"sein Kopf lebt zwar dem Wissen, wie ein Herz dem Lieben, aber Sie springen zu ungestüm mit seiner Natur um. -- In der That -- Sie legen es ordentlich darauf an, daß er sich über Ge- fühle recht seltsam und ohne Gefühle ausdrücke. Thäte dieß wohl Ihr Theudobach?" -- "Gewiß -- sagt' er -- aber in meinem Sinne. Denn Ihren Vater, liebreiche Tochter, nehm' ich viel besser als der Haufe. Mich hindert seine satiri- sche Enkaustik nicht, darhinter ein warmes Herz zu sehn. Recht geschliffnes Eis ist ein Brenn- glas. Man ist ohnehin der alltäglichen Liebes- Floskeln der Bücher so satt!" O dieser sanfte Schläfer vor uns, ist vielleicht wärmer als wir glauben und seiner Tochter werth!" Katzenber- ger jetzt warm und heiß vom nahen Nachmittags- schlummer, hätt etwas darum gegeben, wenn ihm sein Gesicht, wie das des Kätzchens in der Tasche, wäre gegen den Rücken und das Kut- schen-Fensterchen gedreht gewesen, damit er un- gesehen hätte lächeln können; wenigstens schnarchte er.
Nieß ging von da auf die Weise über, Lieben
„ſein Kopf lebt zwar dem Wiſſen, wie ein Herz dem Lieben, aber Sie ſpringen zu ungeſtuͤm mit ſeiner Natur um. — In der That — Sie legen es ordentlich darauf an, daß er ſich uͤber Ge- fuͤhle recht ſeltſam und ohne Gefuͤhle ausdruͤcke. Thaͤte dieß wohl Ihr Theudobach?” — „Gewiß — ſagt’ er — aber in meinem Sinne. Denn Ihren Vater, liebreiche Tochter, nehm’ ich viel beſſer als der Haufe. Mich hindert ſeine ſatiri- ſche Enkauſtik nicht, darhinter ein warmes Herz zu ſehn. Recht geſchliffnes Eis iſt ein Brenn- glas. Man iſt ohnehin der alltaͤglichen Liebes- Floſkeln der Buͤcher ſo ſatt!” O dieſer ſanfte Schlaͤfer vor uns, iſt vielleicht waͤrmer als wir glauben und ſeiner Tochter werth!” Katzenber- ger jetzt warm und heiß vom nahen Nachmittags- ſchlummer, haͤtt etwas darum gegeben, wenn ihm ſein Geſicht, wie das des Kaͤtzchens in der Taſche, waͤre gegen den Ruͤcken und das Kut- ſchen-Fenſterchen gedreht geweſen, damit er un- geſehen haͤtte laͤcheln koͤnnen; wenigſtens ſchnarchte er.
Nieß ging von da auf die Weiſe uͤber, Lieben
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0072"n="54"/>„ſein Kopf lebt zwar dem Wiſſen, wie ein Herz<lb/>
dem Lieben, aber Sie ſpringen zu ungeſtuͤm mit<lb/>ſeiner Natur um. — In der That — Sie legen<lb/>
es ordentlich darauf an, daß er ſich uͤber Ge-<lb/>
fuͤhle recht ſeltſam und ohne Gefuͤhle ausdruͤcke.<lb/>
Thaͤte dieß wohl Ihr Theudobach?”—„Gewiß<lb/>—ſagt’ er — aber in meinem Sinne. Denn<lb/>
Ihren Vater, liebreiche Tochter, nehm’ ich viel<lb/>
beſſer als der Haufe. Mich hindert ſeine ſatiri-<lb/>ſche Enkauſtik nicht, darhinter ein warmes Herz<lb/>
zu ſehn. Recht geſchliffnes Eis iſt ein Brenn-<lb/>
glas. Man iſt ohnehin der alltaͤglichen Liebes-<lb/>
Floſkeln der Buͤcher ſo ſatt!” O dieſer ſanfte<lb/>
Schlaͤfer vor uns, iſt vielleicht waͤrmer als wir<lb/>
glauben und ſeiner Tochter werth!” Katzenber-<lb/>
ger jetzt warm und heiß vom nahen Nachmittags-<lb/>ſchlummer, haͤtt etwas darum gegeben, wenn<lb/>
ihm ſein Geſicht, wie das des Kaͤtzchens in der<lb/>
Taſche, waͤre gegen den Ruͤcken und das Kut-<lb/>ſchen-Fenſterchen gedreht geweſen, damit er un-<lb/>
geſehen haͤtte laͤcheln koͤnnen; wenigſtens<lb/>ſchnarchte er.</p><lb/><p>Nieß ging von da auf die Weiſe uͤber, Lieben<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[54/0072]
„ſein Kopf lebt zwar dem Wiſſen, wie ein Herz
dem Lieben, aber Sie ſpringen zu ungeſtuͤm mit
ſeiner Natur um. — In der That — Sie legen
es ordentlich darauf an, daß er ſich uͤber Ge-
fuͤhle recht ſeltſam und ohne Gefuͤhle ausdruͤcke.
Thaͤte dieß wohl Ihr Theudobach?” — „Gewiß
— ſagt’ er — aber in meinem Sinne. Denn
Ihren Vater, liebreiche Tochter, nehm’ ich viel
beſſer als der Haufe. Mich hindert ſeine ſatiri-
ſche Enkauſtik nicht, darhinter ein warmes Herz
zu ſehn. Recht geſchliffnes Eis iſt ein Brenn-
glas. Man iſt ohnehin der alltaͤglichen Liebes-
Floſkeln der Buͤcher ſo ſatt!” O dieſer ſanfte
Schlaͤfer vor uns, iſt vielleicht waͤrmer als wir
glauben und ſeiner Tochter werth!” Katzenber-
ger jetzt warm und heiß vom nahen Nachmittags-
ſchlummer, haͤtt etwas darum gegeben, wenn
ihm ſein Geſicht, wie das des Kaͤtzchens in der
Taſche, waͤre gegen den Ruͤcken und das Kut-
ſchen-Fenſterchen gedreht geweſen, damit er un-
geſehen haͤtte laͤcheln koͤnnen; wenigſtens
ſchnarchte er.
Nieß ging von da auf die Weiſe uͤber, Lieben
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/72>, abgerufen am 18.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.