Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

ein Millionär werde; wir hiesige Nacht-Rau-
pen verwandeln uns dann nicht in Schmetter-
linge, sondern in Tag-Raupen, und fressen
und kriechen dann bloß im Sonnenschein. Aber,
fuhr ich im Enthusiasmus fort, was wir begeh-
ren, und was allein zu beweisen ist, das muß
etwas anderes seyn; die Welt des moralischen
Herzens klingt wie ein Ton unsichtbar und zum
Wehen unwirksam, in der groben der Sinnen;
-- will denn unsere Liebe, unsere Freude, un-
sere Gottes-Ahnung etwas, was auf einer har-
ten Körper-Welt, sey es auch die schönste, er-
scheinen kann? Die schönste, die ich in dieser
Art kenne, ist die von der Phantasie, dieser
rechten Weltschöpferin; und doch muß eben
diese allgewaltige Weltseele, alle ihre Weltgloben,
damit sie Zauberlicht gewinnen, mit der Mor-
genröthe und Milchstraße der künftigen Unend-
lichkeit ahnend umziehen. Wie die Geister-Furcht
sich vor wahnsinnigen neuen Schmerzen ent-
setzt, die nicht vor dem Einflusse, sondern vor
der bloßen Gegenwart des Gegenstandes
beben und die uns gar keine Gestalt dieses Mit-

ein Millionaͤr werde; wir hieſige Nacht-Rau-
pen verwandeln uns dann nicht in Schmetter-
linge, ſondern in Tag-Raupen, und freſſen
und kriechen dann bloß im Sonnenſchein. Aber,
fuhr ich im Enthuſiasmus fort, was wir begeh-
ren, und was allein zu beweiſen iſt, das muß
etwas anderes ſeyn; die Welt des moraliſchen
Herzens klingt wie ein Ton unſichtbar und zum
Wehen unwirkſam, in der groben der Sinnen;
— will denn unſere Liebe, unſere Freude, un-
ſere Gottes-Ahnung etwas, was auf einer har-
ten Koͤrper-Welt, ſey es auch die ſchoͤnſte, er-
ſcheinen kann? Die ſchoͤnſte, die ich in dieſer
Art kenne, iſt die von der Phantaſie, dieſer
rechten Weltſchoͤpferin; und doch muß eben
dieſe allgewaltige Weltſeele, alle ihre Weltgloben,
damit ſie Zauberlicht gewinnen, mit der Mor-
genroͤthe und Milchſtraße der kuͤnftigen Unend-
lichkeit ahnend umziehen. Wie die Geiſter-Furcht
ſich vor wahnſinnigen neuen Schmerzen ent-
ſetzt, die nicht vor dem Einfluſſe, ſondern vor
der bloßen Gegenwart des Gegenſtandes
beben und die uns gar keine Geſtalt dieſes Mit-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0263" n="245"/>
ein Milliona&#x0364;r werde; wir hie&#x017F;ige Nacht-Rau-<lb/>
pen verwandeln uns dann nicht in Schmetter-<lb/>
linge, &#x017F;ondern in Tag-Raupen, und fre&#x017F;&#x017F;en<lb/>
und kriechen dann bloß im Sonnen&#x017F;chein. Aber,<lb/>
fuhr ich im Enthu&#x017F;iasmus fort, was wir begeh-<lb/>
ren, und was allein zu bewei&#x017F;en i&#x017F;t, das muß<lb/>
etwas anderes &#x017F;eyn; die Welt des morali&#x017F;chen<lb/>
Herzens klingt wie ein Ton un&#x017F;ichtbar und zum<lb/>
Wehen unwirk&#x017F;am, in der groben der Sinnen;<lb/>
&#x2014; will denn un&#x017F;ere Liebe, un&#x017F;ere Freude, un-<lb/>
&#x017F;ere Gottes-Ahnung etwas, was auf einer har-<lb/>
ten Ko&#x0364;rper-Welt, &#x017F;ey es auch die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te, er-<lb/>
&#x017F;cheinen kann? Die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te, die ich in die&#x017F;er<lb/>
Art kenne, i&#x017F;t die von der Phanta&#x017F;ie, die&#x017F;er<lb/>
rechten Welt&#x017F;cho&#x0364;pferin; und doch muß eben<lb/>
die&#x017F;e allgewaltige Welt&#x017F;eele, alle ihre Weltgloben,<lb/>
damit &#x017F;ie Zauberlicht gewinnen, mit der Mor-<lb/>
genro&#x0364;the und Milch&#x017F;traße der ku&#x0364;nftigen Unend-<lb/>
lichkeit ahnend umziehen. Wie die Gei&#x017F;ter-Furcht<lb/>
&#x017F;ich vor wahn&#x017F;innigen <hi rendition="#g">neuen</hi> Schmerzen ent-<lb/>
&#x017F;etzt, die nicht vor dem Einflu&#x017F;&#x017F;e, &#x017F;ondern vor<lb/>
der bloßen <hi rendition="#g">Gegenwart</hi> des Gegen&#x017F;tandes<lb/>
beben und die uns gar keine Ge&#x017F;talt die&#x017F;es Mit-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[245/0263] ein Millionaͤr werde; wir hieſige Nacht-Rau- pen verwandeln uns dann nicht in Schmetter- linge, ſondern in Tag-Raupen, und freſſen und kriechen dann bloß im Sonnenſchein. Aber, fuhr ich im Enthuſiasmus fort, was wir begeh- ren, und was allein zu beweiſen iſt, das muß etwas anderes ſeyn; die Welt des moraliſchen Herzens klingt wie ein Ton unſichtbar und zum Wehen unwirkſam, in der groben der Sinnen; — will denn unſere Liebe, unſere Freude, un- ſere Gottes-Ahnung etwas, was auf einer har- ten Koͤrper-Welt, ſey es auch die ſchoͤnſte, er- ſcheinen kann? Die ſchoͤnſte, die ich in dieſer Art kenne, iſt die von der Phantaſie, dieſer rechten Weltſchoͤpferin; und doch muß eben dieſe allgewaltige Weltſeele, alle ihre Weltgloben, damit ſie Zauberlicht gewinnen, mit der Mor- genroͤthe und Milchſtraße der kuͤnftigen Unend- lichkeit ahnend umziehen. Wie die Geiſter-Furcht ſich vor wahnſinnigen neuen Schmerzen ent- ſetzt, die nicht vor dem Einfluſſe, ſondern vor der bloßen Gegenwart des Gegenſtandes beben und die uns gar keine Geſtalt dieſes Mit-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/263
Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 245. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/263>, abgerufen am 23.11.2024.