digen wird: so war nichts anders für den heiligen Ruf seiner Geliebten zu thun als sie in eine Braut zu verwandeln durch eine öffentlich erklärte Verlo¬ bung. Flamins neues Ereifern konnte gegen Klotil¬ dens Rechtfertigung in keine Betrachtung kommen. Der Ausruf "du bist mein Bruder," den die Kon¬ vulsionen der Angst Klotilden entrissen hatten, war natürlich für Flamin unbegreiflich und ohne Wir¬ kung geblieben; -- für den lauernden Maz aber war er ein herrlicher Kernspruch und ein dictum probans seines Lehrgebäudes von ihrer Verschwisterung geworden. -- Im Briefe also ging Viktor seine Freundin um die stumme Erlaubniß zu seinem Werben an: er überließ es ihr schweigend, die uneigennützigsten Mo¬ tiven seiner Bitte zu errathen. --
Er erschien jetzt auf dem Kriegsschauplatz der Seelen, von dem man selten eine genaue Karte er¬ wischt, am Hofe: -- seinem mit Paradiesen ange¬ füllten Herzen kamen sogar die Zimmer vor wie Glaskästen einer ausgebälgten Volerie, die man mit Streuglanz, Konchylien und Blumen übersäet, und die lebendigen Stücke der Zimmer wie getrocknetes, mit Arsenik oder Holz ausgestopftes Gevögel, durch die Schlangen war Drath geführt, wie durch die Schwänze der großen Thiere und die Baumläufer am Thron standen auf Drath -- -- So sehr wurde er bloß durch das Pfingstfest der Gegenfüßler von
digen wird: ſo war nichts anders fuͤr den heiligen Ruf ſeiner Geliebten zu thun als ſie in eine Braut zu verwandeln durch eine oͤffentlich erklaͤrte Verlo¬ bung. Flamins neues Ereifern konnte gegen Klotil¬ dens Rechtfertigung in keine Betrachtung kommen. Der Ausruf »du biſt mein Bruder,« den die Kon¬ vulſionen der Angſt Klotilden entriſſen hatten, war natuͤrlich fuͤr Flamin unbegreiflich und ohne Wir¬ kung geblieben; — fuͤr den lauernden Maz aber war er ein herrlicher Kernſpruch und ein dictum probans ſeines Lehrgebaͤudes von ihrer Verſchwiſterung geworden. — Im Briefe alſo ging Viktor ſeine Freundin um die ſtumme Erlaubniß zu ſeinem Werben an: er uͤberließ es ihr ſchweigend, die uneigennuͤtzigſten Mo¬ tiven ſeiner Bitte zu errathen. —
Er erſchien jetzt auf dem Kriegsſchauplatz der Seelen, von dem man ſelten eine genaue Karte er¬ wiſcht, am Hofe: — ſeinem mit Paradieſen ange¬ fuͤllten Herzen kamen ſogar die Zimmer vor wie Glaskaͤſten einer ausgebaͤlgten Volerie, die man mit Streuglanz, Konchylien und Blumen uͤberſaͤet, und die lebendigen Stuͤcke der Zimmer wie getrocknetes, mit Arſenik oder Holz ausgeſtopftes Gevoͤgel, durch die Schlangen war Drath gefuͤhrt, wie durch die Schwaͤnze der großen Thiere und die Baumlaͤufer am Thron ſtanden auf Drath — — So ſehr wurde er bloß durch das Pfingſtfeſt der Gegenfuͤßler von
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digen wird: ſo war nichts anders fuͤr den heiligen
Ruf ſeiner Geliebten zu thun als ſie in eine Braut
zu verwandeln durch eine oͤffentlich erklaͤrte Verlo¬
bung. Flamins neues Ereifern konnte gegen Klotil¬
dens Rechtfertigung in keine Betrachtung kommen.
Der Ausruf »du biſt mein Bruder,« den die Kon¬
vulſionen der Angſt Klotilden entriſſen hatten, war
natuͤrlich fuͤr Flamin unbegreiflich und ohne Wir¬
kung geblieben; — fuͤr den lauernden Maz aber war
er ein herrlicher Kernſpruch und ein dictum probans
ſeines Lehrgebaͤudes von ihrer Verſchwiſterung geworden.
— Im Briefe alſo ging Viktor ſeine Freundin um
die ſtumme Erlaubniß zu ſeinem Werben an: er
uͤberließ es ihr ſchweigend, die uneigennuͤtzigſten Mo¬
tiven ſeiner Bitte zu errathen. —
Er erſchien jetzt auf dem Kriegsſchauplatz der
Seelen, von dem man ſelten eine genaue Karte er¬
wiſcht, am Hofe: — ſeinem mit Paradieſen ange¬
fuͤllten Herzen kamen ſogar die Zimmer vor wie
Glaskaͤſten einer ausgebaͤlgten Volerie, die man mit
Streuglanz, Konchylien und Blumen uͤberſaͤet, und
die lebendigen Stuͤcke der Zimmer wie getrocknetes,
mit Arſenik oder Holz ausgeſtopftes Gevoͤgel, durch
die Schlangen war Drath gefuͤhrt, wie durch die
Schwaͤnze der großen Thiere und die Baumlaͤufer
am Thron ſtanden auf Drath — — So ſehr wurde
er bloß durch das Pfingſtfeſt der Gegenfuͤßler von
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/248>, abgerufen am 27.11.2024.
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