zottiger Wildniß. Noch dazu hatte Viktor den Feh¬ ler, sich und die Aerzte in den Verdacht der Ruhm¬ sucht zu bringen, indem er sie geradezu lobte: z. B. "sie wären bei ihrem Matrosen- und Todten-Pres¬ "sen eine Art Seelenverkäufer für die andre Welt "und dienten den guten Engeln, die den Kern ohne "die Körperschaale begehrten, um ihn weiter zu ste¬ "cken, zu Nußknackern -- wie oft heben wir nicht "-- (fuhr er fort) die gefährlichsten Krankheitsver¬ "setzungen durch eine leichte Krankenversetzung? "Ich könnte mich auf die refugiesaus dieser Welt "berufen, ob unser Streu- und Dintenfaß, (das "Geräthe unserer Rezepte) nicht die Säemaschine "und Gießkanne der menschlichen Wintersaat waren; "aber die Restanten sollen reden und antworten, ob "sie nicht die Pfründen, die Regimenter, die Lehn¬ "güter, die Ordensbänder, die ihnen zugefallen, un¬ "sern Rezepten und Uriasbriefen zu verdanken haben "und ob sie und sogar Könige im Trocknen säßen "ohne unsere häufigen Abzugsgräben im Kirch¬ "hof? -- Und doch dünkt mich ist unser Ruhm im "Heilen und Beleben eben so groß, wo nicht grös¬ "ser: dieser Ruhm -- so wie die Mortalitätslisten, "worauf er sich stützt -- ist seit vielen Jahrhunder¬ "ten der nämliche geblieben, unsre Theorien, "Spezifika, Einsichten mochten sich ändern wie sie "wollten." . . .
zottiger Wildniß. Noch dazu hatte Viktor den Feh¬ ler, ſich und die Aerzte in den Verdacht der Ruhm¬ ſucht zu bringen, indem er ſie geradezu lobte: z. B. »ſie waͤren bei ihrem Matroſen- und Todten-Preſ¬ »ſen eine Art Seelenverkaͤufer fuͤr die andre Welt »und dienten den guten Engeln, die den Kern ohne »die Koͤrperſchaale begehrten, um ihn weiter zu ſte¬ »cken, zu Nußknackern — wie oft heben wir nicht »— (fuhr er fort) die gefaͤhrlichſten Krankheitsver¬ »ſetzungen durch eine leichte Krankenverſetzung? »Ich koͤnnte mich auf die refugiésaus dieſer Welt »berufen, ob unſer Streu- und Dintenfaß, (das »Geraͤthe unſerer Rezepte) nicht die Saͤemaſchine »und Gießkanne der menſchlichen Winterſaat waren; »aber die Reſtanten ſollen reden und antworten, ob »ſie nicht die Pfruͤnden, die Regimenter, die Lehn¬ »guͤter, die Ordensbaͤnder, die ihnen zugefallen, un¬ »ſern Rezepten und Uriasbriefen zu verdanken haben »und ob ſie und ſogar Koͤnige im Trocknen ſaͤßen »ohne unſere haͤufigen Abzugsgraͤben im Kirch¬ »hof? — Und doch duͤnkt mich iſt unſer Ruhm im »Heilen und Beleben eben ſo groß, wo nicht groͤſ¬ »ſer: dieſer Ruhm — ſo wie die Mortalitaͤtsliſten, »worauf er ſich ſtuͤtzt — iſt ſeit vielen Jahrhunder¬ »ten der naͤmliche geblieben, unſre Theorien, »Spezifika, Einſichten mochten ſich aͤndern wie ſie »wollten.» . . .
