Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

stangen niedersinken, die größten Prunkzim-
mer, welche die Erde trägt, sind leer und
ohne Stuhl und Tisch, Raphaels Stanzen.
Wer wird unter dem Fluge der Bewunderung
daran denken, was sie eintrage?

Und was ist aller Vortheil so, oder an-
ders ernährter, oder unterwiesener Armen ge-
gen die Himmelsbeute, wenn an einer kräfti-
gen Jünglings-Seele im Unsterblichkeitstempel,
wie in einer lauen Frühlingsnacht, alle Knos-
pen aufbrechen und duftend auffahren -- wenn
die Statue eines großen Menschen mit Mem-
non's Tönen ein großes Herz anspricht und
erweckt, und es zurecht weiset für ein langes
Leben; -- und wenn ein Sonntag sechs Wo-
chentage bestimmt und heiligt?

In der geistigen Welt ist die Wirkung so
oft größer, als die Ursache wie umgekehrt, und
eine Maria gebiert einen Gottmenschen; daher
gibt's in ihr keine andere Elle und Wage,
als das Höchste, das eben jede verschmäht.
Die Erde ist ein Gottesacker voll Scheinlei-
chen, es wehe ein lebendiger Hauch, und eine

ſtangen niederſinken, die groͤßten Prunkzim-
mer, welche die Erde traͤgt, ſind leer und
ohne Stuhl und Tiſch, Raphaels Stanzen.
Wer wird unter dem Fluge der Bewunderung
daran denken, was ſie eintrage?

Und was iſt aller Vortheil ſo, oder an-
ders ernaͤhrter, oder unterwieſener Armen ge-
gen die Himmelsbeute, wenn an einer kraͤfti-
gen Juͤnglings-Seele im Unſterblichkeitstempel,
wie in einer lauen Fruͤhlingsnacht, alle Knos-
pen aufbrechen und duftend auffahren — wenn
die Statue eines großen Menſchen mit Mem-
non’s Tönen ein großes Herz anſpricht und
erweckt, und es zurecht weiſet fuͤr ein langes
Leben; — und wenn ein Sonntag ſechs Wo-
chentage beſtimmt und heiligt?

In der geiſtigen Welt iſt die Wirkung ſo
oft groͤßer, als die Urſache wie umgekehrt, und
eine Maria gebiert einen Gottmenſchen; daher
gibt’s in ihr keine andere Elle und Wage,
als das Hoͤchſte, das eben jede verſchmaͤht.
Die Erde iſt ein Gottesacker voll Scheinlei-
chen, es wehe ein lebendiger Hauch, und eine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0192" n="186"/>
&#x017F;tangen nieder&#x017F;inken, die gro&#x0364;ßten Prunkzim-<lb/>
mer, welche die Erde tra&#x0364;gt, &#x017F;ind leer und<lb/>
ohne Stuhl und Ti&#x017F;ch, Raphaels Stanzen.<lb/>
Wer wird unter dem Fluge der Bewunderung<lb/>
daran denken, was &#x017F;ie eintrage?</p><lb/>
        <p>Und was i&#x017F;t aller Vortheil &#x017F;o, oder an-<lb/>
ders erna&#x0364;hrter, oder unterwie&#x017F;ener Armen ge-<lb/>
gen die Himmelsbeute, wenn an einer kra&#x0364;fti-<lb/>
gen Ju&#x0364;nglings-Seele im Un&#x017F;terblichkeitstempel,<lb/>
wie in einer lauen Fru&#x0364;hlingsnacht, alle Knos-<lb/>
pen aufbrechen und duftend auffahren &#x2014; wenn<lb/>
die Statue eines großen Men&#x017F;chen mit Mem-<lb/>
non&#x2019;s Tönen ein großes Herz an&#x017F;pricht und<lb/>
erweckt, und es zurecht wei&#x017F;et fu&#x0364;r ein langes<lb/>
Leben; &#x2014; und wenn ein Sonntag &#x017F;echs Wo-<lb/>
chentage be&#x017F;timmt und heiligt?</p><lb/>
        <p>In der gei&#x017F;tigen Welt i&#x017F;t die Wirkung &#x017F;o<lb/>
oft gro&#x0364;ßer, als die Ur&#x017F;ache wie umgekehrt, und<lb/>
eine Maria gebiert einen Gottmen&#x017F;chen; daher<lb/>
gibt&#x2019;s in ihr keine andere Elle und Wage,<lb/>
als das Ho&#x0364;ch&#x017F;te, das eben jede ver&#x017F;chma&#x0364;ht.<lb/>
Die Erde i&#x017F;t ein Gottesacker voll Scheinlei-<lb/>
chen, es wehe ein lebendiger Hauch, und eine<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[186/0192] ſtangen niederſinken, die groͤßten Prunkzim- mer, welche die Erde traͤgt, ſind leer und ohne Stuhl und Tiſch, Raphaels Stanzen. Wer wird unter dem Fluge der Bewunderung daran denken, was ſie eintrage? Und was iſt aller Vortheil ſo, oder an- ders ernaͤhrter, oder unterwieſener Armen ge- gen die Himmelsbeute, wenn an einer kraͤfti- gen Juͤnglings-Seele im Unſterblichkeitstempel, wie in einer lauen Fruͤhlingsnacht, alle Knos- pen aufbrechen und duftend auffahren — wenn die Statue eines großen Menſchen mit Mem- non’s Tönen ein großes Herz anſpricht und erweckt, und es zurecht weiſet fuͤr ein langes Leben; — und wenn ein Sonntag ſechs Wo- chentage beſtimmt und heiligt? In der geiſtigen Welt iſt die Wirkung ſo oft groͤßer, als die Urſache wie umgekehrt, und eine Maria gebiert einen Gottmenſchen; daher gibt’s in ihr keine andere Elle und Wage, als das Hoͤchſte, das eben jede verſchmaͤht. Die Erde iſt ein Gottesacker voll Scheinlei- chen, es wehe ein lebendiger Hauch, und eine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/192
Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/192>, abgerufen am 21.11.2024.