Eifersucht erzwingt Untreue und das gequälte Weib will so viel an ihr ist den Mann nicht in Irrthum lassen. Ich kann mir die Mühe nicht machen (son¬ dern der Leser,) in meiner Biographie meinem Hel¬ den alle kleine Fugen und Eflöcher nachzuzählen, wodurch er bisher seinen Flamin in sein verliebtes Herz sehen und hören lassen: diese Astlöcher sind desto größer, da er vor dem dritten Ostertag eben darum unvorsichtiger war weil er unschuldiger war oder vielmehr unglücklicher.
Dazu kam, daß Flamin -- der den theuern Ev¬ angelisten Matthäus täglich aufrichtiger und ofner fand (wie ein ausgeschossenes Zündloch) -- seinen treuen Bastian täglich für hinterlistiger und undurch¬ sichtiger ansah. Ich wollt' der Regierungsrath wäre gescheuter; aber kompakte dichte Seelen, wie Viktors seine, die mehrere Kräfte und eben darum mehrere Seiten haben, scheinen freilich weniger po¬ rös zu seyn, so wie volllöthige Autores weniger deutlich -- ein Mensch, der euch alle seine in einan¬ der schillernden Farben seines Herzens mit Offenheit aufdeckt, verliert dadurch den Ruhm der Offenheit -- einer, der wie Viktor fremde Kniffe aus Laune sammelt und vormacht, scheint sie nachzumachen -- ein veränderlicher, ein ironischer, ein feiner Mensch ist in eingeschränkten Augen ein falscher. Dies von
Eiferſucht erzwingt Untreue und das gequaͤlte Weib will ſo viel an ihr iſt den Mann nicht in Irrthum laſſen. Ich kann mir die Muͤhe nicht machen (ſon¬ dern der Leſer,) in meiner Biographie meinem Hel¬ den alle kleine Fugen und Efloͤcher nachzuzaͤhlen, wodurch er bisher ſeinen Flamin in ſein verliebtes Herz ſehen und hoͤren laſſen: dieſe Aſtloͤcher ſind deſto groͤßer, da er vor dem dritten Oſtertag eben darum unvorſichtiger war weil er unſchuldiger war oder vielmehr ungluͤcklicher.
Dazu kam, daß Flamin — der den theuern Ev¬ angeliſten Matthaͤus taͤglich aufrichtiger und ofner fand (wie ein ausgeſchoſſenes Zuͤndloch) — ſeinen treuen Baſtian taͤglich fuͤr hinterliſtiger und undurch¬ ſichtiger anſah. Ich wollt' der Regierungsrath waͤre geſcheuter; aber kompakte dichte Seelen, wie Viktors ſeine, die mehrere Kraͤfte und eben darum mehrere Seiten haben, ſcheinen freilich weniger po¬ roͤs zu ſeyn, ſo wie vollloͤthige Autores weniger deutlich — ein Menſch, der euch alle ſeine in einan¬ der ſchillernden Farben ſeines Herzens mit Offenheit aufdeckt, verliert dadurch den Ruhm der Offenheit — einer, der wie Viktor fremde Kniffe aus Laune ſammelt und vormacht, ſcheint ſie nachzumachen — ein veraͤnderlicher, ein ironiſcher, ein feiner Menſch iſt in eingeſchraͤnkten Augen ein falſcher. Dies von
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Eiferſucht erzwingt Untreue und das gequaͤlte Weib
will ſo viel an ihr iſt den Mann nicht in Irrthum
laſſen. Ich kann mir die Muͤhe nicht machen (ſon¬
dern der Leſer,) in meiner Biographie meinem Hel¬
den alle kleine Fugen und Efloͤcher nachzuzaͤhlen,
wodurch er bisher ſeinen Flamin in ſein verliebtes
Herz ſehen und hoͤren laſſen: dieſe Aſtloͤcher ſind
deſto groͤßer, da er vor dem dritten Oſtertag eben
darum unvorſichtiger war weil er unſchuldiger war
oder vielmehr ungluͤcklicher.
Dazu kam, daß Flamin — der den theuern Ev¬
angeliſten Matthaͤus taͤglich aufrichtiger und ofner
fand (wie ein ausgeſchoſſenes Zuͤndloch) — ſeinen
treuen Baſtian taͤglich fuͤr hinterliſtiger und undurch¬
ſichtiger anſah. Ich wollt' der Regierungsrath waͤre
geſcheuter; aber kompakte dichte Seelen, wie
Viktors ſeine, die mehrere Kraͤfte und eben darum
mehrere Seiten haben, ſcheinen freilich weniger po¬
roͤs zu ſeyn, ſo wie vollloͤthige Autores weniger
deutlich — ein Menſch, der euch alle ſeine in einan¬
der ſchillernden Farben ſeines Herzens mit Offenheit
aufdeckt, verliert dadurch den Ruhm der Offenheit
— einer, der wie Viktor fremde Kniffe aus Laune
ſammelt und vormacht, ſcheint ſie nachzumachen —
ein veraͤnderlicher, ein ironiſcher, ein feiner Menſch
iſt in eingeſchraͤnkten Augen ein falſcher. Dies von
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/57>, abgerufen am 24.11.2024.
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