Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

als Thränen: gut, sagt ich, ich weinte ja schon
vorhin, eh' sie kam, und noch viel länger.

"Es ist schon Ewigkeit, sagten einige, denn
die Körper gehorchen dem Sehnen; die Rau-
pen auf Blumen fliegen als Schmetterlinge auf,
wenn wirs denken -- der dicke Schlaf kommt,
sogleich wird er ein durchsichtiger Traum -- wir
blicken ins dunkle Grab, und schlagen es durch
mit dem Augenfunken und unten sieht aus dem
zweyten Himmel ein mildes Sonnengesicht her-
auf." -- "Nein, es ist erst Zeit, sagten
die andern, seht nach dem Zifferblatt." -- Auf
einer weißen hohen Gesetztafel flogen noch die
wimmelnden Kugelschatten umlaufender Welten
durcheinander.

Nur die Töne allein konnten wir nicht ver-
ändern', denn sie sind selber Seelen, sagten wir.
Sie waren schon auf der alten tiefen Erde bey
uns gewesen, und waren uns nachgegangen
durch die Sonne, durch den Sirius und den
unendlichen Sternen-Weg, sie waren die En-
gel Gottes, die uns von seinen Himmelshöhen

Erster Theil. 17

als Thraͤnen: gut, ſagt ich, ich weinte ja ſchon
vorhin, eh’ ſie kam, und noch viel laͤnger.

„Es iſt ſchon Ewigkeit, ſagten einige, denn
die Körper gehorchen dem Sehnen; die Rau-
pen auf Blumen fliegen als Schmetterlinge auf,
wenn wirs denken — der dicke Schlaf kommt,
ſogleich wird er ein durchſichtiger Traum — wir
blicken ins dunkle Grab, und ſchlagen es durch
mit dem Augenfunken und unten ſieht aus dem
zweyten Himmel ein mildes Sonnengeſicht her-
auf.” — „Nein, es iſt erſt Zeit, ſagten
die andern, ſeht nach dem Zifferblatt.” — Auf
einer weißen hohen Geſetztafel flogen noch die
wimmelnden Kugelſchatten umlaufender Welten
durcheinander.

Nur die Toͤne allein konnten wir nicht ver-
ändern’, denn ſie ſind ſelber Seelen, ſagten wir.
Sie waren ſchon auf der alten tiefen Erde bey
uns geweſen, und waren uns nachgegangen
durch die Sonne, durch den Sirius und den
unendlichen Sternen-Weg, ſie waren die En-
gel Gottes, die uns von ſeinen Himmelshoͤhen

Erſter Theil. 17
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0275" n="257"/>
als Thra&#x0364;nen: gut, &#x017F;agt ich, ich weinte ja &#x017F;chon<lb/>
vorhin, eh&#x2019; &#x017F;ie kam, und noch viel la&#x0364;nger.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Es i&#x017F;t &#x017F;chon Ewigkeit, &#x017F;agten einige, denn<lb/>
die Körper gehorchen dem Sehnen; die Rau-<lb/>
pen auf Blumen fliegen als Schmetterlinge auf,<lb/>
wenn wirs denken &#x2014; der dicke Schlaf kommt,<lb/>
&#x017F;ogleich wird er ein durch&#x017F;ichtiger Traum &#x2014; wir<lb/>
blicken ins dunkle Grab, und &#x017F;chlagen es durch<lb/>
mit dem Augenfunken und unten &#x017F;ieht aus dem<lb/>
zweyten Himmel ein mildes Sonnenge&#x017F;icht her-<lb/>
auf.&#x201D; &#x2014; &#x201E;Nein, es i&#x017F;t <hi rendition="#g">er&#x017F;t Zeit</hi>, &#x017F;agten<lb/>
die andern, &#x017F;eht nach dem Zifferblatt.&#x201D; &#x2014; Auf<lb/>
einer weißen hohen Ge&#x017F;etztafel flogen noch die<lb/>
wimmelnden Kugel&#x017F;chatten umlaufender Welten<lb/>
durcheinander.</p><lb/>
          <p>Nur die To&#x0364;ne allein konnten wir nicht ver-<lb/>
ändern&#x2019;, denn &#x017F;ie &#x017F;ind &#x017F;elber Seelen, &#x017F;agten wir.<lb/>
Sie waren &#x017F;chon auf der alten tiefen Erde bey<lb/>
uns gewe&#x017F;en, und waren uns nachgegangen<lb/>
durch die Sonne, durch den Sirius und den<lb/>
unendlichen Sternen-Weg, &#x017F;ie waren die En-<lb/>
gel Gottes, die uns von &#x017F;einen Himmelsho&#x0364;hen<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Er&#x017F;ter Theil. 17</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[257/0275] als Thraͤnen: gut, ſagt ich, ich weinte ja ſchon vorhin, eh’ ſie kam, und noch viel laͤnger. „Es iſt ſchon Ewigkeit, ſagten einige, denn die Körper gehorchen dem Sehnen; die Rau- pen auf Blumen fliegen als Schmetterlinge auf, wenn wirs denken — der dicke Schlaf kommt, ſogleich wird er ein durchſichtiger Traum — wir blicken ins dunkle Grab, und ſchlagen es durch mit dem Augenfunken und unten ſieht aus dem zweyten Himmel ein mildes Sonnengeſicht her- auf.” — „Nein, es iſt erſt Zeit, ſagten die andern, ſeht nach dem Zifferblatt.” — Auf einer weißen hohen Geſetztafel flogen noch die wimmelnden Kugelſchatten umlaufender Welten durcheinander. Nur die Toͤne allein konnten wir nicht ver- ändern’, denn ſie ſind ſelber Seelen, ſagten wir. Sie waren ſchon auf der alten tiefen Erde bey uns geweſen, und waren uns nachgegangen durch die Sonne, durch den Sirius und den unendlichen Sternen-Weg, ſie waren die En- gel Gottes, die uns von ſeinen Himmelshoͤhen Erſter Theil. 17

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/275
Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/275>, abgerufen am 23.11.2024.