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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

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"sein Kopf lebt zwar dem Wissen, wie ein Herz
dem Lieben, aber Sie springen zu ungestüm mit
seiner Natur um. -- In der That -- Sie legen
es ordentlich darauf an, daß er sich über Ge-
fühle recht seltsam und ohne Gefühle ausdrücke.
Thäte dieß wohl Ihr Theudobach?" -- "Gewiß
-- sagt' er -- aber in meinem Sinne. Denn
Ihren Vater, liebreiche Tochter, nehm' ich viel
besser als der Haufe. Mich hindert seine satiri-
sche Enkaustik nicht, darhinter ein warmes Herz
zu sehn. Recht geschliffnes Eis ist ein Brenn-
glas. Man ist ohnehin der alltäglichen Liebes-
Floskeln der Bücher so satt!" O dieser sanfte
Schläfer vor uns, ist vielleicht wärmer als wir
glauben und seiner Tochter werth!" Katzenber-
ger jetzt warm und heiß vom nahen Nachmittags-
schlummer, hätt etwas darum gegeben, wenn
ihm sein Gesicht, wie das des Kätzchens in der
Tasche, wäre gegen den Rücken und das Kut-
schen-Fensterchen gedreht gewesen, damit er un-
gesehen hätte lächeln können; wenigstens
schnarchte er.

Nieß ging von da auf die Weise über, Lieben

„ſein Kopf lebt zwar dem Wiſſen, wie ein Herz
dem Lieben, aber Sie ſpringen zu ungeſtuͤm mit
ſeiner Natur um. — In der That — Sie legen
es ordentlich darauf an, daß er ſich uͤber Ge-
fuͤhle recht ſeltſam und ohne Gefuͤhle ausdruͤcke.
Thaͤte dieß wohl Ihr Theudobach?” — „Gewiß
— ſagt’ er — aber in meinem Sinne. Denn
Ihren Vater, liebreiche Tochter, nehm’ ich viel
beſſer als der Haufe. Mich hindert ſeine ſatiri-
ſche Enkauſtik nicht, darhinter ein warmes Herz
zu ſehn. Recht geſchliffnes Eis iſt ein Brenn-
glas. Man iſt ohnehin der alltaͤglichen Liebes-
Floſkeln der Buͤcher ſo ſatt!” O dieſer ſanfte
Schlaͤfer vor uns, iſt vielleicht waͤrmer als wir
glauben und ſeiner Tochter werth!” Katzenber-
ger jetzt warm und heiß vom nahen Nachmittags-
ſchlummer, haͤtt etwas darum gegeben, wenn
ihm ſein Geſicht, wie das des Kaͤtzchens in der
Taſche, waͤre gegen den Ruͤcken und das Kut-
ſchen-Fenſterchen gedreht geweſen, damit er un-
geſehen haͤtte laͤcheln koͤnnen; wenigſtens
ſchnarchte er.

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[54/0072] „ſein Kopf lebt zwar dem Wiſſen, wie ein Herz dem Lieben, aber Sie ſpringen zu ungeſtuͤm mit ſeiner Natur um. — In der That — Sie legen es ordentlich darauf an, daß er ſich uͤber Ge- fuͤhle recht ſeltſam und ohne Gefuͤhle ausdruͤcke. Thaͤte dieß wohl Ihr Theudobach?” — „Gewiß — ſagt’ er — aber in meinem Sinne. Denn Ihren Vater, liebreiche Tochter, nehm’ ich viel beſſer als der Haufe. Mich hindert ſeine ſatiri- ſche Enkauſtik nicht, darhinter ein warmes Herz zu ſehn. Recht geſchliffnes Eis iſt ein Brenn- glas. Man iſt ohnehin der alltaͤglichen Liebes- Floſkeln der Buͤcher ſo ſatt!” O dieſer ſanfte Schlaͤfer vor uns, iſt vielleicht waͤrmer als wir glauben und ſeiner Tochter werth!” Katzenber- ger jetzt warm und heiß vom nahen Nachmittags- ſchlummer, haͤtt etwas darum gegeben, wenn ihm ſein Geſicht, wie das des Kaͤtzchens in der Taſche, waͤre gegen den Ruͤcken und das Kut- ſchen-Fenſterchen gedreht geweſen, damit er un- geſehen haͤtte laͤcheln koͤnnen; wenigſtens ſchnarchte er. Nieß ging von da auf die Weiſe uͤber, Lieben

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/72>, abgerufen am 24.11.2024.