"legt und in meine Hand geweint und mir ein "Blatt an dich gegeben."
Viktor riß das Blatt zu sich, es hieß: "Ihr alle "habt geschworen, so lange meine Bitten zu erfüllen "bis Ihr mich wieder hört; aber decket den schwar¬ "zen Marmor nicht auf." -- Der Lord hatt' es dem blinden Sohne gegeben. Viktor rief: "o Va¬ "ter, o Vater, ich konnte dir also nichts belohnen!" und sank an die Brust des Sohns. Er wollte sich von ihr reißen, aber der Blinde umklammerte ihn und lächelte freudig unwissend in die Nacht. -- Wir eilten ins Trauergebüsch -- und indem darin die zwei Leichenfackeln ausbrannten, so sahen wir, daß ein zweites Grab darin ausgehöhlt war, dessen frische Erde daneben lag -- daß ein schwarzer Marmor die Höle zudeckte, und daß das schwarze Kleid des Lords ein wenig aus der Höhle vorsah, und daß er sich darin getödtet hatte. -- Und auf seinem schwar¬ zen Marmor stand wie auf dem Marmor seiner Ge¬ liebten, ein blasses Aschenherz, und unter dem Her¬ zen stand mit weißen Buchstaben:
Es ruht.
Ende des Buchs.
»legt und in meine Hand geweint und mir ein »Blatt an dich gegeben.»
Viktor riß das Blatt zu ſich, es hieß: »Ihr alle »habt geſchworen, ſo lange meine Bitten zu erfuͤllen »bis Ihr mich wieder hoͤrt; aber decket den ſchwar¬ »zen Marmor nicht auf.» — Der Lord hatt' es dem blinden Sohne gegeben. Viktor rief: »o Va¬ »ter, o Vater, ich konnte dir alſo nichts belohnen!» und ſank an die Bruſt des Sohns. Er wollte ſich von ihr reißen, aber der Blinde umklammerte ihn und laͤchelte freudig unwiſſend in die Nacht. — Wir eilten ins Trauergebuͤſch — und indem darin die zwei Leichenfackeln ausbrannten, ſo ſahen wir, daß ein zweites Grab darin ausgehoͤhlt war, deſſen friſche Erde daneben lag — daß ein ſchwarzer Marmor die Hoͤle zudeckte, und daß das ſchwarze Kleid des Lords ein wenig aus der Hoͤhle vorſah, und daß er ſich darin getoͤdtet hatte. — Und auf ſeinem ſchwar¬ zen Marmor ſtand wie auf dem Marmor ſeiner Ge¬ liebten, ein blaſſes Aſchenherz, und unter dem Her¬ zen ſtand mit weißen Buchſtaben:
Es ruht.
Ende des Buchs.
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»legt und in meine Hand geweint und mir ein
»Blatt an dich gegeben.»
Viktor riß das Blatt zu ſich, es hieß: »Ihr alle
»habt geſchworen, ſo lange meine Bitten zu erfuͤllen
»bis Ihr mich wieder hoͤrt; aber decket den ſchwar¬
»zen Marmor nicht auf.» — Der Lord hatt' es
dem blinden Sohne gegeben. Viktor rief: »o Va¬
»ter, o Vater, ich konnte dir alſo nichts belohnen!»
und ſank an die Bruſt des Sohns. Er wollte ſich
von ihr reißen, aber der Blinde umklammerte ihn
und laͤchelte freudig unwiſſend in die Nacht. — Wir
eilten ins Trauergebuͤſch — und indem darin die
zwei Leichenfackeln ausbrannten, ſo ſahen wir, daß
ein zweites Grab darin ausgehoͤhlt war, deſſen friſche
Erde daneben lag — daß ein ſchwarzer Marmor die
Hoͤle zudeckte, und daß das ſchwarze Kleid des
Lords ein wenig aus der Hoͤhle vorſah, und daß er
ſich darin getoͤdtet hatte. — Und auf ſeinem ſchwar¬
zen Marmor ſtand wie auf dem Marmor ſeiner Ge¬
liebten, ein blaſſes Aſchenherz, und unter dem Her¬
zen ſtand mit weißen Buchſtaben:
Es ruht.
Ende des Buchs.
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 444. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/454>, abgerufen am 24.11.2024.
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