einwirkung weder von Koͤrpern
auf Koͤrper, noch von Monaden auf Monaden; mit¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/242>, abgerufen am 23.11.2024.
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