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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795.

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"sprechlich theurer Freund? -- Meine Stunden sind
"dahin -- unser Lebewohl kömmt -- sage deins und
"störe dann mein Sterben nicht -- Sey still wenn
"der Tod den Berg herauf steigt und jammere nicht
"nach wenn er mich erhebt -- Was hast du mir
"noch zu sagen, mein ewig Geliebter?" -- "Nichts
"mehr, du Engel des Himmels, ich kann auch nicht"
sagte der verblutete Mensch und legte das gedrückte
Haupt mit Thränenströmen auf Emanuels Schulter.

"Nun so brich dein Herz von meinem ab und
"lebe wohl -- sey glücklich, sey gut, sey groß -- ich
"habe dich sehr geliebt, ich werde dich noch einmal
"lieben und dann unendlich -- Guter! Treuer!
"Sterblicher wie ich! Unsterblicher wie ich!"

Die Gewitterstürmer läuteten heftiger -- der
schwebende Lichtpunkt trat an den Pulverthurm --
alle eingehüllte Wolken-Vulkane tobten neben ein¬
ander und warfen ihre Flammen zusammen und die
Donner gingen wie Sturmglocken zwischen ihnen --
die zwei Menschen lagen an einander dicht, stumm,
keuchend, drückend, zitternd vor dem letzten Wort.

"O sprich noch einmal, mein Horion, und nimm
"Abschied von deinem Freund -- sage nur zu mir:
"Ruhe wohl! und lasse den Sterbenden."

Horion sagte: "Ruhe wohl!" und ließ ihn.
Seine Thränen hörten auf und seine Seufzer ver¬
stummten. Der Donner schwieg fürchterlich. Die

Natur

»ſprechlich theurer Freund? — Meine Stunden ſind
»dahin — unſer Lebewohl koͤmmt — ſage deins und
»ſtoͤre dann mein Sterben nicht — Sey ſtill wenn
»der Tod den Berg herauf ſteigt und jammere nicht
»nach wenn er mich erhebt — Was haſt du mir
»noch zu ſagen, mein ewig Geliebter?« — »Nichts
»mehr, du Engel des Himmels, ich kann auch nicht«
ſagte der verblutete Menſch und legte das gedruͤckte
Haupt mit Thraͤnenſtroͤmen auf Emanuels Schulter.

»Nun ſo brich dein Herz von meinem ab und
»lebe wohl — ſey gluͤcklich, ſey gut, ſey groß — ich
»habe dich ſehr geliebt, ich werde dich noch einmal
»lieben und dann unendlich — Guter! Treuer!
»Sterblicher wie ich! Unſterblicher wie ich!«

Die Gewitterſtuͤrmer laͤuteten heftiger — der
ſchwebende Lichtpunkt trat an den Pulverthurm —
alle eingehuͤllte Wolken-Vulkane tobten neben ein¬
ander und warfen ihre Flammen zuſammen und die
Donner gingen wie Sturmglocken zwiſchen ihnen —
die zwei Menſchen lagen an einander dicht, ſtumm,
keuchend, druͤckend, zitternd vor dem letzten Wort.

»O ſprich noch einmal, mein Horion, und nimm
»Abſchied von deinem Freund — ſage nur zu mir:
»Ruhe wohl! und laſſe den Sterbenden.«

Horion ſagte: »Ruhe wohl!« und ließ ihn.
Seine Thraͤnen hoͤrten auf und ſeine Seufzer ver¬
ſtummten. Der Donner ſchwieg fuͤrchterlich. Die

Natur
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[272/0282] »ſprechlich theurer Freund? — Meine Stunden ſind »dahin — unſer Lebewohl koͤmmt — ſage deins und »ſtoͤre dann mein Sterben nicht — Sey ſtill wenn »der Tod den Berg herauf ſteigt und jammere nicht »nach wenn er mich erhebt — Was haſt du mir »noch zu ſagen, mein ewig Geliebter?« — »Nichts »mehr, du Engel des Himmels, ich kann auch nicht« ſagte der verblutete Menſch und legte das gedruͤckte Haupt mit Thraͤnenſtroͤmen auf Emanuels Schulter. »Nun ſo brich dein Herz von meinem ab und »lebe wohl — ſey gluͤcklich, ſey gut, ſey groß — ich »habe dich ſehr geliebt, ich werde dich noch einmal »lieben und dann unendlich — Guter! Treuer! »Sterblicher wie ich! Unſterblicher wie ich!« Die Gewitterſtuͤrmer laͤuteten heftiger — der ſchwebende Lichtpunkt trat an den Pulverthurm — alle eingehuͤllte Wolken-Vulkane tobten neben ein¬ ander und warfen ihre Flammen zuſammen und die Donner gingen wie Sturmglocken zwiſchen ihnen — die zwei Menſchen lagen an einander dicht, ſtumm, keuchend, druͤckend, zitternd vor dem letzten Wort. »O ſprich noch einmal, mein Horion, und nimm »Abſchied von deinem Freund — ſage nur zu mir: »Ruhe wohl! und laſſe den Sterbenden.« Horion ſagte: »Ruhe wohl!« und ließ ihn. Seine Thraͤnen hoͤrten auf und ſeine Seufzer ver¬ ſtummten. Der Donner ſchwieg fuͤrchterlich. Die Natur

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Zitationshilfe: Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/282>, abgerufen am 23.11.2024.