deutlich, weil er ihre Erlaubniß zum Gegentheil nicht voraussetzen durfte -- er bat scherzhaft seinen Freund, seine Freundin zu bitten, daß sie ihm be¬ fehlen solle, nach Flachsenfingen zu reisen, damit sie einander zu sehen bekämen -- (ich komm' aus den Perioden, wenn ich die Absicht dieser Wendung zeige) -- er strich in seinem Kopfe die Frage wieder aus, ob Klotilde noch des Arztes bedürfe, bloß weil er einer für sie im doppelten Sinne war, und fragte nur, ob sie genesen sey -- Endlich schloß er so:
"Und so flatter' ich denn mit ziemlich abgestäub¬ ten Schmetterlingsschwingen im unabsehlichen Tem¬ pel, der für unser Phalänen Auge in kleinere zer¬ fällt und dessen architektonisches Laubwerk an den Säulen wir für die Säulen selber halten und dessen Kolonnaden durch ihre Größe unsichtbar werden, da flattert der Menschenpapillon auf und nieder -- zer¬ stößet sich an Fenstern -- rudert durch stäubige Ge¬ spinnste -- schlägt seine Flügel endlich um eine hole Blume -- und der große Orgelton der ewigen Har¬ monie wirft ihn bloß mit einem stummen auf und niedergehenden Sturm umher. . . .
Ach ich kenne jetzt das Leben! Wäre nicht der Mensch sogar in seinen Begierden und Wünschen so systematisch -- ging' er nicht überall auf Arrondisse¬ mens sowohl seiner Arkadien als des Reiches der Wahrheit aus: so könnt' er glücklich seyn und mu¬
deutlich, weil er ihre Erlaubniß zum Gegentheil nicht vorausſetzen durfte — er bat ſcherzhaft ſeinen Freund, ſeine Freundin zu bitten, daß ſie ihm be¬ fehlen ſolle, nach Flachſenfingen zu reiſen, damit ſie einander zu ſehen bekaͤmen — (ich komm' aus den Perioden, wenn ich die Abſicht dieſer Wendung zeige) — er ſtrich in ſeinem Kopfe die Frage wieder aus, ob Klotilde noch des Arztes beduͤrfe, bloß weil er einer fuͤr ſie im doppelten Sinne war, und fragte nur, ob ſie geneſen ſey — Endlich ſchloß er ſo:
»Und ſo flatter' ich denn mit ziemlich abgeſtaͤub¬ ten Schmetterlingsſchwingen im unabſehlichen Tem¬ pel, der fuͤr unſer Phalaͤnen Auge in kleinere zer¬ faͤllt und deſſen architektoniſches Laubwerk an den Saͤulen wir fuͤr die Saͤulen ſelber halten und deſſen Kolonnaden durch ihre Groͤße unſichtbar werden, da flattert der Menſchenpapillon auf und nieder — zer¬ ſtoͤßet ſich an Fenſtern — rudert durch ſtaͤubige Ge¬ ſpinnſte — ſchlaͤgt ſeine Fluͤgel endlich um eine hole Blume — und der große Orgelton der ewigen Har¬ monie wirft ihn bloß mit einem ſtummen auf und niedergehenden Sturm umher. . . .
Ach ich kenne jetzt das Leben! Waͤre nicht der Menſch ſogar in ſeinen Begierden und Wuͤnſchen ſo ſyſtematiſch — ging' er nicht uͤberall auf Arrondiſſe¬ mens ſowohl ſeiner Arkadien als des Reiches der Wahrheit aus: ſo koͤnnt' er gluͤcklich ſeyn und mu¬
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deutlich, weil er ihre Erlaubniß zum Gegentheil
nicht vorausſetzen durfte — er bat ſcherzhaft ſeinen
Freund, ſeine Freundin zu bitten, daß ſie ihm be¬
fehlen ſolle, nach Flachſenfingen zu reiſen, damit ſie
einander zu ſehen bekaͤmen — (ich komm' aus den
Perioden, wenn ich die Abſicht dieſer Wendung
zeige) — er ſtrich in ſeinem Kopfe die Frage wieder
aus, ob Klotilde noch des Arztes beduͤrfe, bloß weil
er einer fuͤr ſie im doppelten Sinne war, und fragte
nur, ob ſie geneſen ſey — Endlich ſchloß er ſo:
»Und ſo flatter' ich denn mit ziemlich abgeſtaͤub¬
ten Schmetterlingsſchwingen im unabſehlichen Tem¬
pel, der fuͤr unſer Phalaͤnen Auge in kleinere zer¬
faͤllt und deſſen architektoniſches Laubwerk an den
Saͤulen wir fuͤr die Saͤulen ſelber halten und deſſen
Kolonnaden durch ihre Groͤße unſichtbar werden, da
flattert der Menſchenpapillon auf und nieder — zer¬
ſtoͤßet ſich an Fenſtern — rudert durch ſtaͤubige Ge¬
ſpinnſte — ſchlaͤgt ſeine Fluͤgel endlich um eine hole
Blume — und der große Orgelton der ewigen Har¬
monie wirft ihn bloß mit einem ſtummen auf und
niedergehenden Sturm umher. . . .
Ach ich kenne jetzt das Leben! Waͤre nicht der
Menſch ſogar in ſeinen Begierden und Wuͤnſchen ſo
ſyſtematiſch — ging' er nicht uͤberall auf Arrondiſſe¬
mens ſowohl ſeiner Arkadien als des Reiches der
Wahrheit aus: ſo koͤnnt' er gluͤcklich ſeyn und mu¬
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/46>, abgerufen am 21.11.2024.
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