Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

Aus der Wirklichkeit war freylich gegen diese
Möglichkeit, den goldnen Wiederschein dersel-
ben, nichts zu schließen. Dabey hatte der feurige
Jüngling nach Landesart der Schwärmer Ein-
würfe verschiedener Gattung wie ausländische
Truppen in eine Linie gestellt. Ich macht' es
nachher nicht besser, als ich triplicierte. Aber
er ließ mich noch nicht dazukommen; sondern
trug erst diese Möglichkeit gar nach: "Wir ken-
nen nur die äußersten Ueberzieh-Kleider der
Seele, aber nicht ihr letztes und nächstes, ihr
Hemde. Unter allen Erscheinungen von Ver-
storbenen sind z. B. die von eben Verstorbenen,
oder von Sterbenden am schwersten rein abzu-
läugnen; die unzählichen Todten der Jahrtau-
sende verhüllen sich uns, aber der Todte der
Stunde trägt gleichsam noch Erdenstaub genug
an sich, um damit noch einmal im Sonnenstrahl
des Lebens vor einem geliebten Auge zu spielen."

Ich wollte beynahe entgegensetzen, warum
uns keine verstorbne Thierseelen erschienen und
daß die Erscheinung bloß verwandter Ster-
benden und Gestorbenen, je deutlich ihre Ur-

Aus der Wirklichkeit war freylich gegen dieſe
Möglichkeit, den goldnen Wiederſchein derſel-
ben, nichts zu ſchließen. Dabey hatte der feurige
Juͤngling nach Landesart der Schwärmer Ein-
wuͤrfe verſchiedener Gattung wie auslaͤndiſche
Truppen in eine Linie geſtellt. Ich macht’ es
nachher nicht beſſer, als ich triplicierte. Aber
er ließ mich noch nicht dazukommen; ſondern
trug erſt dieſe Moͤglichkeit gar nach: „Wir ken-
nen nur die äußerſten Ueberzieh-Kleider der
Seele, aber nicht ihr letztes und nächſtes, ihr
Hemde. Unter allen Erſcheinungen von Ver-
ſtorbenen ſind z. B. die von eben Verſtorbenen,
oder von Sterbenden am ſchwerſten rein abzu-
laͤugnen; die unzaͤhlichen Todten der Jahrtau-
ſende verhuͤllen ſich uns, aber der Todte der
Stunde traͤgt gleichſam noch Erdenſtaub genug
an ſich, um damit noch einmal im Sonnenſtrahl
des Lebens vor einem geliebten Auge zu ſpielen.”

Ich wollte beynahe entgegenſetzen, warum
uns keine verſtorbne Thierſeelen erſchienen und
daß die Erſcheinung bloß verwandter Ster-
benden und Geſtorbenen, je deutlich ihre Ur-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0261" n="243"/>
        <p>Aus der Wirklichkeit war freylich gegen die&#x017F;e<lb/>
Möglichkeit, den goldnen Wieder&#x017F;chein der&#x017F;el-<lb/>
ben, nichts zu &#x017F;chließen. Dabey hatte der feurige<lb/>
Ju&#x0364;ngling nach Landesart der Schwärmer Ein-<lb/>
wu&#x0364;rfe ver&#x017F;chiedener Gattung wie ausla&#x0364;ndi&#x017F;che<lb/>
Truppen in eine Linie ge&#x017F;tellt. Ich macht&#x2019; es<lb/>
nachher nicht be&#x017F;&#x017F;er, als ich triplicierte. Aber<lb/>
er ließ mich noch nicht dazukommen; &#x017F;ondern<lb/>
trug er&#x017F;t die&#x017F;e Mo&#x0364;glichkeit gar nach: &#x201E;Wir ken-<lb/>
nen nur die äußer&#x017F;ten Ueberzieh-Kleider der<lb/>
Seele, aber nicht ihr letztes und näch&#x017F;tes, ihr<lb/>
Hemde. Unter allen Er&#x017F;cheinungen von Ver-<lb/>
&#x017F;torbenen &#x017F;ind z. B. die von eben Ver&#x017F;torbenen,<lb/>
oder von Sterbenden am &#x017F;chwer&#x017F;ten rein abzu-<lb/>
la&#x0364;ugnen; die unza&#x0364;hlichen Todten der Jahrtau-<lb/>
&#x017F;ende verhu&#x0364;llen &#x017F;ich uns, aber der Todte der<lb/>
Stunde tra&#x0364;gt gleich&#x017F;am noch Erden&#x017F;taub genug<lb/>
an &#x017F;ich, um damit noch einmal im Sonnen&#x017F;trahl<lb/>
des Lebens vor einem geliebten Auge zu &#x017F;pielen.&#x201D;</p><lb/>
        <p>Ich wollte beynahe entgegen&#x017F;etzen, warum<lb/>
uns keine ver&#x017F;torbne Thier&#x017F;eelen er&#x017F;chienen und<lb/>
daß die Er&#x017F;cheinung bloß <hi rendition="#g">verwandter</hi> Ster-<lb/>
benden und Ge&#x017F;torbenen, je deutlich ihre Ur-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[243/0261] Aus der Wirklichkeit war freylich gegen dieſe Möglichkeit, den goldnen Wiederſchein derſel- ben, nichts zu ſchließen. Dabey hatte der feurige Juͤngling nach Landesart der Schwärmer Ein- wuͤrfe verſchiedener Gattung wie auslaͤndiſche Truppen in eine Linie geſtellt. Ich macht’ es nachher nicht beſſer, als ich triplicierte. Aber er ließ mich noch nicht dazukommen; ſondern trug erſt dieſe Moͤglichkeit gar nach: „Wir ken- nen nur die äußerſten Ueberzieh-Kleider der Seele, aber nicht ihr letztes und nächſtes, ihr Hemde. Unter allen Erſcheinungen von Ver- ſtorbenen ſind z. B. die von eben Verſtorbenen, oder von Sterbenden am ſchwerſten rein abzu- laͤugnen; die unzaͤhlichen Todten der Jahrtau- ſende verhuͤllen ſich uns, aber der Todte der Stunde traͤgt gleichſam noch Erdenſtaub genug an ſich, um damit noch einmal im Sonnenſtrahl des Lebens vor einem geliebten Auge zu ſpielen.” Ich wollte beynahe entgegenſetzen, warum uns keine verſtorbne Thierſeelen erſchienen und daß die Erſcheinung bloß verwandter Ster- benden und Geſtorbenen, je deutlich ihre Ur-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/261
Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 243. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/261>, abgerufen am 23.11.2024.