Bauherrin kein Hut zu machen gewesen; aber Seba¬ stian hatt' es doch nicht bedacht, wenn ihn nicht Pu¬ derspuren und aufgegangne Spitzen-Gitter gezwungen hätten, den alten Hut von einem neuen zu trennen. Kurz: Klotilde hatte ihn Agathen, die es ihr nicht verschweigen konnte, für wen sie die Kopie davon nehme, vor dem dritten Ostertage gegeben zum Abkopiren, und nach dem besagten Tage ihr ge¬ schrieben, ihr die Kopie zu schicken und dem Medi¬ kus das Original für das Nachbild (wie bei der Wachsstatue) anzuhängen. -- Und warum wohl? -- O das fühlte ihr Freund in schöner Rührung nach: es dauerte sie, daß sie einem scheuen zärtlichen Her¬ zen nichts geben konnte, keinen Laut, keinen Blick, keine Freude, kein Andenken des schönsten Abends, als bloß den herbstlichen Nachflor desselben, als nachgenähte Seidenblumen dieser Freudenblume, den Taftschatten eines Taftschattens- . . . Nein, sie be¬ zwang sich, um dem stummen Liebling wenigstens mehr als die Kopie des Schattens zu geben. -- O vor wem das liebevolle zugedrückte Herz eines guten Weibes aufginge; wie viel bekämpfte Zärtlichkeit, verhüllte Aufopferungen und stumme Tugenden würd' er darin ruhen sehen!
-- Man muß nur dem deutschen Reichstage und seinen Querbänken kein Geheimniß daraus machen, daß Viktor den neunten Kurhut nicht annehmen
Bauherrin kein Hut zu machen geweſen; aber Seba¬ ſtian hatt' es doch nicht bedacht, wenn ihn nicht Pu¬ derſpuren und aufgegangne Spitzen-Gitter gezwungen haͤtten, den alten Hut von einem neuen zu trennen. Kurz: Klotilde hatte ihn Agathen, die es ihr nicht verſchweigen konnte, fuͤr wen ſie die Kopie davon nehme, vor dem dritten Oſtertage gegeben zum Abkopiren, und nach dem beſagten Tage ihr ge¬ ſchrieben, ihr die Kopie zu ſchicken und dem Medi¬ kus das Original fuͤr das Nachbild (wie bei der Wachsſtatue) anzuhaͤngen. — Und warum wohl? — O das fuͤhlte ihr Freund in ſchoͤner Ruͤhrung nach: es dauerte ſie, daß ſie einem ſcheuen zaͤrtlichen Her¬ zen nichts geben konnte, keinen Laut, keinen Blick, keine Freude, kein Andenken des ſchoͤnſten Abends, als bloß den herbſtlichen Nachflor deſſelben, als nachgenaͤhte Seidenblumen dieſer Freudenblume, den Taftſchatten eines Taftſchattens- . . . Nein, ſie be¬ zwang ſich, um dem ſtummen Liebling wenigſtens mehr als die Kopie des Schattens zu geben. — O vor wem das liebevolle zugedruͤckte Herz eines guten Weibes aufginge; wie viel bekaͤmpfte Zaͤrtlichkeit, verhuͤllte Aufopferungen und ſtumme Tugenden wuͤrd' er darin ruhen ſehen!
— Man muß nur dem deutſchen Reichstage und ſeinen Querbaͤnken kein Geheimniß daraus machen, daß Viktor den neunten Kurhut nicht annehmen
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Bauherrin kein Hut zu machen geweſen; aber Seba¬
ſtian hatt' es doch nicht bedacht, wenn ihn nicht Pu¬
derſpuren und aufgegangne Spitzen-Gitter gezwungen
haͤtten, den alten Hut von einem neuen zu trennen.
Kurz: Klotilde hatte ihn Agathen, die es ihr nicht
verſchweigen konnte, fuͤr wen ſie die Kopie davon
nehme, vor dem dritten Oſtertage gegeben zum
Abkopiren, und nach dem beſagten Tage ihr ge¬
ſchrieben, ihr die Kopie zu ſchicken und dem Medi¬
kus das Original fuͤr das Nachbild (wie bei der
Wachsſtatue) anzuhaͤngen. — Und warum wohl? —
O das fuͤhlte ihr Freund in ſchoͤner Ruͤhrung nach:
es dauerte ſie, daß ſie einem ſcheuen zaͤrtlichen Her¬
zen nichts geben konnte, keinen Laut, keinen Blick,
keine Freude, kein Andenken des ſchoͤnſten Abends,
als bloß den herbſtlichen Nachflor deſſelben, als
nachgenaͤhte Seidenblumen dieſer Freudenblume, den
Taftſchatten eines Taftſchattens- . . . Nein, ſie be¬
zwang ſich, um dem ſtummen Liebling wenigſtens
mehr als die Kopie des Schattens zu geben. — O
vor wem das liebevolle zugedruͤckte Herz eines guten
Weibes aufginge; wie viel bekaͤmpfte Zaͤrtlichkeit,
verhuͤllte Aufopferungen und ſtumme Tugenden wuͤrd'
er darin ruhen ſehen!
— Man muß nur dem deutſchen Reichstage und
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/41>, abgerufen am 21.11.2024.
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