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0038"n="28"/>
zottiger Wildniß. Noch dazu hatte Viktor den Feh¬<lb/>
ler, ſich und die Aerzte in den Verdacht der Ruhm¬<lb/>ſucht zu bringen, indem er ſie geradezu lobte: z. B.<lb/>
»ſie waͤren bei ihrem Matroſen- und Todten-Preſ¬<lb/>
»ſen eine Art Seelenverkaͤufer fuͤr die andre Welt<lb/>
»und dienten den guten Engeln, die den Kern ohne<lb/>
»die Koͤrperſchaale begehrten, um ihn weiter zu ſte¬<lb/>
»cken, zu Nußknackern — wie oft heben wir nicht<lb/>
»— (fuhr er fort) die gefaͤhrlichſten Krankheitsver¬<lb/>
»ſetzungen durch eine leichte <hirendition="#g">Krankenverſetzung</hi>?<lb/>
»Ich koͤnnte mich auf die <hirendition="#aq">refugiés</hi><hirendition="#g">aus</hi> dieſer Welt<lb/>
»berufen, ob unſer Streu- und Dintenfaß, (das<lb/>
»Geraͤthe unſerer Rezepte) nicht die Saͤemaſchine<lb/>
»und Gießkanne der menſchlichen Winterſaat waren;<lb/>
»aber die Reſtanten ſollen reden und antworten, ob<lb/>
»ſie nicht die Pfruͤnden, die Regimenter, die Lehn¬<lb/>
»guͤter, die Ordensbaͤnder, die ihnen zugefallen, un¬<lb/>
»ſern Rezepten und Uriasbriefen zu verdanken haben<lb/>
»und ob ſie und ſogar Koͤnige im <hirendition="#g">Trocknen</hi>ſaͤßen<lb/>
»ohne unſere haͤufigen <hirendition="#g">Abzugsgraͤben</hi> im Kirch¬<lb/>
»hof? — Und doch duͤnkt mich iſt unſer Ruhm im<lb/>
»Heilen und Beleben eben ſo groß, wo nicht groͤſ¬<lb/>
»ſer: dieſer Ruhm —ſo wie die Mortalitaͤtsliſten,<lb/>
»worauf er ſich ſtuͤtzt — iſt ſeit vielen Jahrhunder¬<lb/>
»ten der <hirendition="#g">naͤmliche geblieben</hi>, unſre Theorien,<lb/>
»Spezifika, Einſichten mochten ſich <hirendition="#g">aͤndern</hi> wie ſie<lb/>
»wollten.» . . .</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[28/0038]
zottiger Wildniß. Noch dazu hatte Viktor den Feh¬
ler, ſich und die Aerzte in den Verdacht der Ruhm¬
ſucht zu bringen, indem er ſie geradezu lobte: z. B.
»ſie waͤren bei ihrem Matroſen- und Todten-Preſ¬
»ſen eine Art Seelenverkaͤufer fuͤr die andre Welt
»und dienten den guten Engeln, die den Kern ohne
»die Koͤrperſchaale begehrten, um ihn weiter zu ſte¬
»cken, zu Nußknackern — wie oft heben wir nicht
»— (fuhr er fort) die gefaͤhrlichſten Krankheitsver¬
»ſetzungen durch eine leichte Krankenverſetzung?
»Ich koͤnnte mich auf die refugiés aus dieſer Welt
»berufen, ob unſer Streu- und Dintenfaß, (das
»Geraͤthe unſerer Rezepte) nicht die Saͤemaſchine
»und Gießkanne der menſchlichen Winterſaat waren;
»aber die Reſtanten ſollen reden und antworten, ob
»ſie nicht die Pfruͤnden, die Regimenter, die Lehn¬
»guͤter, die Ordensbaͤnder, die ihnen zugefallen, un¬
»ſern Rezepten und Uriasbriefen zu verdanken haben
»und ob ſie und ſogar Koͤnige im Trocknen ſaͤßen
»ohne unſere haͤufigen Abzugsgraͤben im Kirch¬
»hof? — Und doch duͤnkt mich iſt unſer Ruhm im
»Heilen und Beleben eben ſo groß, wo nicht groͤſ¬
»ſer: dieſer Ruhm — ſo wie die Mortalitaͤtsliſten,
»worauf er ſich ſtuͤtzt — iſt ſeit vielen Jahrhunder¬
»ten der naͤmliche geblieben, unſre Theorien,
»Spezifika, Einſichten mochten ſich aͤndern wie ſie
»wollten.» . . .
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/38>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.