Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

Bild:
<< vorherige Seite

karunkel u. s. w. herein schießen läßt, leicht
durch Possen gedämmt."

Hier konnte ein winddürres Landfräulein
aus dem Vordorf und der Vorstadt der Haupt-
stadt, das sich längst auf Rührung gelegt, sich
nicht länger halten: "Dieß kann er Narren
weiß machen," sagte sie leise vor seinen Katzen-
ohren zu ihrer Mutter. "Närrinnen allerdings
nicht," sagte er noch leiser zu obigem Posthalter
im ersten Bande. Das hagere Fräulein fuhr leise
gegen die Mutter fort: "freylich rohe Kerls
rührt nichts; eine Seele aber, die zarte ge-
spannte
Nerven hat, fühlt allein, was
weiche Nerven heißen, und fragt nach nichts
bey der Rührung. Ach wie weit sind noch alte
Personen, hinter den jüngsten oft zurück!"

Auch der Doktor versetzte wieder leise: "Man-
gel an Fett, Herr Posthalter, können Sie im er-
sten Bande von Walthers köstlicher Physiologie
gefunden haben -- der sich vom Berliner Zer-
gliederer Walther so unterscheidet wie beyder
Wissenschaften, also wie Geist von Körper --
Fett-Mangel macht zu empfindsam; denn die

karunkel u. ſ. w. herein ſchießen laͤßt, leicht
durch Poſſen gedaͤmmt.”

Hier konnte ein windduͤrres Landfraͤulein
aus dem Vordorf und der Vorſtadt der Haupt-
ſtadt, das ſich laͤngſt auf Ruͤhrung gelegt, ſich
nicht laͤnger halten: „Dieß kann er Narren
weiß machen,” ſagte ſie leiſe vor ſeinen Katzen-
ohren zu ihrer Mutter. „Naͤrrinnen allerdings
nicht,” ſagte er noch leiſer zu obigem Poſthalter
im erſten Bande. Das hagere Fraͤulein fuhr leiſe
gegen die Mutter fort: „freylich rohe Kerls
ruͤhrt nichts; eine Seele aber, die zarte ge-
ſpannte
Nerven hat, fuͤhlt allein, was
weiche Nerven heißen, und fragt nach nichts
bey der Ruͤhrung. Ach wie weit ſind noch alte
Perſonen, hinter den juͤngſten oft zuruͤck!”

Auch der Doktor verſetzte wieder leiſe: „Man-
gel an Fett, Herr Poſthalter, koͤnnen Sie im er-
ſten Bande von Walthers koͤſtlicher Phyſiologie
gefunden haben — der ſich vom Berliner Zer-
gliederer Walther ſo unterſcheidet wie beyder
Wiſſenſchaften, alſo wie Geiſt von Koͤrper —
Fett-Mangel macht zu empfindſam; denn die

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0041" n="35"/>
karunkel u. &#x017F;. w. herein &#x017F;chießen la&#x0364;ßt, leicht<lb/>
durch Po&#x017F;&#x017F;en geda&#x0364;mmt.&#x201D;</p><lb/>
            <p>Hier konnte ein winddu&#x0364;rres Landfra&#x0364;ulein<lb/>
aus dem Vordorf und der Vor&#x017F;tadt der Haupt-<lb/>
&#x017F;tadt, das &#x017F;ich la&#x0364;ng&#x017F;t auf Ru&#x0364;hrung gelegt, &#x017F;ich<lb/>
nicht la&#x0364;nger halten: &#x201E;Dieß kann er Narren<lb/>
weiß machen,&#x201D; &#x017F;agte &#x017F;ie lei&#x017F;e vor &#x017F;einen Katzen-<lb/>
ohren zu ihrer Mutter. &#x201E;Na&#x0364;rrinnen allerdings<lb/>
nicht,&#x201D; &#x017F;agte er noch lei&#x017F;er zu obigem Po&#x017F;thalter<lb/>
im er&#x017F;ten Bande. Das hagere Fra&#x0364;ulein fuhr lei&#x017F;e<lb/>
gegen die Mutter fort: &#x201E;freylich rohe Kerls<lb/>
ru&#x0364;hrt nichts; eine Seele aber, die zarte <hi rendition="#g">ge-<lb/>
&#x017F;pannte</hi> Nerven hat, fu&#x0364;hlt allein, was<lb/><hi rendition="#g">weiche</hi> Nerven heißen, und fragt nach nichts<lb/>
bey der Ru&#x0364;hrung. Ach wie weit &#x017F;ind noch alte<lb/>
Per&#x017F;onen, hinter den ju&#x0364;ng&#x017F;ten oft zuru&#x0364;ck!&#x201D;</p><lb/>
            <p>Auch der Doktor ver&#x017F;etzte wieder lei&#x017F;e: &#x201E;Man-<lb/>
gel an Fett, Herr Po&#x017F;thalter, ko&#x0364;nnen Sie im er-<lb/>
&#x017F;ten Bande von Walthers ko&#x0364;&#x017F;tlicher Phy&#x017F;iologie<lb/>
gefunden haben &#x2014; der &#x017F;ich vom Berliner Zer-<lb/>
gliederer Walther &#x017F;o unter&#x017F;cheidet wie beyder<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften, al&#x017F;o wie Gei&#x017F;t von Ko&#x0364;rper &#x2014;<lb/>
Fett-Mangel macht zu empfind&#x017F;am; denn die<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[35/0041] karunkel u. ſ. w. herein ſchießen laͤßt, leicht durch Poſſen gedaͤmmt.” Hier konnte ein windduͤrres Landfraͤulein aus dem Vordorf und der Vorſtadt der Haupt- ſtadt, das ſich laͤngſt auf Ruͤhrung gelegt, ſich nicht laͤnger halten: „Dieß kann er Narren weiß machen,” ſagte ſie leiſe vor ſeinen Katzen- ohren zu ihrer Mutter. „Naͤrrinnen allerdings nicht,” ſagte er noch leiſer zu obigem Poſthalter im erſten Bande. Das hagere Fraͤulein fuhr leiſe gegen die Mutter fort: „freylich rohe Kerls ruͤhrt nichts; eine Seele aber, die zarte ge- ſpannte Nerven hat, fuͤhlt allein, was weiche Nerven heißen, und fragt nach nichts bey der Ruͤhrung. Ach wie weit ſind noch alte Perſonen, hinter den juͤngſten oft zuruͤck!” Auch der Doktor verſetzte wieder leiſe: „Man- gel an Fett, Herr Poſthalter, koͤnnen Sie im er- ſten Bande von Walthers koͤſtlicher Phyſiologie gefunden haben — der ſich vom Berliner Zer- gliederer Walther ſo unterſcheidet wie beyder Wiſſenſchaften, alſo wie Geiſt von Koͤrper — Fett-Mangel macht zu empfindſam; denn die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/41
Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/41>, abgerufen am 21.11.2024.