chen Engel (aber auch die weiblichen Teufel) halten sich nur in den höchsten feinsten Menschen-Schub¬ fächern auf; es sind Schmetterlinge, an denen der Samt-Fittich zwischen zwei rohen Mannsfingern zum nackten häutigen Lappen wird -- es sind Tulpen, deren Farbenblätter ein einziger Griff des Schicksals zu einem schmutzigen Leder ausdrückt. -- --
Ich bringe das alles vor, damit H. Kozebue und der Verfasser des Alcibiades und das ganze roman¬ tische Schifsvolk es meiner Klotilde nicht übel neh¬ men, daß sie mehr ihr eignes Geschlecht als das be¬ sagte Volk nachahmt, um so mehr, da sie vorschü¬ tzen kann, sie habe dieses noch nicht gelesen.
Durch Agathen kam sehr bald eine von Emanuel kouvertirte Antwort Klotildens an, die innen lega¬ zions-mäßig gesiegelt, geometrisch beschnitten und kallygraphisch geschrieben war, weil Frauenzimmer alle Dinge, die sinnliche Aufmerksamkeit verlan¬ gen, besser betreiben als wir und weil sie -- denn kaum vier aus meiner Bekanntschaft brauch' ich aus¬ zunehmen -- gerade im Gegensatz der Männer desto schöner schreiben, je besser sie denken. Lavater sagt, der schönste Maler gebiert die schönsten Gemälde; und ich sage, schöne Hände schreiben eine schöne Hand.
Klotildens Brief stellet sich mit einer Lusthecke und einem lebendigen Zaun voll Blüten unserem
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chen Engel (aber auch die weiblichen Teufel) halten ſich nur in den hoͤchſten feinſten Menſchen-Schub¬ faͤchern auf; es ſind Schmetterlinge, an denen der Samt–Fittich zwiſchen zwei rohen Mannsfingern zum nackten haͤutigen Lappen wird — es ſind Tulpen, deren Farbenblaͤtter ein einziger Griff des Schickſals zu einem ſchmutzigen Leder ausdruͤckt. — —
Ich bringe das alles vor, damit H. Kozebue und der Verfaſſer des Alcibiades und das ganze roman¬ tiſche Schifsvolk es meiner Klotilde nicht uͤbel neh¬ men, daß ſie mehr ihr eignes Geſchlecht als das be¬ ſagte Volk nachahmt, um ſo mehr, da ſie vorſchuͤ¬ tzen kann, ſie habe dieſes noch nicht geleſen.
Durch Agathen kam ſehr bald eine von Emanuel kouvertirte Antwort Klotildens an, die innen lega¬ zions–maͤßig geſiegelt, geometriſch beſchnitten und kallygraphiſch geſchrieben war, weil Frauenzimmer alle Dinge, die ſinnliche Aufmerkſamkeit verlan¬ gen, beſſer betreiben als wir und weil ſie — denn kaum vier aus meiner Bekanntſchaft brauch' ich aus¬ zunehmen — gerade im Gegenſatz der Maͤnner deſto ſchoͤner ſchreiben, je beſſer ſie denken. Lavater ſagt, der ſchoͤnſte Maler gebiert die ſchoͤnſten Gemaͤlde; und ich ſage, ſchoͤne Haͤnde ſchreiben eine ſchoͤne Hand.
Klotildens Brief ſtellet ſich mit einer Luſthecke und einem lebendigen Zaun voll Bluͤten unſerem
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chen Engel (aber auch die weiblichen Teufel) halten
ſich nur in den hoͤchſten feinſten Menſchen-Schub¬
faͤchern auf; es ſind Schmetterlinge, an denen der
Samt–Fittich zwiſchen zwei rohen Mannsfingern zum
nackten haͤutigen Lappen wird — es ſind Tulpen,
deren Farbenblaͤtter ein einziger Griff des Schickſals
zu einem ſchmutzigen Leder ausdruͤckt. — —
Ich bringe das alles vor, damit H. Kozebue und
der Verfaſſer des Alcibiades und das ganze roman¬
tiſche Schifsvolk es meiner Klotilde nicht uͤbel neh¬
men, daß ſie mehr ihr eignes Geſchlecht als das be¬
ſagte Volk nachahmt, um ſo mehr, da ſie vorſchuͤ¬
tzen kann, ſie habe dieſes noch nicht geleſen.
Durch Agathen kam ſehr bald eine von Emanuel
kouvertirte Antwort Klotildens an, die innen lega¬
zions–maͤßig geſiegelt, geometriſch beſchnitten und
kallygraphiſch geſchrieben war, weil Frauenzimmer
alle Dinge, die ſinnliche Aufmerkſamkeit verlan¬
gen, beſſer betreiben als wir und weil ſie — denn
kaum vier aus meiner Bekanntſchaft brauch' ich aus¬
zunehmen — gerade im Gegenſatz der Maͤnner deſto
ſchoͤner ſchreiben, je beſſer ſie denken. Lavater ſagt,
der ſchoͤnſte Maler gebiert die ſchoͤnſten Gemaͤlde;
und ich ſage, ſchoͤne Haͤnde ſchreiben eine ſchoͤne
Hand.
Klotildens Brief ſtellet ſich mit einer Luſthecke
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/61>, abgerufen am 25.11.2024.
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