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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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recht zusammennehmen, wenn man noch zwey
Stunden nach Huhl hat, und doch Nachts
wieder zu Hause seyn will, es ist aber kostbares
Wetter für Fußgänger."

Theoda zog ihren Vater in ein Nebenzimmer
und setzte alle weibliche Röst-, Schmelz- und
Treibwerke in Gang, um ihn so weit flüßig zu
schmelzen, daß er den Zoller bis nach Huhl mit ein-
sitzen ließ. Er schüttelte kaltblütig den Kopf, und
sagte die Gevatterschaft fürchtend: "auch nähm'
ers am Ende gar für eine Gefälligkeit, die ich ihm
etwa beweisen wollte." Sie rief den Edelmann
zum Bereden zu Hülfe; dieser brach -- mehr
aus Liebe für die Fürsprecherin -- gar in thea-
tralische Beredsamkeit aus, und ließ in seinem
Feuer sich von Katzenberger ganz ohne eines
ansehen. Dem Doktor war nämlich nichts lie-
ber, als wenn ihn jemand von irgend einem
Entschlusse mit tausend beweglichen Gründen
abzubringen anstrebte; seiner eignen Unbeweg-
lichkeit versichert, sah er mit desto mehr Genuß
zu, wie der andere jede Minute des Ja's ge-
wärtig, sich nutzlos abarbeitete. Ich versinn-

recht zuſammennehmen, wenn man noch zwey
Stunden nach Huhl hat, und doch Nachts
wieder zu Hauſe ſeyn will, es iſt aber koſtbares
Wetter fuͤr Fußgaͤnger.“

Theoda zog ihren Vater in ein Nebenzimmer
und ſetzte alle weibliche Roͤſt-, Schmelz- und
Treibwerke in Gang, um ihn ſo weit fluͤßig zu
ſchmelzen, daß er den Zoller bis nach Huhl mit ein-
ſitzen ließ. Er ſchuͤttelte kaltbluͤtig den Kopf, und
ſagte die Gevatterſchaft fuͤrchtend: „auch nähm’
ers am Ende gar fuͤr eine Gefaͤlligkeit, die ich ihm
etwa beweiſen wollte.“ Sie rief den Edelmann
zum Bereden zu Huͤlfe; dieſer brach — mehr
aus Liebe fuͤr die Fuͤrſprecherin — gar in thea-
traliſche Beredſamkeit aus, und ließ in ſeinem
Feuer ſich von Katzenberger ganz ohne eines
anſehen. Dem Doktor war naͤmlich nichts lie-
ber, als wenn ihn jemand von irgend einem
Entſchluſſe mit tauſend beweglichen Gruͤnden
abzubringen anſtrebte; ſeiner eignen Unbeweg-
lichkeit verſichert, ſah er mit deſto mehr Genuß
zu, wie der andere jede Minute des Ja’s ge-
waͤrtig, ſich nutzlos abarbeitete. Ich verſinn-

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[48/0066] recht zuſammennehmen, wenn man noch zwey Stunden nach Huhl hat, und doch Nachts wieder zu Hauſe ſeyn will, es iſt aber koſtbares Wetter fuͤr Fußgaͤnger.“ Theoda zog ihren Vater in ein Nebenzimmer und ſetzte alle weibliche Roͤſt-, Schmelz- und Treibwerke in Gang, um ihn ſo weit fluͤßig zu ſchmelzen, daß er den Zoller bis nach Huhl mit ein- ſitzen ließ. Er ſchuͤttelte kaltbluͤtig den Kopf, und ſagte die Gevatterſchaft fuͤrchtend: „auch nähm’ ers am Ende gar fuͤr eine Gefaͤlligkeit, die ich ihm etwa beweiſen wollte.“ Sie rief den Edelmann zum Bereden zu Huͤlfe; dieſer brach — mehr aus Liebe fuͤr die Fuͤrſprecherin — gar in thea- traliſche Beredſamkeit aus, und ließ in ſeinem Feuer ſich von Katzenberger ganz ohne eines anſehen. Dem Doktor war naͤmlich nichts lie- ber, als wenn ihn jemand von irgend einem Entſchluſſe mit tauſend beweglichen Gruͤnden abzubringen anſtrebte; ſeiner eignen Unbeweg- lichkeit verſichert, ſah er mit deſto mehr Genuß zu, wie der andere jede Minute des Ja’s ge- waͤrtig, ſich nutzlos abarbeitete. Ich verſinn-

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/66>, abgerufen am 24.11.2024.