Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

gegen die Fenster-Schrift. Nieß sah das feuchte
Auge und hielt sich mit Gewalt, um nicht mit
dem Bekenntniß seines zweyten Namens ihr ans
Herz zu fallen, aber ihre Hand drückte er heftig
und malte gerührt den Theaterstreich am Fen-
ster nicht weiter aus.

Beyde gingen halb trunken zum Doktor zu-
rück. Dieser hatte eben theuer den Folioband
vom Wirthe erhandelt, nämlich Sömmerings
Abbildungen und Beschreibungen einiger Miß-
geburten, die sich ehemals auf dem anatomischen
Theater zu Kassel befanden. Fol. Mainz. 1791.
Nicht nur das Paar, auch der Wirth sah, mit
welchem Entzücken er die Misgeburten verschlang.
Da nun ein Wirth, wie jeder Handelsmann,
bey jedem Käufer ungern aufhört zu verkaufen,
so sagte der Wirth: "Ich bin vielleicht im Stande
einem Liebhaber mit einer der veritabelsten aus-
gestopften Misgeburten aufzuwarten, die je auf
acht Beinen herumgelaufen:" "Wie, wo, wenn,
was?" rief der Doktor auf den Gastwirth ren-
nend. "Gleich!" versetzte dieser und ent-
schoß.

gegen die Fenſter-Schrift. Nieß ſah das feuchte
Auge und hielt ſich mit Gewalt, um nicht mit
dem Bekenntniß ſeines zweyten Namens ihr ans
Herz zu fallen, aber ihre Hand druͤckte er heftig
und malte geruͤhrt den Theaterſtreich am Fen-
ſter nicht weiter aus.

Beyde gingen halb trunken zum Doktor zu-
ruͤck. Dieſer hatte eben theuer den Folioband
vom Wirthe erhandelt, naͤmlich Soͤmmerings
Abbildungen und Beſchreibungen einiger Miß-
geburten, die ſich ehemals auf dem anatomiſchen
Theater zu Kaſſel befanden. Fol. Mainz. 1791.
Nicht nur das Paar, auch der Wirth ſah, mit
welchem Entzuͤcken er die Misgeburten verſchlang.
Da nun ein Wirth, wie jeder Handelsmann,
bey jedem Kaͤufer ungern aufhoͤrt zu verkaufen,
ſo ſagte der Wirth: „Ich bin vielleicht im Stande
einem Liebhaber mit einer der veritabelſten aus-
geſtopften Misgeburten aufzuwarten, die je auf
acht Beinen herumgelaufen:” „Wie, wo, wenn,
was?” rief der Doktor auf den Gaſtwirth ren-
nend. „Gleich!” verſetzte dieſer und ent-
ſchoß.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0098" n="80"/>
gegen die Fen&#x017F;ter-Schrift. Nieß &#x017F;ah das feuchte<lb/>
Auge und hielt &#x017F;ich mit Gewalt, um nicht mit<lb/>
dem Bekenntniß &#x017F;eines zweyten Namens ihr ans<lb/>
Herz zu fallen, aber ihre Hand dru&#x0364;ckte er heftig<lb/>
und malte geru&#x0364;hrt den Theater&#x017F;treich am Fen-<lb/>
&#x017F;ter nicht weiter aus.</p><lb/>
            <p>Beyde gingen halb trunken zum Doktor zu-<lb/>
ru&#x0364;ck. Die&#x017F;er hatte eben theuer den Folioband<lb/>
vom Wirthe erhandelt, na&#x0364;mlich So&#x0364;mmerings<lb/>
Abbildungen und Be&#x017F;chreibungen einiger Miß-<lb/>
geburten, die &#x017F;ich ehemals auf dem anatomi&#x017F;chen<lb/>
Theater zu Ka&#x017F;&#x017F;el befanden. Fol. Mainz. 1791.<lb/>
Nicht nur das Paar, auch der Wirth &#x017F;ah, mit<lb/>
welchem Entzu&#x0364;cken er die Misgeburten ver&#x017F;chlang.<lb/>
Da nun ein Wirth, wie jeder Handelsmann,<lb/>
bey jedem Ka&#x0364;ufer ungern aufho&#x0364;rt zu verkaufen,<lb/>
&#x017F;o &#x017F;agte der Wirth: &#x201E;Ich bin vielleicht im Stande<lb/>
einem Liebhaber mit einer der veritabel&#x017F;ten aus-<lb/>
ge&#x017F;topften Misgeburten aufzuwarten, die je auf<lb/>
acht Beinen herumgelaufen:&#x201D; &#x201E;Wie, wo, wenn,<lb/>
was?&#x201D; rief der Doktor auf den Ga&#x017F;twirth ren-<lb/>
nend. &#x201E;Gleich!&#x201D; ver&#x017F;etzte die&#x017F;er und ent-<lb/>
&#x017F;choß.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0098] gegen die Fenſter-Schrift. Nieß ſah das feuchte Auge und hielt ſich mit Gewalt, um nicht mit dem Bekenntniß ſeines zweyten Namens ihr ans Herz zu fallen, aber ihre Hand druͤckte er heftig und malte geruͤhrt den Theaterſtreich am Fen- ſter nicht weiter aus. Beyde gingen halb trunken zum Doktor zu- ruͤck. Dieſer hatte eben theuer den Folioband vom Wirthe erhandelt, naͤmlich Soͤmmerings Abbildungen und Beſchreibungen einiger Miß- geburten, die ſich ehemals auf dem anatomiſchen Theater zu Kaſſel befanden. Fol. Mainz. 1791. Nicht nur das Paar, auch der Wirth ſah, mit welchem Entzuͤcken er die Misgeburten verſchlang. Da nun ein Wirth, wie jeder Handelsmann, bey jedem Kaͤufer ungern aufhoͤrt zu verkaufen, ſo ſagte der Wirth: „Ich bin vielleicht im Stande einem Liebhaber mit einer der veritabelſten aus- geſtopften Misgeburten aufzuwarten, die je auf acht Beinen herumgelaufen:” „Wie, wo, wenn, was?” rief der Doktor auf den Gaſtwirth ren- nend. „Gleich!” verſetzte dieſer und ent- ſchoß.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/98
Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 1. Heidelberg, 1809, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger01_1809/98>, abgerufen am 27.11.2024.