ganzen Körpers, oder der Muskeln u. s. w. als des Denkorgans, des Gehirns, daher durch lange Entziehung desselben nichts am Körper er- krankt als das Gehirn, nemlich zum Wahnwitz. Wird es bey dem Thiere durch kein Empfinden, beym Menschen durch kein Denken mehr gereizt: so zittert dieses willkührliche Bewegungsorgan endlich aus. So bald der Mensch sagt: ich will keine einzige Vorstellung, die mir aufstößt, mehr verfolgen, sondern kommen und laufen lassen, was will: so fällt er in Schlaf; nachdem vor- her noch einzelne Bilder ohne Band und Reihe, wie aus einer Bilderuhr, vor ihm aufgesprun- gen waren, bloße Nachzuckungen des gereizten Denkorgans, denen der Muskelfasern eines ge- tödteten Thieres ähnlich. Das Erwachen dage- gen beginnt das gestärkte und nun reitzende Or- gan, wie das Einschlafen der nachlassende Geist.
Die göttliche Herrschaft des Menschen über sein inneres Thier- und Pflanzenreich wird zu wenig anerkannt, und eingeübt, zumal von Frauen; ohne sie schleppt uns die Kette des er-
ganzen Koͤrpers, oder der Muſkeln u. ſ. w. als des Denkorgans, des Gehirns, daher durch lange Entziehung deſſelben nichts am Koͤrper er- krankt als das Gehirn, nemlich zum Wahnwitz. Wird es bey dem Thiere durch kein Empfinden, beym Menſchen durch kein Denken mehr gereizt: ſo zittert dieſes willkuͤhrliche Bewegungsorgan endlich aus. So bald der Menſch ſagt: ich will keine einzige Vorſtellung, die mir aufſtößt, mehr verfolgen, ſondern kommen und laufen laſſen, was will: ſo faͤllt er in Schlaf; nachdem vor- her noch einzelne Bilder ohne Band und Reihe, wie aus einer Bilderuhr, vor ihm aufgeſprun- gen waren, bloße Nachzuckungen des gereizten Denkorgans, denen der Muskelfaſern eines ge- toͤdteten Thieres aͤhnlich. Das Erwachen dage- gen beginnt das geſtaͤrkte und nun reitzende Or- gan, wie das Einſchlafen der nachlaſſende Geiſt.
Die goͤttliche Herrſchaft des Menſchen uͤber ſein inneres Thier- und Pflanzenreich wird zu wenig anerkannt, und eingeuͤbt, zumal von Frauen; ohne ſie ſchleppt uns die Kette des er-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0237"n="219"/>
ganzen Koͤrpers, oder der Muſkeln u. ſ. w. als<lb/>
des Denkorgans, des Gehirns, daher durch<lb/>
lange Entziehung deſſelben nichts am Koͤrper er-<lb/>
krankt als das Gehirn, nemlich zum Wahnwitz.<lb/>
Wird es bey dem Thiere durch kein Empfinden,<lb/>
beym Menſchen durch kein Denken mehr gereizt:<lb/>ſo zittert dieſes willkuͤhrliche Bewegungsorgan<lb/>
endlich aus. So bald der Menſch ſagt: ich will<lb/>
keine einzige Vorſtellung, die mir aufſtößt, mehr<lb/>
verfolgen, ſondern kommen und laufen laſſen,<lb/>
was will: ſo faͤllt er in Schlaf; nachdem vor-<lb/>
her noch einzelne Bilder ohne Band und Reihe,<lb/>
wie aus einer Bilderuhr, vor ihm aufgeſprun-<lb/>
gen waren, bloße Nachzuckungen des gereizten<lb/>
Denkorgans, denen der Muskelfaſern eines ge-<lb/>
toͤdteten Thieres aͤhnlich. Das Erwachen dage-<lb/>
gen beginnt das geſtaͤrkte und nun reitzende Or-<lb/>
gan, wie das Einſchlafen der nachlaſſende<lb/>
Geiſt.</p><lb/><p>Die goͤttliche Herrſchaft des Menſchen uͤber<lb/>ſein inneres Thier- und Pflanzenreich wird zu<lb/>
wenig anerkannt, und eingeuͤbt, zumal von<lb/>
Frauen; ohne ſie ſchleppt uns die Kette des er-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[219/0237]
ganzen Koͤrpers, oder der Muſkeln u. ſ. w. als
des Denkorgans, des Gehirns, daher durch
lange Entziehung deſſelben nichts am Koͤrper er-
krankt als das Gehirn, nemlich zum Wahnwitz.
Wird es bey dem Thiere durch kein Empfinden,
beym Menſchen durch kein Denken mehr gereizt:
ſo zittert dieſes willkuͤhrliche Bewegungsorgan
endlich aus. So bald der Menſch ſagt: ich will
keine einzige Vorſtellung, die mir aufſtößt, mehr
verfolgen, ſondern kommen und laufen laſſen,
was will: ſo faͤllt er in Schlaf; nachdem vor-
her noch einzelne Bilder ohne Band und Reihe,
wie aus einer Bilderuhr, vor ihm aufgeſprun-
gen waren, bloße Nachzuckungen des gereizten
Denkorgans, denen der Muskelfaſern eines ge-
toͤdteten Thieres aͤhnlich. Das Erwachen dage-
gen beginnt das geſtaͤrkte und nun reitzende Or-
gan, wie das Einſchlafen der nachlaſſende
Geiſt.
Die goͤttliche Herrſchaft des Menſchen uͤber
ſein inneres Thier- und Pflanzenreich wird zu
wenig anerkannt, und eingeuͤbt, zumal von
Frauen; ohne ſie ſchleppt uns die Kette des er-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/237>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.