Anblick eines großmüthigen Herzens, das sich blos durch Ideen hülflos macht, und das unzugänglich und betäubt in seiner Laube aus philosophischen Giftbäumen liegt, färbt oft Tage schwarz! -- Glau¬ be nicht, daß der Lord irgendwo Recht habe! Wie kann er etwas klein finden, ohn' es gegen etwas Großes zu halten? Ohne Achtung gäb' es keine Verachtung, ohne das Gefühl der Uneigennützigkeit keine Bemerkung des Eigennutzes, ohne Größe keine Kleinheit. So wenig du aus dem Schwanken der Saiten die Thränen des Adagio, oder aus den Blutkügelgen und dreifachen Häuten eines schönen Gesichts deine Achtung für dasselbe erklärst: eben so wenig kannst du dein Entzücken für das Geistige in der Natur mit den körperlichen Fasern derselben rechtfertigen wollen, die nichts sind als die Flöten- Ansätze und Disklappen der ungespielten Harmonie. Das Erhabne wohnt nur in den Gedanken, es sei des Ewigen, der sie ausdrückt durch Buchstaben aus Welten, oder des Menschen, der sie nachlieset! --
Ich verschiebe die Widerlegung des Lords auf ein anderes Buch, obwol dieses eine eben so gute ist. --
Hesperus. III Th. Z
Anblick eines großmuͤthigen Herzens, das ſich blos durch Ideen huͤlflos macht, und das unzugaͤnglich und betaͤubt in ſeiner Laube aus philoſophiſchen Giftbaͤumen liegt, faͤrbt oft Tage ſchwarz! — Glau¬ be nicht, daß der Lord irgendwo Recht habe! Wie kann er etwas klein finden, ohn' es gegen etwas Großes zu halten? Ohne Achtung gaͤb' es keine Verachtung, ohne das Gefuͤhl der Uneigennuͤtzigkeit keine Bemerkung des Eigennutzes, ohne Groͤße keine Kleinheit. So wenig du aus dem Schwanken der Saiten die Thraͤnen des Adagio, oder aus den Blutkuͤgelgen und dreifachen Haͤuten eines ſchoͤnen Geſichts deine Achtung fuͤr daſſelbe erklaͤrſt: eben ſo wenig kannſt du dein Entzuͤcken fuͤr das Geiſtige in der Natur mit den koͤrperlichen Faſern derſelben rechtfertigen wollen, die nichts ſind als die Floͤten- Anſaͤtze und Disklappen der ungeſpielten Harmonie. Das Erhabne wohnt nur in den Gedanken, es ſei des Ewigen, der ſie ausdruͤckt durch Buchſtaben aus Welten, oder des Menſchen, der ſie nachlieſet! —
Ich verſchiebe die Widerlegung des Lords auf ein anderes Buch, obwol dieſes eine eben ſo gute iſt. —
Heſperus. III Th. Z
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Anblick eines großmuͤthigen Herzens, das ſich blos
durch Ideen huͤlflos macht, und das unzugaͤnglich
und betaͤubt in ſeiner Laube aus philoſophiſchen
Giftbaͤumen liegt, faͤrbt oft Tage ſchwarz! — Glau¬
be nicht, daß der Lord irgendwo Recht habe! Wie
kann er etwas klein finden, ohn' es gegen etwas
Großes zu halten? Ohne Achtung gaͤb' es keine
Verachtung, ohne das Gefuͤhl der Uneigennuͤtzigkeit
keine Bemerkung des Eigennutzes, ohne Groͤße keine
Kleinheit. So wenig du aus dem Schwanken der
Saiten die Thraͤnen des Adagio, oder aus den
Blutkuͤgelgen und dreifachen Haͤuten eines ſchoͤnen
Geſichts deine Achtung fuͤr daſſelbe erklaͤrſt: eben ſo
wenig kannſt du dein Entzuͤcken fuͤr das Geiſtige
in der Natur mit den koͤrperlichen Faſern derſelben
rechtfertigen wollen, die nichts ſind als die Floͤten-
Anſaͤtze und Disklappen der ungeſpielten Harmonie.
Das Erhabne wohnt nur in den Gedanken, es ſei
des Ewigen, der ſie ausdruͤckt durch Buchſtaben aus
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Ich verſchiebe die Widerlegung des Lords auf
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iſt. —
Heſperus. III Th. Z
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/363>, abgerufen am 23.11.2024.
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