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Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809.

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wäre mir heilsamer gewesen -- ich grub meines
ordentlich ein in seinen Glanz und dachte dann
nach: wie anders, anders es gewesen wäre,
wäre alles so geblieben, welch eine unvergesliche
Paradieses Nacht, die noch in keinem Traume
gewohnt, ich hätte durchleben, und ewig im Her-
zen halten dürfen! -- Es sollte nicht seyn, das
zu große Glück. Indeß glaub' ich, durchquillt
keine Thräne so heißschmelzend den ganzen Men-
schen, als die, die er fallen lassen muß, wenn
er, eben so heiter wie andere, in einem weiten
duftenden, wehenden Arkadien angelangt und
stehend, plötzlich von irgend einem einsamen
Unglück umgriffen wird, und nun mitten unter
dem allgemeinen Gesange: "freuet euch des Le-
bens" den er mitsingt, leise sagt: freuet euch
des Lebens, meines ist anders.

Ach wozu dies alles? Aber eine wichtige
Regel macht' ich mir; und ich wollte, besonders
die Männer hielten sie heilig: schone, o schone
jede Seele bey einem Lustfeste, weil es ihr viel
zu wehe thut, mitten in der allgemeinen Freu-
den-Ernte ganz allein gar nichts zu haben, und

wäre mir heilſamer geweſen — ich grub meines
ordentlich ein in ſeinen Glanz und dachte dann
nach: wie anders, anders es geweſen waͤre,
wäre alles ſo geblieben, welch eine unvergesliche
Paradieſes Nacht, die noch in keinem Traume
gewohnt, ich haͤtte durchleben, und ewig im Her-
zen halten duͤrfen! — Es ſollte nicht ſeyn, das
zu große Gluͤck. Indeß glaub’ ich, durchquillt
keine Thraͤne ſo heißſchmelzend den ganzen Men-
ſchen, als die, die er fallen laſſen muß, wenn
er, eben ſo heiter wie andere, in einem weiten
duftenden, wehenden Arkadien angelangt und
ſtehend, ploͤtzlich von irgend einem einſamen
Ungluͤck umgriffen wird, und nun mitten unter
dem allgemeinen Geſange: „freuet euch des Le-
bens” den er mitſingt, leiſe ſagt: freuet euch
des Lebens, meines iſt anders.

Ach wozu dies alles? Aber eine wichtige
Regel macht’ ich mir; und ich wollte, beſonders
die Maͤnner hielten ſie heilig: ſchone, o ſchone
jede Seele bey einem Luſtfeſte, weil es ihr viel
zu wehe thut, mitten in der allgemeinen Freu-
den-Ernte ganz allein gar nichts zu haben, und

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[47/0053] wäre mir heilſamer geweſen — ich grub meines ordentlich ein in ſeinen Glanz und dachte dann nach: wie anders, anders es geweſen waͤre, wäre alles ſo geblieben, welch eine unvergesliche Paradieſes Nacht, die noch in keinem Traume gewohnt, ich haͤtte durchleben, und ewig im Her- zen halten duͤrfen! — Es ſollte nicht ſeyn, das zu große Gluͤck. Indeß glaub’ ich, durchquillt keine Thraͤne ſo heißſchmelzend den ganzen Men- ſchen, als die, die er fallen laſſen muß, wenn er, eben ſo heiter wie andere, in einem weiten duftenden, wehenden Arkadien angelangt und ſtehend, ploͤtzlich von irgend einem einſamen Ungluͤck umgriffen wird, und nun mitten unter dem allgemeinen Geſange: „freuet euch des Le- bens” den er mitſingt, leiſe ſagt: freuet euch des Lebens, meines iſt anders. Ach wozu dies alles? Aber eine wichtige Regel macht’ ich mir; und ich wollte, beſonders die Maͤnner hielten ſie heilig: ſchone, o ſchone jede Seele bey einem Luſtfeſte, weil es ihr viel zu wehe thut, mitten in der allgemeinen Freu- den-Ernte ganz allein gar nichts zu haben, und

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Zitationshilfe: Jean Paul: D. Katzenbergers Badereise. Bd. 2. Heidelberg, 1809, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/paul_katzenberger02_1809/53>, abgerufen am 24.11.2024.