andern, als einen Leitton zwischen Dissonanzen. Blos die Hoffnung des Maies setzte seinen Gedanken statt der Nesseln-Brennspitzen, Rosenstacheln an. -- Der Jugendfreund, lieber Leser, der Schulfreund wird nie vergessen, denn er hat etwas von einem Bruder an sich -- wenn du in den Schulhof des Le¬ bens tritst, das eine Schnepfenthaler Erziehungsan¬ stalt ist an eine berlinische Realschule, ein breslaui¬ sches Elisabethanum, ein Scherauisches Marianum: so begegnen dir die Freunde zuerst und eure Ju¬ gendfreundschaft ist der Frühgottesdienst des Le¬ bens. --
Viktor wuste Flamins Versöhnlichkeit gewiß vor¬ aus, er sah ihn sogar schon öfter am Fenster stehen, und zum Erker hinüber schielen, aus dem ein freundliches um alle Mißdeutungen des Point d'hon¬ neur unbekümmertes Auge frei und gerade zum Se¬ nior schauete -- aber das nahm doch seine Thränen nicht weg, sondern sie wurden vermehrt durch die erste Wiedererblickung des so schönen betrauerten ge¬ liebten Angesichts. Flamin hatte eine große männli¬ che Gestalt, seine ineinander und zurückgedrängte schmale Stirn war der Horst des Muths, seine durchsichtigen blauen Augen -- die seine Schwester Klotilde auch hatte und die sich recht gut mit einer feurigen Seele vertragen, wie ja auch die alten Deutschen und das Landvolk beides haben -- waren
andern, als einen Leitton zwiſchen Diſſonanzen. Blos die Hoffnung des Maies ſetzte ſeinen Gedanken ſtatt der Neſſeln-Brennſpitzen, Roſenſtacheln an. — Der Jugendfreund, lieber Leſer, der Schulfreund wird nie vergeſſen, denn er hat etwas von einem Bruder an ſich — wenn du in den Schulhof des Le¬ bens tritſt, das eine Schnepfenthaler Erziehungsan¬ ſtalt iſt an eine berliniſche Realſchule, ein breslaui¬ ſches Eliſabethanum, ein Scherauiſches Marianum: ſo begegnen dir die Freunde zuerſt und eure Ju¬ gendfreundſchaft iſt der Fruͤhgottesdienſt des Le¬ bens. —
Viktor wuſte Flamins Verſoͤhnlichkeit gewiß vor¬ aus, er ſah ihn ſogar ſchon oͤfter am Fenſter ſtehen, und zum Erker hinuͤber ſchielen, aus dem ein freundliches um alle Mißdeutungen des Point d'hon¬ neur unbekuͤmmertes Auge frei und gerade zum Se¬ nior ſchauete — aber das nahm doch ſeine Thraͤnen nicht weg, ſondern ſie wurden vermehrt durch die erſte Wiedererblickung des ſo ſchoͤnen betrauerten ge¬ liebten Angeſichts. Flamin hatte eine große maͤnnli¬ che Geſtalt, ſeine ineinander und zuruͤckgedraͤngte ſchmale Stirn war der Horſt des Muths, ſeine durchſichtigen blauen Augen — die ſeine Schweſter Klotilde auch hatte und die ſich recht gut mit einer feurigen Seele vertragen, wie ja auch die alten Deutſchen und das Landvolk beides haben — waren
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andern, als einen Leitton zwiſchen Diſſonanzen.
Blos die Hoffnung des Maies ſetzte ſeinen Gedanken
ſtatt der Neſſeln-Brennſpitzen, Roſenſtacheln an. —
Der Jugendfreund, lieber Leſer, der Schulfreund
wird nie vergeſſen, denn er hat etwas von einem
Bruder an ſich — wenn du in den Schulhof des Le¬
bens tritſt, das eine Schnepfenthaler Erziehungsan¬
ſtalt iſt an eine berliniſche Realſchule, ein breslaui¬
ſches Eliſabethanum, ein Scherauiſches Marianum:
ſo begegnen dir die Freunde zuerſt und eure Ju¬
gendfreundſchaft iſt der Fruͤhgottesdienſt des Le¬
bens. —
Viktor wuſte Flamins Verſoͤhnlichkeit gewiß vor¬
aus, er ſah ihn ſogar ſchon oͤfter am Fenſter ſtehen,
und zum Erker hinuͤber ſchielen, aus dem ein
freundliches um alle Mißdeutungen des Point d'hon¬
neur unbekuͤmmertes Auge frei und gerade zum Se¬
nior ſchauete — aber das nahm doch ſeine Thraͤnen
nicht weg, ſondern ſie wurden vermehrt durch die
erſte Wiedererblickung des ſo ſchoͤnen betrauerten ge¬
liebten Angeſichts. Flamin hatte eine große maͤnnli¬
che Geſtalt, ſeine ineinander und zuruͤckgedraͤngte
ſchmale Stirn war der Horſt des Muths, ſeine
durchſichtigen blauen Augen — die ſeine Schweſter
Klotilde auch hatte und die ſich recht gut mit einer
feurigen Seele vertragen, wie ja auch die alten
Deutſchen und das Landvolk beides haben — waren
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Jean Paul: Hesperus, oder 45 Hundsposttage. Drittes Heftlein. Berlin, 1795, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_hesperus03_1795/92>, abgerufen am 24.11.2024.
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