Viktor über die noch blühende Stätte seines ver¬ welkten Rosenfest's geworfen. -- Was ihn tröstet, ist die Unwahrscheinlichkeit des prophezeyten Ster¬ bens, da Emanuel sich wie sonst befindet, und da der Selbstmord noch unmöglicher bei diesem from¬ men Geiste ist, der den Selbstmörder schon längst mit dem Hummer verglich, der die eine Scherre, die er selber mit der andern aus Stumpfsinn zer¬ knirscht und kneipt, nicht herauszieht sondern ab¬ sprengt. -- Möge mir der Leser zur Beschreibung des längsten Tages*), die ich einsam unter der er¬ hebenden Stille der Nacht machen werde, ein Herz wie des Indiers mitbringen, das gleich alten Tem¬ peln stumm und dunkel, aber weit und voll heiliger Bilder ist!
*) So nennte Emanuel immer den Johannistag, obwohl nicht ganz astronomisch-richtig.
Viktor uͤber die noch bluͤhende Staͤtte ſeines ver¬ welkten Roſenfeſt's geworfen. — Was ihn troͤſtet, iſt die Unwahrſcheinlichkeit des prophezeyten Ster¬ bens, da Emanuel ſich wie ſonſt befindet, und da der Selbſtmord noch unmoͤglicher bei dieſem from¬ men Geiſte iſt, der den Selbſtmoͤrder ſchon laͤngſt mit dem Hummer verglich, der die eine Scherre, die er ſelber mit der andern aus Stumpfſinn zer¬ knirſcht und kneipt, nicht herauszieht ſondern ab¬ ſprengt. — Moͤge mir der Leſer zur Beſchreibung des laͤngſten Tages*), die ich einſam unter der er¬ hebenden Stille der Nacht machen werde, ein Herz wie des Indiers mitbringen, das gleich alten Tem¬ peln ſtumm und dunkel, aber weit und voll heiliger Bilder iſt!
*) So nennte Emanuel immer den Johannistag, obwohl nicht ganz aſtronomiſch-richtig.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0265"n="255"/>
Viktor uͤber die noch bluͤhende Staͤtte ſeines ver¬<lb/>
welkten Roſenfeſt's geworfen. — Was ihn troͤſtet,<lb/>
iſt die Unwahrſcheinlichkeit des prophezeyten Ster¬<lb/>
bens, da Emanuel ſich wie ſonſt befindet, und da<lb/>
der Selbſtmord noch unmoͤglicher bei dieſem from¬<lb/>
men Geiſte iſt, der den Selbſtmoͤrder ſchon laͤngſt<lb/>
mit dem Hummer verglich, der die eine Scherre,<lb/>
die er ſelber mit der andern aus Stumpfſinn zer¬<lb/>
knirſcht und kneipt, nicht herauszieht ſondern ab¬<lb/>ſprengt. — Moͤge mir der Leſer zur Beſchreibung<lb/>
des laͤngſten Tages<noteplace="foot"n="*)">So nennte Emanuel immer den Johannistag, obwohl<lb/>
nicht ganz aſtronomiſch-richtig.</note>, die ich einſam unter der er¬<lb/>
hebenden Stille der Nacht machen werde, ein Herz<lb/>
wie des Indiers mitbringen, das gleich alten Tem¬<lb/>
peln ſtumm und dunkel, aber weit und voll heiliger<lb/>
Bilder iſt!</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></div></body></text></TEI>
[255/0265]
Viktor uͤber die noch bluͤhende Staͤtte ſeines ver¬
welkten Roſenfeſt's geworfen. — Was ihn troͤſtet,
iſt die Unwahrſcheinlichkeit des prophezeyten Ster¬
bens, da Emanuel ſich wie ſonſt befindet, und da
der Selbſtmord noch unmoͤglicher bei dieſem from¬
men Geiſte iſt, der den Selbſtmoͤrder ſchon laͤngſt
mit dem Hummer verglich, der die eine Scherre,
die er ſelber mit der andern aus Stumpfſinn zer¬
knirſcht und kneipt, nicht herauszieht ſondern ab¬
ſprengt. — Moͤge mir der Leſer zur Beſchreibung
des laͤngſten Tages *), die ich einſam unter der er¬
hebenden Stille der Nacht machen werde, ein Herz
wie des Indiers mitbringen, das gleich alten Tem¬
peln ſtumm und dunkel, aber weit und voll heiliger
Bilder iſt!
*) So nennte Emanuel immer den Johannistag, obwohl
nicht ganz aſtronomiſch-richtig.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/265>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.