stieg der Stern der Liebe wie ein kleiner hell- blinkender Mond im Morgen auf, die Morgen- röthe glühte ihnen entgegen und die Sonne zog in die Rosen-Gluth hinein -- Hinter ihnen über den Bergen, wo sie sich gefunden hatten, wölbte sich ein Regenbogen hoch in den Himmel. Und so kamen sie an, eine Seele in die andere gesunken, den Nachtschimmer in den Tages-Glanz ziehend und ihre Blicke waren traumtrunken.
O Schicksal, warum lässest du so wenige deiner Menschen eine solche Nacht, ach nur eine Stunde daraus erleben? Sie würden sie nie vergessen, sie würden mit ihr als mit dem Frühlings Weiß und Roth die Wüsten des Lebens färben -- sie würden zwar weinen und schmachten, aber nicht nach Zukunft, son- dern nach Vergangenheit -- und sie würden, wenn sie stürben, auch sagen: auch ich war in Arkadien? --
Warum muß blos die Dichtkunst das zei- gen, was Du versagst, und die armen blüten-
ſtieg der Stern der Liebe wie ein kleiner hell- blinkender Mond im Morgen auf, die Morgen- röthe gluͤhte ihnen entgegen und die Sonne zog in die Roſen-Gluth hinein — Hinter ihnen uͤber den Bergen, wo ſie ſich gefunden hatten, woͤlbte ſich ein Regenbogen hoch in den Himmel. Und ſo kamen ſie an, eine Seele in die andere geſunken, den Nachtſchimmer in den Tages-Glanz ziehend und ihre Blicke waren traumtrunken.
O Schickſal, warum laͤſſeſt du ſo wenige deiner Menſchen eine ſolche Nacht, ach nur eine Stunde daraus erleben? Sie wuͤrden ſie nie vergeſſen, ſie wuͤrden mit ihr als mit dem Fruͤhlings Weiß und Roth die Wuͤſten des Lebens faͤrben — ſie würden zwar weinen und ſchmachten, aber nicht nach Zukunft, ſon- dern nach Vergangenheit — und ſie wuͤrden, wenn ſie ſtuͤrben, auch ſagen: auch ich war in Arkadien? —
Warum muß blos die Dichtkunſt das zei- gen, was Du verſagſt, und die armen bluͤten-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0104"n="98"/>ſtieg der Stern der Liebe wie ein kleiner hell-<lb/>
blinkender Mond im Morgen auf, die Morgen-<lb/>
röthe gluͤhte ihnen entgegen und die Sonne<lb/>
zog in die Roſen-Gluth hinein — Hinter<lb/>
ihnen uͤber den Bergen, wo ſie ſich gefunden<lb/>
hatten, woͤlbte ſich ein Regenbogen hoch in<lb/>
den Himmel. Und ſo kamen ſie an, eine Seele<lb/>
in die andere geſunken, den Nachtſchimmer<lb/>
in den Tages-Glanz ziehend und ihre Blicke<lb/>
waren traumtrunken.</p><lb/><p>O Schickſal, warum laͤſſeſt du ſo wenige<lb/>
deiner Menſchen eine ſolche Nacht, ach nur<lb/>
eine Stunde daraus erleben? Sie wuͤrden<lb/>ſie nie vergeſſen, ſie wuͤrden mit ihr als mit<lb/>
dem Fruͤhlings Weiß und Roth die Wuͤſten<lb/>
des Lebens faͤrben —ſie würden zwar weinen<lb/>
und ſchmachten, aber nicht nach Zukunft, ſon-<lb/>
dern nach Vergangenheit — und ſie wuͤrden,<lb/>
wenn ſie ſtuͤrben, auch ſagen: auch ich war in<lb/>
Arkadien? —</p><lb/><p>Warum muß blos die Dichtkunſt das zei-<lb/>
gen, was Du verſagſt, und die armen bluͤten-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[98/0104]
ſtieg der Stern der Liebe wie ein kleiner hell-
blinkender Mond im Morgen auf, die Morgen-
röthe gluͤhte ihnen entgegen und die Sonne
zog in die Roſen-Gluth hinein — Hinter
ihnen uͤber den Bergen, wo ſie ſich gefunden
hatten, woͤlbte ſich ein Regenbogen hoch in
den Himmel. Und ſo kamen ſie an, eine Seele
in die andere geſunken, den Nachtſchimmer
in den Tages-Glanz ziehend und ihre Blicke
waren traumtrunken.
O Schickſal, warum laͤſſeſt du ſo wenige
deiner Menſchen eine ſolche Nacht, ach nur
eine Stunde daraus erleben? Sie wuͤrden
ſie nie vergeſſen, ſie wuͤrden mit ihr als mit
dem Fruͤhlings Weiß und Roth die Wuͤſten
des Lebens faͤrben — ſie würden zwar weinen
und ſchmachten, aber nicht nach Zukunft, ſon-
dern nach Vergangenheit — und ſie wuͤrden,
wenn ſie ſtuͤrben, auch ſagen: auch ich war in
Arkadien? —
Warum muß blos die Dichtkunſt das zei-
gen, was Du verſagſt, und die armen bluͤten-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/104>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.